Wipperfeld – Während viele noch über den bergischen Baum der Zukunft diskutieren – und darüber, ob es ihn überhaupt gibt – greift Karl-Heinz Bilstein zu einem langen Kunststoff-Rohr und sticht es wenige Zentimeter tief in den Waldboden. Um die 3000 Eicheln hat er in den letzten Wochen auf diese Weise versenkt. Eine mühselige Arbeit.
„Man kann aber nicht ewig diskutieren, was man nun am besten pflanzt. Es muss jetzt etwas geschehen, neue Bäume müssen in die Erde“, betont der 75-Jährige in einer Pflanzpause.
Karl-Heinz Bilstein ist verbittert
Mit einiger Verbitterung erinnert er sich an die guten Ratschläge, mit denen allerlei Forstexperten in den vergangenen Jahrzehnten zu ihm auf den Hof kamen. „Pflanzt Fichten, hieß es immer. Die wachsen schnell, damit verdient ihr Geld. Das Ergebnis sehen wir jetzt“, sagt Bilstein und zeigt auf den Kahlschlag direkt vor seiner Haustür.
Sein persönliches Ergebnis hat Karl-Heinz Bilstein sofort parat, hoch und runter hat er die Zahlen in den letzten Monaten gerechnet. Von den sieben Hektar Wald im Schwarzental bei Grüterich hat er in diesem und dem vergangenen Jahr über 90 Prozent verloren. Bäume, die Bilstein als Kind zusammen mit seinem Vater in die Erde pflanzte, wurden binnen Wochen braun und starben ab. „Die Fichten standen wenige Jahre vor der Ernte. Wir hatten fast nur dicke Stämme im Bestand“, erklärt Bilstein.
Minus von insgesamt 200 000 Euro
In einer ersten Tour fuhren die Forstbetriebe fast 1000 Festmeter Käferholz ab. Die Kosten für die Rodung hinzugerechnet, sowie den Erlös und Hilfen des Landes wieder abgezogen, kommt Bilstein allein bei der ersten Großaktion auf 95 000 Euro Schaden. Insgesamt rechnet er mit einem Minus von 200 000 Euro. „Der Wald hat jahrzehntelang das Geld abgeworfen, das für Investitionen in Haus und Hof nötig war“, erklärt der Wipperfelder.
Bei der Wiederaufforstung hat er sich für die Eiche entschieden. Weil junge Bäume gefragt und deshalb kaum zu bekommen seien, sammelte Bilstein an der Lingese-Talsperre mehrere Tausend Eicheln ein, die er mit einem Meter Abstand verbuddelte. „So können sich die Eichen sofort an den Boden gewöhnen, was bei jungen Bäumen sonst eine Weile dauern kann“, erklärt der Waldbesitzer.
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Er hofft, dass möglichst viele Früchte den Winter über Keimwurzeln ausbilden und seine Arbeit im kommenden Frühjahr als zunächst winziges Grün sichtbar wird. „Die nächsten Generationen der Familie werden die Eichen pflegen und nur für die Natur arbeiten“, so Bilstein. Frühestens seine Urenkel könnten wirtschaftlich profitieren.
Als größten Feind seines gepflanzten Bestandes fürchtet der 75-Jährige indes die Rehe, die seit Jahren bereits regelmäßig die kleinen Tannen um Grüterich veräsen, wie Bilstein zeigt. „Hat der Baum keine Spitze mehr, ist er wertlos – das gilt für die Tanne wie für die Eiche.“ Schutzzäune lehnt der Wipperfürther ab. Ihr Bau sei extrem aufwendig, teuer und werde nicht gefördert, was Bilstein für ein Unding hält (siehe auch Kasten).
Hintergrund
Anfang November hat die Bundesregierung die Novelle für ein neues Bundesjagdgesetz vorgestellt, das demnächst den Bundestag passieren soll. Die Novelle sieht vor, dass der großflächige Waldumbau „im Wesentlichen ohne Schutzmaßnahmen“ ablaufen soll. Vielmehr sollten die Jäger dafür sorgen, dass der Wildverbiss eingedämmt wird.
Der Deutsche Jagdverband (DJV) kritisiert das scharf. Die Politik degradiere die Jäger „zu Erfüllungsgehilfen der Forstwirtschaft“. Der Entwurf sei „wildfeindlich“ und erwecke „den Eindruck, die Wiederaufforstung könne nur mit dem Gewehr funktionieren.“ Das Bundeslandwirtschaftsministerium hält dagegen, dass die größte Aufforstungsaktion in der Geschichte der Bundesrepublik bevorstehe und der Staat viel Geld in die Hand nehme. Die aktuelle Verbissquote auf bereits bepflanzten Flächen liege bei einem Drittel. (sfl)
„Ich mag die Tiere wirklich, aber in der aktuellen Situation muss etwas geschehen. Wiederaufforstung ist nur ohne großflächigen Verbiss realisierbar.“ Langfristig, so Karl-Heinz Bilstein, liege die Rückkehr der Bäume auf die momentan kahlen Flächen ganz sicher auch im Interesse der Rehe.