Weil die Parkplätze an seiner Praxis für Physiotherapie ständig blockiert sind, lässt Betreiber Bastian Semmler jetzt „Knöllchen“ schicken.
Teure DenkzettelWaldbröler Praxis greift zu drastischen Mitteln gegen Falschparker
Der Geduldsfaden ist endgültig gerissen, gut Kirschen essen ist mit Bastian Semmler ohnehin schon lange nicht mehr. „Wir haben Schilder aufgestellt, Zettel auf Scheiben geklebt, Appelle formuliert, sogar Drohungen ausgesprochen – nichts hat funktioniert.“
Als Semmler und seine Ehefrau Esther (beide 40) am 1. Juni vergangenen Jahres die früheren Räume einer Bank beziehen und daraus eine Praxis für Physiotherapie machen, erben sie ein uraltes Problem: Die sechs Parkplätze vor dem Haus an der Waldbröler Kaiserstraße sind sehr begehrt – für den schnellen Gang in die Apotheke gegenüber, für den Einkauf beim Metzger an der Querstraße, fürs rasche Bankgeschäft bei der Kreissparkasse nebenan oder auch das Bad unter der elektrischen Sonne.
„Unsere Patientinnen und Patienten aber bleiben auf der Strecke, viele von ihnen sind aufgrund ihrer Erkrankung nicht gerade gut zu Fuß“, schildert Geschäftsführer und Betriebswirt Semmler. „Oft müssen sie ihre Fahrzeuge hunderte Meter weit entfernt abstellen und quälen sich dann zu uns.“ Oft habe er das Gespräch mit den Falschparkerinnen und Falschparkern gesucht, das habe nicht selten zu Diskussionen geführt. „Wenn jemand sagt: ‚Ist mir egal!‘, dann ist das noch freundlich.“
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An den Markt-Donnerstagen in Waldbröl ist die Situation immer besonders extrem
Weil sich die Parkplätze auf privatem Grund befinden und das Ehepaar Semmler dafür ebenso Miete zahlt wie für das Gebäude und jede Maßnahme bislang erfolglos geblieben ist, greifen die beiden zu drastischeren Mitteln: Ab dem kommenden Montag erfasst eine intelligente Software auf jedem der sechs Plätze das Kennzeichen des darauf abgestellten Autos und gleicht dieses mit einer Liste von Patientinnen und Patienten ab, die für die Dauer ihrer Behandlung das Auto dort parken dürfen. Findet der Computer das Kennzeichen auf der sogenannten White List im System aber nicht, erhalten Halterin und Halter danach Post – und eine Knolle über 60 Euro.
Besonders viel Ärger gebe es übrigens stets an den Markt-Donnerstagen, schimpft Semmler. „Aber auch an den anderen Tagen sind oft drei, vier Plätze belegt – und das mindestens einen halben Tag lang.“ Es gebe sogar „treue Stammparker“ und solche, die gleich zwei Plätze blockierten. „Unsere Patientinnen und Patienten verstehen zwar, dass nicht wir die Ursache des Problems sind, sauer sind sie natürlich trotzdem.“
Stadt Waldbröl kann der gebeutelten Praxis für Physio-Therapie nicht helfen
Drei Minuten Zeit hat jeder ohne Park-Erlaubnis, um wieder abzurücken. „Danach werden bei Fremdparkern eben die 60 Euro fällig“, kündigt Bastian Semmler an und versichert, dass sich seine Praxis mit diesem Geld nicht bereichere, sondern damit allein die Kosten für die Technik und den Dienstleister dahinter decke. „Wir könnten auch 90 oder 100 Euro kassieren“, so der Waldbröler. „Der Betrag soll jedoch wenigstens ein bisschen wehtun.“
In der Tat legt der Nutzer selbst fest, wie teuer dieser Denkzettel ist. Das bestätigt auf Nachfrage dieser Zeitung Dominik Dietrich. Er ist Expansionsleiter bei Parkcontrol24, dem vor drei Jahren gegründeten und heute in München ansässigen Dienstleister. Dieser besitzt die Erlaubnis zur Halterabfrage, um an die Adresse der Fremdparker zu kommen. „Wir vertreten das berechtigte Interesse unserer Kundschaft und setzen für sie das Hausrecht durch – das alles ist rechtskonform und abgesichert.“ Weil in vielen Städten das Parken auf öffentlichen Plätzen immer schwieriger werde, aber immer mehr Autos auf den Straßen unterwegs sind, funktioniere das Geschäftsmodell zusehends besser: „Unser Kundenstamm wächst.“
Wer seinen Wagen bei Physio Semmler parkt, muss sich auf einem Tablet im Flur zu den Behandlungszimmern registrieren und ein einziges Mal das Kennzeichen freischalten – danach sei die Sache für Patientinnen und Patienten erledigt, betont Bastian Semmler. Die neue Überwachungssoftware erfasse jeden Platz einzeln, stets an den Tagen von Montag bis Samstag.
In seiner Verzweiflung hatte sich der Praxisgeschäftsführer auch ans Waldbröler Rathaus gewendet. „Da die Parkplätze aber auf einem privaten Grundstück und nicht der Öffentlichkeit gewidmet sind, können wir ihm leider nicht helfen“, bedauert Bürgermeisterin Larissa Weber. Und Eckhard Becker, Leiter des städtischen Ordnungsamts, erklärt, dass nichts gegen das Vorgehen der Semmlers spreche: „Solange sich die Erfassung der Kennzeichen nur auf das eigene Grundstück bezieht.“