Die psychologischen Beratungsstellen der katholischen Kirche in Oberberg erleben einen Generationswechsel und widmen sich neuen Herausforderungen.
Katholische BeratungsstellenSexuelle Identität ist auch in Oberberg Thema
Die katholische Kirche in Oberberg ist kein Gottesdienstveranstaltungsverein. Zum seelsorgerischen Anspruch gehöre es auch, „Ansprechpartner in gesellschaftlichen Fragen“ zu sein, betont Kreisdechant Christoph Bersch. Und dafür stehe nicht nur die Caritas, sondern auch der gemeinsame Verband der 28 oberbergischen Kirchengemeinden, der Träger zweier Beratungsstellen ist. Diese haben eine lange Tradition, erleben aber derzeit einen Generationswechsel.
„Jede personelle Veränderung“, sagt der Kreisdechant, „verändert auch die Einrichtung“. Nun sind die beiden neuen Köpfe nicht ganz so neu: Thomas Köhler-Saretzki (53) kam bereits im August 2023 zur Psychologischen Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche an der Herbstmühle in Wipperfürth, um als Nachfolger von Ludger Sändker aufgebaut zu werden. Der vorherige Leiter der Familienberatungsstelle in Köln-Mülheim nennt seinen neuen Arbeitsplatz „ein gemachtes Nest“. Auch Vita Oliva (44), die neue Leiterin der Katholischen Ehe-, Familien – und Lebensberatungsstelle, wurde von ihrer Vorgängerin Eva-Maria Scharr vorgeschlagen, stammt aus Gummersbach und arbeitet schon seit 2018 in der Beratungsstelle.
Gummersbacherin mit Migrationshintergrund
Dennoch wollen die neuen Leitungen Akzente setzen. Oliva möchte Paare in der Krise verstärkt in Gesprächsgruppen zusammenbringen. Und sie will Menschen mit Migrationshintergrund ein Angebot machen. Die gelernte Lehrerin mit Zusatzstudium hat nämlich selbst einen: Ihr Vater ist Sizilianer, die Mutter Griechin. „Es geht um die Frage: Wie kann ich Heimat in mir finden?“
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Thomas Köhler-Saretzki, von Haus aus Diplom-Psychologe, möchte psychologische Testverfahren einsetzen, die juristische Beratung ausbauen und einen Fokus auf die Folgen von Trennung und Scheidung für Kinder setzen. Außerdem wird er als stellvertretender Vorsitzender einer landesweiten Arbeitsgemeinschaft sich der Forschung widmen, auch in Zusammenarbeit mit der Marienheider Klinik.
„Es ist nicht unser Auftrag, jede Ehe zu retten“
Für beide Beratungsstellen gilt, dass sie Themen der „Diversity“ stärker berücksichtigen wollen, also die Hilfe bei Problemen mit der sexuellen Identität und Orientierung. Oft gehe es um die Frage: Wie sage ich es meiner Familie? Vita Oliva betont: „Wir wollen den Menschen helfen, ihren eigenen Weg zu finden, egal ob es eine Regenbogenfamilie ist oder nicht. Und es ist nicht unser Auftrag, jede Ehe zu retten.“ Kreisdechant Christoph Bersch nickt: „Wir dürfen das nicht tabuisieren. Die Caritas stellt sich dem Thema. Bei einigen Pfarrgemeinden ist noch viel Luft nach oben.“
Während die Gummersbacher Beratungsstelle mit vier festangestellten Mitarbeiterinnen und 450 Fällen eher klein ist, ist die Wipperfürther Einrichtung mit 26 Mitarbeitenden die größte im ganzen Erzbistum. 1300 Beratungsfälle kommen bei der Herbstmühle übers Jahr zusammen. Ein Fünftel ist nach ein oder zwei Terminen abgeschlossen, ein weiteres Fünftel braucht teils mehrere Jahre, der Großteil erfordert fünf bis zehn Treffen. Beide Stellen versichern, dass sie schnell reagieren und spätestens innerhalb von 14 Tagen eine Erstberatung ermöglichen.
Zu den Problemen, die an die Beratungsstellen herangetragen werden gehören nicht zuletzt die Folgen sexualisierter Gewalt. Vier Beratungskräfte der Wipperfürther Herbstmühle sind auf dieses Thema spezialisiert. Zum Jahresanfang hat dort zudem Jens Duisberg (53) seine Arbeit aufgenommen, das dritte neue Gesicht unter dem Dach des Verbands der katholischen Kirchengemeinden. Er ist Fachreferent der Regionalstelle zur Prävention sexualisierte Gewalt und zuständig für den ganzen Regierungsbezirk, von Aachen bis Morsbach. Von Wipperfürth aus kümmert er sich um die Beratung von freien Trägern der Jugendhilfe und die regionale Vernetzung.
Dass Duisberg an die Herbstmühle angedockt wurde, ist kein Zufall. Als die Regionalstellen unter dem Eindruck der Missbrauchsskandale von Lügde, Bergisch Gladbach und Münster vom Land eingerichtet wurden, hatte die Wipperfürther „Courage“-Beratung bereits einen guten Ruf. Der Sozialarbeiter Duisberg sagt: „Auch wegen ihrer eigenen Geschichte ist die katholische Kirche bei der Präventionsarbeit heute eigentlich ganz gut aufgestellt, auf jeden Fall besser als viele kleine Einrichtungen.“
Kostenlos für alle
Die beiden katholischen Beratungsstellen sind für die Ratsuchenden kostenfrei, Spenden sind willkommen. Sie stehen allen Menschen zur Verfügung, unabhängig von Geschlecht, Herkunft, sozialem Status, Gesundheit, sexueller Orientierung, Religion und Weltanschauung. Gerade freikirchliche Christen und sogar Muslime schätzten bei heiklen Fragen der Sexualität die Beratung unter dem Dach der katholischen Kirche, sagt die Gummersbacher Leiterin Vita Oliva.
Die Arbeitsteilung der beiden katholischen Beratungsstellen bringt der Wipperfürther Leiter Thomas Köhler-Saretzki auf den Begriff: Gibt es Kinder in der Familie oder nicht? Im ersten Fall seien vorrangig seine auf Erziehungsberatung spezialisierten Mitarbeitenden zuständig, im anderen Fall eher die Gummersbacher Beratungsstelle. Letztere biete aber auch Sprechstunden in Wipperfürth an. Beratungen finden zudem online statt, ein weiter entfernter Wohnsitz ist kein Problem.
Kontakt bekommt man zur Psychologischen Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche mit der Hauptstelle in Wipperfürth, Herbstmühle 3, (und den Nebenstellen im Radevormwald und Lindlar) unter Telefon (0 22 67) 30 34, E-Mail: herbstmuehle@beratung-in-wipperfuerth.de. Die Katholische Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstelle in Gummersbach, Hömerichstraße 7, ist zu erreichen unter Telefon (0 22 61) 2 77 24, E-Mail: info@efl-gummersbach.de.
Das Einzugsgebiet der beiden Einrichtungen ist schwerpunktmäßig der Nordkreis. In der Kreismitte gibt es die Gummersbacher „Baumhof“-Beratungsstelle des Oberbergischen Kreises für Eltern, Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, (0 22 61) 88-5710, pbs@obk.de. Im Süden bietet das Waldbröler „Haus für alle“ des Evangelischen Kirchenkreises An der Agger Beratung in Erziehungs-, Familien-, Ehe- und Lebensfragen an, (0 22 91) 40 68, beratung.hausfueralle@ekagger.de.