Heute führen Brigitte Grothe und Michael Braun den urigen „Römerkeller“ und servieren dort insgesamt 75 Weine und Happen zu diesen Tropfen.
Häuser mit Geschichte(n)In Waldbröl klirren Weingläser in einem uralten Gewölbe
Die Pforte ist eher schmal – einszehn vielleicht, einszwanzig höchstens. Über einer massiven Tür aus dunklem Holz thront eine Schieferkrone, dahinter geht’s ein paar Stufen hinab. Und plötzlich steht man mittendrin in einem angenehm kühlen Gewölbe – Bögen aus bergischen Bruchsteinen über dem Kopf, schwere Holzdielen unter den Füßen.
Seit September 1988 findet sich an der Alten Rathausstraße mitten in Waldbröl, zwischen der Gaststätte „Zum Römer“ und dem Gebäude der Anwaltskanzlei Tillmann, der Eingang zum „Römerkeller“ – und auch zum Weinhandel „Weinkost“. Dort unten servieren und verkaufen Brigitte Grothe und ihr Lebensgefährte Michael Braun seit April des vergangenen Jahres vor allem deutsche Weine, aber auch feine Tropfen aus Frankreich, Spanien und Italien. 75 Weine insgesamt gebe es zur Auswahl, sagen die beiden.
„Früher haben wir am Tresen gesessen, heute stehen wir dahinter“, verrät die 58-jährige Grothe, die als Hauswirtschafterin in der Pflege arbeitet. „Dieser Weinkeller durfte nicht verschwinden, er ist weit und breit einmalig“, schwärmt sie und erinnert sich prompt an jenen Moment, als sie und Ruheständler Braun (67) beschließen, in die Fußstapfen des Weinhändlers Rolf Ising, 2013 übrigens Gründer des heutigen Weinfestes in der Marktstadt, zu treten – ohne großes Zögern, wie das Paar betont. 90 Quadratmeter misst Waldbröls gute, aber versteckte Stube, 63 Sitzplätze gibt es dort.
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„Wir sind hier gute drei Meter unter der Erde“, sagt derweil Bernd Roth, der Eigentümer des Gebäudekomplexes, und deutet mit dem Zeigefinger erst nach oben, dann aber auch nach unten: Bis in eine Tiefe von zehn Metern reicht das Kellergewölbe, aus Gründen der Sicherheit ist der untere Raum aber schon vor vielen Jahren verfüllt worden. Unter dem Schankraum ruhen die Mauern dieses Eiskellers.
Über dem Weinkeller tobte in Waldbröl einst das pralle Leben
„Gebrochen wurde das Stangeneis in den Gewässern des Wiedenhofparks, damit wurden dann Lebensmittel aller Art gekühlt“, weiß Diplom-Ingenieur Roth (69). Daran erinnert in Waldbröl auch heute noch das Eishäuschen an der Friedenstraße, Ecke Oststraße. „Der Eiskeller war jedoch so verschlammt, dass wir ihn lieber aufgegeben haben.“
Das wäre beinahe dem gesamten, mächtigen Gebäude darüber widerfahren, an das aber so viele Waldbrölerinnen und Waldbröler so lebhafte Erinnerungen haben: 1818 eröffnet der Gastronom Lieven darin ein Hotel, unter Otto Althoff gedieht dieses ab 1919 zum Epizentrum des gesellschaftlichen Lebens.
Das erste Haus am Platz ist Schauplatz sonntäglicher, oft ausufernder Frühschoppen nach dem Kirchgang, Ort legendärer Feiern und rauschender Feste, Tanzsaal, Liebesbörse, Sitzungshochburg im Karneval. „Und leider auch Versammlungsort der Nazis um Robert Ley und NSDAP-Büro“, ergänzt Roth. Ab 1969 beherbergt das Hotel Althoff keine Gäste mehr: Viele Jahre lang steht es leer, verfällt. 1983 geht das Bauwerk an eine Bank, der Abbruch droht.
Zwei-Urwaldbröler haben das frühere Hotel Althoff und damit auch der Gewölbe vor dem Abbruch bewahrt
Doch die Ur-Waldbröler Bernd Roth und sein Bruder Werner kaufen den Koloss mit Front zur Hochstraße und einer Nutzfläche von rund 1400 Quadratmetern, investieren mutig etwa 1,5 Millionen D-Mark und richten 1987 sieben Wohnungen und fünf Geschäfte ein. Und 1988 eben auch den „Römerkeller“: Der Name erinnert ausgerechnet an einen bekannten Gerichtsvollzieher. Erster Pächter ist Ernst-Wilhelm Hergt, Gastwirte sind Marlene Klein und Horst Kowarz. Ihnen folgen später zwei Österreicher, 2004 nutzt die Stadt das Gewölbe als Standesamt für Trauungen. „Es gab sogar Zither-Abende“, erinnert sich Bernd Roth.
Bis in Waldbröls Kellerreich aber Musik erklingt und die Gläser klirren, ist hartes Schuften angesagt: Denn Dokumente zum verborgenen Gewölbe gibt es keine. „Wir wissen nur, dass es im 17. Jahrhundert gebaut worden ist“, schildert Roth. Wozu, das sei eines der vielen Geheimnisse. Wahrscheinlich sei indes, dass der Keller einst Teil der Bebauung rund um den Kirchplatz ist. Die heutige evangelische Stadtkirche ist damals katholisch geweiht.
Als der damals 32 Jahre alte Neu-Eigentümer zur Bestandsaufnahme schreitet, findet er nichts Schönes: „Der zugängliche Teil des Kellers war ein echter Schrottplatz, da standen Heizkessel und türmten sich andere Heizungsteile aus den 1940er und 1950er Jahren.“ Und sollte das historische Gewölbe wieder nutzbar sein, so musste eine neue, eine stabile Decke her. „Der andere Teil war wohl im Krieg zugemauert worden.“
Dass mehrere Räume im Untergrund übereinander liegen, das ist nicht nur ein Waldbröl eine Besonderheit
Dass aber zwei Gewölbe und drei solcher Räume übereinanderliegen, das sei etwas Besonderes, findet Roth. Die aufwendige Sanierung beginnt von oben nach unten, ein sechs mal sechs Meter großer Krater klafft im Boden der überirdischen Immobilie, durch das sich ein Fachmann aus Kroatien immer tiefer vorwärts arbeitet. „Zum Glück ist hier alles unkaputtbar“, betont Bernd Roth und tippt auf Originalfugen.
Heute freuen sich Brigitte Grothe und Michael Braun, wenn ihre Gäste lächelnd an den Tischen sitzen und diesen urigen Ort genießen. „Wir sind aber kein Partykeller“, betont Pächterin Grothe. Zum Wein reicht das Paar Käse, Schinken und Wurst, warme Speisen können oben in der Gaststätte bestellt werden.
Service
Geöffnet ist der „Römerkeller“, Alte Rathausstraße 4 in Waldbröl, immer donnerstags und freitags ab 17 Uhr, an den Markt-Donnerstagen zudem von 10 bis 13 Uhr (Extra-Zeiten auf Anfrage).