Viele Menschen leiden weiterhin unter den Folgen einer Corona-Erkrankung. Auf ihre Behandlung ist die Reha-Klinik in Eckenhagen spezialisiert.
InterviewIn der Rehaklinik Reichshof werden Patienten behandelt, die unter Corona-Spätfolgen leiden
Gesundheitsminister Karl Lauterbach hat jetzt die Corona-Pandemie für beendet erklärt. Viele Menschen leiden jedoch weiterhin unter ihren Folgen. Auf ihre Behandlung ist die Reha-Klinik in Eckenhagen spezialisiert. Über Therapie und Forschung sprach Sabine Eisenhauer mit den Mitarbeitern Dr. Jürgen Bonnert, Chefarzt der Neurologie, und Dr. Matthias Schmalenbach, Chefarzt der Pneumologie.
Vielfach ist derzeit das erleichterte „Endlich wieder!“ bei Veranstaltungen und Feiern zu hören. Wie empfinden Ihre Patientinnen und Patienten den Wegfall der Corona-Maßnahmen?
Jürgen Bonnert: Ihr Empfinden spiegelt das der gesamten Bevölkerung wider. Viele von ihnen sind selbst froh, dass belastende Maßnahmen entfallen. Andere sind eher besorgt, darunter auch Mitarbeitende, die lieber weiterhin Maske tragen und sagen: Solch eine Erkrankung möchte ich nie wieder bekommen.
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Wie viel Prozent Ihrer Patientinnen und Patienten wurden wegen Covid-Spätfolgen aufgenommen?
Matthias Schmalenbach: Das hat sich im Laufe der Jahre verändert. Vor drei Jahren waren es zehn Prozent, die vor allem mit Beeinträchtigungen der Lunge durch Beatmung und schwere Verläufe zu uns kamen. Derzeit therapieren wir etwa zwei Prozent unserer Patientinnen und Patienten aufgrund von Post-Covid. Ihre Symptome äußern sich vor allem im Fatigue-Syndrom und damit in chronischer Erschöpfung oder in neuropathischen Störungen wie Muskelschmerzen. Während bei der ersten Welle vor allem Risikopatienten und Hochbetagte betroffen waren, sind es nun überwiegend 30- bis 50-Jährige mit zuvor oft leichten Verläufen. Woran das liegt, ist aktuell Gegenstand der Forschung – ebenso die Frage, warum nun mehr Frauen als Männer betroffen sind.
Jürgen Bonnert: In einer dritten Welle behandeln wir derzeit auch die seelischen Folgen von Infektion und Pandemie. Deren Belastungen haben zum Beispiel Angststörungen oder Depressionen hervorgerufen.
Haben Betroffene Schwierigkeiten, eine Post-Covid-Erkrankung anerkannt und therapiert zu bekommen?
Jürgen Bonnert: Zu Beginn der Pandemie kam das vielleicht öfters vor, jetzt erleben wir jedoch, dass Ärztinnen und Ärzte die Erkrankung ernstnehmen. Wir hoffen sehr auf einen Messwert, mit dem Post-Covid im Blut nachgewiesen werden kann. Nach solch einem sogenannten Surrogatmarker wird derzeit geforscht.
Matthias Schmalenbach: Bisher wurden mindestens 200 Post-Covid-Symptome klassifiziert. Unser Konzept beinhaltet daher eine standardisierte Diagnostik, in der wir die führende Beeinträchtigung erfragen und zu der weitere Fachmediziner aus unserem interdisziplinären Expertenboard hinzugezogen werden. Grundsätzlich können natürlich die geklagten Symptome auch Ausdruck einer weiteren Erkrankung sein – eine Erschöpfung zum Beispiel durch eine Herzerkrankung, Luftnot oder langanhaltender Husten etwa durch eine chronische Bronchitis oder eine anhaltende Überempfindlichkeit der Bronchien. Hier ist natürlich ebenso ein Zusammenhang mit der Corona-Infektion möglich. Dafür sind aber sicherlich fachärztliche Untersuchungen bereits vor einer Reha sinnvoll.
