Die Polizei durchsuchte auch eine Garage eines Verdächtigen.
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Diese Aktion war Teil einer internationalen Razzia in Belgien, den Niederlanden, der Schweiz, Italien, in NRW und Bayern gegen die wohl mächtigste Mafia-Gruppierung: die ’Ndrangheta aus Kalabrien. In einer konzertierten Ermittlungsgruppe, koordiniert durch die EU-Staatsanwaltschaft Eurojust, wurden insgesamt 90 Personen festgenommen und vier Tonnen Kokain beschlagnahmt.
Allein in Deutschland fassten das Bundeskriminalamt (BKA), die Staatsanwaltschaft Duisburg und weitere Behörden verschiedene Komplexe zusammen. 440 Beamte durchsuchten 65 Objekte, davon 23 im Großraum Köln - Leverkusen - Aachen.
18 Haftbefehle wurden vollstreckt, insgesamt stehen 47 Personen auf der Beschuldigtenliste. Die Justiz konfiszierte Werte in Höhe von fünf Millionen Euro.
BKA-Vize-Chef Peter Henzler sprach von einem erfolgreichen Schlag. Inzwischen beherrscht die ’Ndrangheta 80 Prozent des internationalen Kokainhandels. Dabei fallen jährlich 40 Milliarden Euro ab. Auch NRW-Innenminister Herbert Reul bezeichnete die Razzia als „extrem erfolgreichen Vorgang auch europaweit“.
Meist agieren die deutschen Ableger der kalabresischen Syndikate äußerst dezent. Einzig die Morde von Duisburg im August 2007 ließen die Öffentlichkeit aufhorchen. Vor einem Restaurant waren sechs Menschen erschossen worden. Eine Fehde zwischen dem Pelleo-Vottari-Clan und dem Strangio-Nirta-Clan war der Auslöser für die Bluttat. Nach Angaben Henzlers richteten sich die Razzien gegen die Pelleo-Familie, die seinerzeit die Opfer zu beklagen hatte.
Nach Recherchen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ finanzierten rheinische Residenten der ’Ndrangheta ihre Rauschgiftgeschäfte durch die Mittel albanischer und türkischer Gangster. Leute wie Mehmed K. (Name geändert) wurden ebenfalls verhaftet. Der Türke gehörte zu einem Zirkel von Geldgebern, zudem stellten K. & Co. Kurierfahrzeuge zur Verfügung. Im Gegenzug erhielten sie üppige Renditen aus dem Koks-Deal.
Zwei Jahre liefen Ermittlungen
Derzeit muss sich Mehmed K. wegen versuchten Totschlags vor dem Kölner Landgericht verantworten. Nach vorübergehender U-Haft, befand sich der Angeklagte wieder auf freiem Fuß, ehe ihn jetzt Einsatzkräfte wegen der neuerlichen Vorwürfe abführten.
Die Polizei vor einer Durchsuchung einer Pulheimer Pizzeria.
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Die Razzia stellt einen seltenen Erfolg im Kampf gegen die Mafia dar. Inzwischen listet das BKA 600 Mafiosi auf. „Die Basis ist der Rauschgifthandel“ erläutert BKA-Vize Henzler. So auch in diesem Fall. Versteckt in Seecontainern erreichten Tonnen von Drogen die europäischen Großhäfen wie Rotterdam, von dort aus wurde der Stoff verteilt nach Italien, nach Deutschland oder Großbritannien für bis zu 140000 Euro das Kilogramm – mehr als das Dreifache vom Kaufpreis in Kolumbien oder Mexiko. Wie weit der Arm der Ndrangheta reicht, beweist der Umstand, dass etliche deutsche Beamte aus Sicherheitsbehörden bestochen worden sein sollen, um Dienstgeheimnisse durchzustecken.
Zwei Jahre liefen die Ermittlungen. Die Kölner OK-Ermittler nannten ihre Kommission „Fallabella“, ein Synonym für kleine Ponys. Anfang 2016 hatten englische Zollbeamte ein Paket Koks in einem Pferdetransporter gefunden. Die Spur führte nach Pulheim-Geyen zu Mario A. und über abgehörte Telefonate zur ’Ndrangheta.
EU-weite Ermittlungen als Zukunftsmodell
Das BKA erhielt parallel Hinweise aus Italien auf eine Mafia-Zelle, die der Pelleo-Familie zuzurechnen war. Dann bildete die deutschen Ermittlungsbehörden gemeinsam mit ihren europäischen Partnern ein erfolgreiches Joint-Venture im Kampf gegen die Mafia. „Solche EU-weiten Ermittlungskommissionen wie in dem vorliegenden Fall sind das Zukunftsmodell“, betont Sebastian Fiedler, NRW-Chef des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK). „Diese Ermittlungsgruppen können ohne zeitverzögernde Rechtshilfeersuchen agieren, um den Kampf gegen die Mafia zu gewinnen.“ (mit dpa)