Oberbergs SPD hat mit der Nominierung schon jetzt den Bundestagswahlkampf 2025 eröffnet.
InterviewDeshalb will Lindlars SPD-Mann Pascal Reinhardt für Oberberg in den Bundestag
Pascal Reinhardt will nach Berlin. Gemeinsam haben Kreispartei und die oberbergischen SPD-Ortsvereine den 29-Jährigen zum Direktkandidaten für die Bundestagswahl 2025 nominiert. Florian Sauer sprach mit dem Lindlarer.
Herr Reinhardt, lange Zeit hörte man von SPD-Mitgliedern, dass Willy Brandt oder Helmut Schmidt sie einst zum Parteieintritt motiviert habe. Das haut bei Ihnen vom Alter her nicht hin. Die meiste Zeit Ihres Lebens hieß die Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Tatsächlich kann ich mich aber auch noch an Berichte über einen Kanzler Schröder in der Zeitung und der Tagesschau erinnern (lacht). Im Ernst: Ich glaube, das Zeitalter, in denen es die eine prägende Identifikationsfigur gab, ist vorbei. Unsere Welt ist viel zu differenziert und spezialisiert geworden. Dafür braucht es das Team und eben keine One-Man-Show.
Sie möchten in den Bundestag – besitzen aber weder ein Mandat für den Lindlarer Gemeinderat noch sitzen Sie im Kreistag. Sie fangen also gleich oben an.
Es gibt ja den furchtbaren Begriff der Ochsentour. Lange Zeit war man in den Parteien ja davon überzeugt, dass sich derjenige, der etwa für den Bundestag kandidieren möchte, erst durch sämtliche Kommunalvertretungen und Parteigremien hocharbeiten muss. Ich halte dieses Verfahren für längst überholt. Derjenige, der das dickste Sitzfleisch besitzt und sich in unzähligen Debatten die größte Frustrationsgrenze angeeignet hat, ist nicht automatisch auch der beste Vertreter eines Wahlkreises.
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Oberbergs SPD-Kandidat Reinhardt kritisiert Großkonzerne
Was sind Ihre persönlichen Motive für die Kandidatur?
So richtig gereift ist mein Entschluss während der Corona-Pandemie. Da war der Staat für viele ein Rettungsanker. Mich macht es wütend, dass diejenigen, die schon vor der Krise stark waren, noch stärker aus dieser Zeit herausgegangen sind. Und wer vor Corona schwach war, war anschließend oft noch schwächer. Die gleiche Entwicklung gab es bei der Lehman-Pleite oder der Staatsschuldenkrise in Griechenland. Nun stehen mit dem demografischen Wandel und dem Thema Energie die nächsten großen Herausforderungen an. Diesmal muss es anders sein, wenn der Staat eingreift, darf nicht die breite Mitte der Gesellschaft wieder der Verlierer sein. Große Konzerne wälzen zu oft ihre Verantwortung auf den Einzelnen ab, gerade bei der Energiewende.
Energiewende ist ein gutes Stichwort. Auf Oberbergs Straßen sieht man immer mehr Elektroautos, allerdings vor allem Oberklassemodelle mit beträchtlichen Akkus. Ist das die Elektromobilität, die die SPD befürwortet?
Ich bin vor einigen Jahren in Japan gewesen, dort sind sogenannte Kei-Cars unheimlich beliebt – sehr kleine Autos mit maximal 64 PS und um die 1,40 Meter schmal, die dort steuerlich stark begünstigt werden. Ein Staat kann und muss also lenken, indem er zum Beispiel über Steuern Leitplanken setzt. Fehlen die, orientiert sich der deutsche Autokäufer regelmäßig am Maximalbedarf. Enorme Reichweite ist offenbar gefragt, selbst wenn sie vielleicht nur einmal im Jahr für die Urlaubsreise wirklich gebraucht wird.
Der mitregierenden FDP dürften solche Ideen weniger gefallen.
Die Liberalen vertreten einen sehr weiten, mitunter aber naiven Freiheitsbegriff. Denn die Freiheit des Einzelnen muss zwangsläufig dort enden, wo die der anderen beginnt.
Wie zufrieden sind Sie grundsätzlich mit dem Bild, das die Berliner Ampel abgibt?
Durchaus zufrieden. Denn über die Hälfte der im Koalitionsvertrag vereinbarten Ziele sind umgesetzt oder zumindest angestoßen, von der Ausbildungsplatz-Garantie über das Bürgergeld bis zum höheren Mindestlohn, dem vom Kanzler persönlich vorangetriebenen Bürokratieabbau oder dem Wind-an-Land-Gesetz. Auch das Gebäudeenergiegesetz ist wichtig, mag die Kommunikation auch arg verbesserungswürdig gewesen sein. Das Thema Wärme ist bislang zu sehr vernachlässigt worden. Der Tonfall innerhalb der Regierung hat keinen guten Eindruck hinterlassen, allerdings gilt auch: Je mehr Dinge angepackt werden, desto heißer geht es natürlich her.
Vor zwei Jahren hat Dr. Carsten Brodesser den Wahlkreis Oberberg für die CDU geholt und will auch wieder antreten. Er ist ebenfalls Lindlarer, kennen Sie sich eigentlich persönlich?
Noch kennen wir uns nicht persönlich. Ich glaube, dass Carsten Brodesser ein netter Mensch ist. Was seine Arbeit im Bundestag angeht, fehlt ihm für meinen Geschmack allerdings eine Vision. Da widerspreche ich ausdrücklich dem Spruch, der Helmut Schmidt lange zugesprochen wurde, und sage: Wer keine Visionen hat, hat im Bundestag nichts verloren.
Sie und die SPD haben entschieden, früh in den Bundestagswahlkampf einzusteigen. Gewählt wird ja erst im Herbst 2025.
Bis dahin möchte ich mit vielen Oberbergern ins Gespräch kommen, vor allem mit unseren Vereinen. Dort treffen Menschen ganz unterschiedlicher Herkunft aufeinander, sie sind der sympathische Gegenentwurf zu den Blasen in der Großstadt, in denen man sich oft nur mit Gleichgesinnten trifft. Ich bin neugierig auf andere Blickwinkel – vor allem auf die, denen ich im Lehrerzimmer nicht begegne.
Zur Person: Pascal Reinhardt, Jahrgang 1993, ist in Lindlar aufgewachsen, wo er 2013 das Abitur bestanden hat. Im gleichen Jahr trat er in die SPD ein. Anschließend Studium in Siegen und Köln, heute unterrichtet er Mathematik, Physik und Informatik am Albertus-Magnus-Gymnasium in Bensberg.
Seit 2022 ist er stellvertretender Vorsitzender des SPD-Ortsvereins Lindlar. Pascal Reinhardt liebt seine Lebensgefährtin und die Musik: Er spielt Trompete im Musikverein Lindlar-Süng sowie Klavier in der Wipperfürther Big Band „Big Stuff“ und mehreren oberbergischen und Kölner Combos.