Wie gestalten Sie die Therapien in Ihrer Klinik?
Matthias Schmalenbach: Unsere Basis ist der aktuellen Leitlinie entsprechend ein interdisziplinäres Reha-Konzept, das den vielfältigen Symptomen Rechnung trägt. Dazu gehört unter anderem der regelmäßige, virtuelle Austausch mit anderen Fachleuten, bei dem auch einzelne Patientenfälle besprochen werden. Entsprechend richten wir die Therapien ganzheitlich auf jeden einzelnen Menschen aus.
Jürgen Bonnert: Bei den aktuellen Therapien der Fatigue-Symptome bauen wir beispielsweise auf das sogenannte Pacing. Dabei wird mit jedem Betroffenen der individuelle Stand seiner Leistungsfähigkeit ermittelt und der angemessene Umgang damit geübt. Erkrankte mit neurologischen Störungen können daneben an Computerplätzen das konzentrierte Arbeiten trainieren.
Thema sind jetzt Schäden von Covid-Impfungen. Gibt es bei Ihnen auch Menschen mit Post-Vacc-Syndrom?
Matthias Schmalenbach: Ich denke, das ist ein Thema, das medial zurzeit sehr präsent ist. Fachleute schätzen die Wahrscheinlichkeit solch einer Impffolge mit circa 0,01 Prozent ein. Zum Vergleich: Von Long-Covid sind laut der Weltgesundheitsorganisation bei unterschiedlichen Angaben fünf bis zehn Prozent der Genesenen betroffen. Wir selbst nehmen sehr viel häufiger Langzeitfolgen nach Infektion als nach einer Impfung wahr.
Wie erfolgreich sind die Therapien in Ihrem Haus?
Jürgen Bonnert: Von den bisher 3500 Post-Covid-Behandelten beschreiben alle eine Verbesserung ihrer Symptome durch die Reha. Sie erklären, dass sie von unseren Therapien profitieren und mit ihnen die richtige Richtung eingeschlagen haben. Derzeitige Erhebungen gehen davon aus, dass die Post-Covid-Symptome bei 90 Prozent aller Erkrankten nach einem Jahr verschwinden.
Reha-Klinik in Reichshof
Die Einrichtung ist eine von bundesweit 35 Reha-Kliniken der Mediclin-AG und seit 2020 eine Schwerpunktklinik für die Rehabilitation von Menschen mit Long- und Post-Covid. Die Klinik mit 226 Betten ist wie alle Mediclin-Rehakliniken interdisziplinär aufgestellt. In der Klinik in Reichshof werden die Betroffenen fachübergreifend und bei stetigem Austausch in den drei Fachabteilungen Pneumologie, Psychosomatik und Psychotherapie sowie Neurologie behandelt.
Aktuelle Corona-Lage in Oberberg
Das Coronavirus ist aus der öffentlichen Wahrnehmung größtenteils verschwunden, seitdem der Kreis am 31. Januar seinen letzten Bericht veröffentlicht hat. Belastbar waren die Zahlen schon damals nicht mehr, weil ausschließlich laborbestätigte Fälle erfasst wurden. Selbsttests tauchen in der Statistik nicht auf. Doch wie ist die Corona-Situation aktuell?
Am gestrigen Mittwoch lag die Sieben-Tage-Inzidenz in Oberberg bei 6,6, nachdem dieser Wert der Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner Ende Januar noch 112,3 betrug. Das geht aus den Zahlen des Landeszentrums Gesundheit hervor. Demnach bewegte sich die Inzidenz-Kurve seit Februar im niedrigen Bereich. Eine Spitze gab es nach Karneval, am 28. Februar, als die Inzidenz einen Wert von 266,5 erreichte. Stand Mittwoch gab es insgesamt 132 276 gemeldete Fälle (2583 mehr als Ende Januar) und 131 600 Genesene (+2770). Die Zahl der an oder mit dem Virus Gestorbenen beziffert das LZG auf 565 (+20).