Bergneustadt – Eine angenehme Kühle erwartet jeden, der eintritt und die wenigen Stufen hinter sich lässt. „Die Augen brauchen ein bisschen“, warnt Horst Jaeger (84) im ersten der beiden Räume, etwa zehn Meter tief unter der Erde von Bergneustadt. Dort, im Eiskeller am Heinzelmännchen mitten im Stadtzentrum, lagerten Brauereien wahrscheinlich schon im 14. Jahrhundert Gebrautes.
Im Jahr 2012 haben die früheren Eigentümer das Grundstück dem Heimatverein geschenkt. Nach einer langen Zwangspause will der historische Arbeitskreis des Heimatvereins „Feste Nystadt“ am Freitag, 24. September, 17 Uhr, dort wieder mit den Führungen beginnen. Jaeger ist eines der Mitglieder, die diese organisieren. „Im vergangenen Jahr hatten wir den 1000. Besucher hier“, freut sich der frühere Maschinenbau-Ingenieur.
Erinnerungen an den Krieg
Dass der Arbeitskreis gerade zum ersten Mal nach der unfreiwilligen Auszeit erneut getagt hat, ist für Walter Jordan, den Leiter des Bergneustädter Heimatmuseums in der Altstadt, alles andere als eine Selbstverständlichkeit, zumal die Mitglieder nicht die jüngsten sind. „Die meisten sind älter als 80“, sagt Jordan. Er hatte befürchtet, dass sie ihr Engagement aufgeben und den Arbeitskreis verlassen würden. „Damit wäre uns viel Wissen, sehr viel Wissen verloren gegangen“, erklärt der Museumschef, der nun erleichtert aufatmet: „Alle Mitglieder sind offensichtlich gewillt, weiterzumachen.“ Und nicht nur das: Zwei frischgebackene Rentner wollen den Kreis jetzt verstärken. Jordan: „Offenbar ist so, dass man sich für die Geschichte seiner Heimatstadt erst interessiert, wenn man die Zeit dafür hat, wenn das Arbeitsleben hinter einem liegt.“
Wer Horst Jaeger in den Eiskeller begleitet, weiß sofort, was Walter Jordan meint. Jaeger hat nicht nur kräftig mitgeholfen, den Keller zugänglich und begehbar zu machen: Elf Meter lang, sechs Meter breit und etwa drei Meter hoch ist das Hauptgewölbe, in dem Jaeger als achtjähriger Junge mit seiner Mutter gekauert und gebangt hat, als im Zweiten Weltkrieg die Bomben niedergingen auf die Stadt. 1937 war aus dem Eiskeller ein Luftschutzraum geworden, der etwa 100 Menschen Platz bot. Zu Schaden gekommen sei dort niemand, erinnert sich der Bergneustädter, deswegen sei der Keller für ihn heute eine Art Glücksort. Jedenfalls möchte der Ingenieur den Keller auch als Mahnmal verstanden wissen.
Gemeinsam mit dem Vereinskollegen Gerd Schley bietet Jaeger kurzweilige Führungen an und erzählt Geschichten aus der Bergneustädter Geschichte. Zum Brauen nutzen die örtlichen Bierhersteller einst das Quellwasser der heute unterirdisch geführten Bergtemicke. Jaeger deutet auf Stufen aus bergischer Grauwacke: „Darauf wurde Stroh gelegt, auf das Stroh kam das Eis, auf das Eis das Fass“, zählt er auf. Im ersten Raum des Kellers steht eine Kühlkiste der im Jahr 1995 aufgelösten Andreas-Brauerei in Hagen. Gebrochen wurde das Eis ganz in der Nähe, im Oehler Teich. „Den gibt es nicht mehr“, bedauert Jaeger und berichtet von kräftigen Kerlen, die einst das Eis in Blöcken in den Lagerkeller schleppten oder in die Schankwirtschaften der Stadt wuchteten. „Mancher hatte zu Hause bereits einen Eisschrank: Der war aus Holz und innen mit einem Zinkblech verkleidet. Für sieben bis 14 Tage blieb alles darin Gelagerte schön kühl.“
Horst Jaegers Anekdoten lassen schmunzeln – zumal manche auch ein bisschen schlüpfrig ist. Denn der Eiskeller am Heinzelmännchen verdankt keinem märchenhaften Helfer seinen Namen ...
Für die Auftaktführung am 24. September gilt eine Anmeldepflicht. Rundgänge abseits der festen Termine können im Heimatmuseum, Wallstraße 1, gebucht werden unter (02261) 4 31 84.www.heimatmuseum-bergneustadt.de