Gerade hat die 24-Jährige der Stadtbücherei in Waldbröl ihre Abschlussarbeit geschenkt: Es ist eine Sitzbank, die nun am Servicetresen steht.
Auf der WalzDie Tischlergesellin Hannah zieht es von Waldbröl in die weite Welt
Der Schnack ist fix, am Samstag, 27. Juli, geht's los. Dann wird Gesellin Antonia vor der Haustür stehen und Hannah Riederer in der Waldbröler Ortschaft Diezenkausen abholen. Und für mindestens drei Jahre und einen Tag geht die 24-Jährige dann auf Wanderschaft: Das verlangt die Tradition der Walz. Gerade hat Riederer in Wiehl ihre Ausbildung zur Tischlerin mit der Note „Gut“ beendet.
„Die Tippelei muss eben länger dauern als die Lehre“, erklärt die Gesellin. Und wenn sie sagt, dass der Schnack fix ist, bedeutet dies: Alles ist geregelt und in trockenen Tüchern, der Schnack ist sozusagen der Flurfunk unter den Wandernden. Denn auf der Walz zählt das Wort. „Man verlässt sich aufeinander.“
Gesellenstück hat seinen Platz in der Waldbröler Stadtbücherei gefunden
Bevor Hannah Riederer aber aufbricht, hat sie ihrer Heimatstadt am Dienstag ein besonderes Geschenk gemacht: eine 1,10 Meter lange Bank aus Eschenholz, darauf ein Kissen aus Dinkelspelz mit grünem Leinenbezug, ihr Gesellenstück. Diese steht ab sofort im Bürgerhaus an der Kaiserstraße 82, im Eingang zur Stadtbücherei, dem Servicetresen gegenüber. Waldbröls Bürgermeisterin Larissa Weber sowie die Leiterinnen Jaqueline Gomer und Carolin Peters freuen sich über diese Gabe: „Die Bank passt perfekt hierhin“, finden sie – und Hannah Riederer betont: „Für mich ist es ein gutes Gefühl, dass ich etwas hier lasse, wenn ich weggehe.“
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Das Sitzmöbel sei im Wettbewerb „Die gute Form“ übrigens mit einem Sonderpreis bedacht worden, weil es nun einem sozialen Zweck dient. „Ich sehe mein Gesellenstück als Hommage ans Bergische Land, die Form an sich und die klassisch gehaltenen Verbindungen daran sollen Beständigkeit ausdrücken“, erklärt Riederer. Auf die Walz zu gehen, das habe sie sich immer gewünscht. „Dass es aber so schnell klappen würde, damit habe ich jedoch nicht gerechnet“, gesteht sie. Mit der Gesellin Antonia aber, zurzeit noch im Osten Deutschlands unterwegs, aber ist rasch die richtige Begleiterin für den Beginn der Reise gefunden, also muss es losgehen.
Der Abschied von der Familie in Waldbröl wird Hannah Riederer besonders schwerfallen
Für ihre Wanderschaft hat die 24-Jährige übrigens einen Vertrag beim Lehrbetrieb Formart ausgeschlagen. „Aber dieses Buch ist nicht zugeklappt“, betont die Tischlerin. „Im Gegenteil, denn Formart ist der coolste Betrieb überhaupt.“ Für die Lehre hat sie ein Studium der Agrarwissenschaften geschmissen, nach drei Semestern. „Ich wollte lieber ins Handwerk.“
Schwerfallen werde ihr nun vor allem der Abschied von der Familie, von Bruder Bruno (22) und Schwester Antonia (16). Ein Handy dürfen Wandernde nicht mitnehmen, aber die Telefone anderer zu benutzen, das sei in Ordnung. Auch ein Laptop darf nicht mit. „Aber ab und an über E-Mail zu kommunizieren, das ist uns erlaubt.“ So wird Hannah Riederer auch zu Basti, ihrem Freund, Kontakt aufnehmen: Der 25-Jährige aus Gummersbach ist ebenfalls Tischler von Beruf und seit zweieinhalb Jahren schon auf der Walz. „Als er los ist, waren wir gerade drei Monate zusammen.“ Für beide gilt ein Bannkreis von 50 Kilometern, näher an zu Hause darf es nicht gehen. „Wir werden uns treffen – irgendwo, irgendwann.“
Wie lange die eigene Walz dauern soll, darüber hat sich die Diezenkausenerin bisher keinen Kopf gemacht. „Man sagt: das erste Jahr Deutschland, das zweite Europa, das dritte die ganze Welt. Vielleicht kommen wir sogar bis Japan.“ Es gebe sogar Gesellinnen und Gesellen, die seien sechs Jahre und länger unterwegs. „Man sagt auch: Wenn Nachbars Hund nicht mehr bellt und dich der Postbote grüßt, musst du weiterziehen.“ Natürlich muss sie Geld verdienen: Wenn Riederer losgeht, darf sie nur fünf Euro in der Tasche haben, arbeiten wird sie bei tarifgebundenen Betrieben.
Dass Frauen auf Wanderschaft eher selten sind, mache ihr keine Sorgen, versichert Hannah Riederer. Tragen wird – und muss – sie die traditionelle schwarze Kluft. Die ist jüngst in Bielefeld maßgeschneidert worden. „Für Kleidung von der Stange bin ich nämlich oft zu groß.“