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Transportboxen selbst entwickeltBensberger Apotheker liefert Impfstoff bundesweit aus

Lesezeit 5 Minuten

Die Ultratiefkühlboxen, in denen die Impfstoffmengen für die Kunden zusammengestellt werden, hat Apotheker Markus Kerckhoff (l.) entwickelt.

Bergisch Gladbach – Die beiden Kühlschränke in der unscheinbaren hochgesicherten Industriehalle sind keine normalen Kühlgeräte. Welcher handelsübliche Kühlschrank hat auch schon eine Direktleitung zu einem Sicherheitsdienst und kühlt auf weniger als Minus 70 Grad?! Dampf steig auf, als Apotheker Markus Kerckhoff eine der Kühlschranktüren öffnet. Im Inneren liegt die komplette Wochenlieferung Biontech-Impfstoff „Comirnaty“ für Betriebs- und Arbeitsmediziner in der gesamten Republik.Ob Hamburg, Duisburg, Köln oder Sindelfingen – der Apotheker aus Bensberg liefert überall ultratiefgekühlt hin. Das Verfahren dazu hat er selbst entwickelt – mit Arbeitsgeräten, die er teils mit handelsüblichen Komponenten aus dem Baumarkt herstellen ließ.

Viele Herausforderungen für Logistik

„Der Impfstoff von Biontech hat Herausforderungen an die Logistik gestellt, die es so bislang nicht gab, weil er temperatur- und erschütterungsempfindlich ist“, erklärt der Apotheker: Ultratiefgekühlt sei er sechs Monate haltbar, aufgetaut bei 2 bis 8 Grad nur 31 Tage, und darf auch dann nur zehn Stunden bewegt werden. Zu wenig, um ihn in die gesamte Republik auszuliefern.

Trockeneis kühlt den Biontech-Impfstoff auch in den Spezialversandkartons des Logistikers DHL.

Deshalb hat sich Kerckhoff, der seit 20 Jahren neben niedergelassenen Ärzten auch Arbeits- und Betriebsmediziner mit Impfstoff beliefert, dazu bereit erklärt, eine Lösung für den Ultratiefkühlversand zu entwickeln. „Ein Prozent war die Idee, 99 Prozent die Umsetzung in den Teams“, sagt er beim Ortstermin mit dem rheinisch-bergischen Bundestagsabgeordneten Dr. Hermann-Josef Tebroke (CDU), der auch in der Vergangenheit seinen Kontakt ins Bundesgesundheitsministerium bildete. „Fünf Wochen haben wir hier – auch am Wochenende – durchgearbeitet.“

In Gebinden zu 195 Impfstoffampullen, die für 1170 Impfungen reichen, bekommt Kerckhoff des Biontech-Impfstoff nun ultratiefgekühlt über den Großhandel geliefert. Für seine Kunden muss er aber kleinere Mengen zusammenstellen – unter Ultratiefkühlbedingungen. Wie beim Versand nutzt er dafür Trockeneis, also gefrorenes Kohlendioxid, das bei minus 78 Grad Celsius sofort in gasförmigen Zustand übergeht, ohne – wie Wasser – zunächst flüssig zu werden. Mit minus 78 Grad kühlt das gefrorene Kohlendioxid damit dreimal so stark wie herkömmliches Eis.

Einzelne Fächer helfen bei der Orientierung im minus 78 Grad Celsius kalten Spezialschrank.

Um die Impfstoffampullen aus den großen Packungen in kleine Versandboxen umzupacken, hat Kerckhoff mit seinem Team blaue Thermoboxen entwickelt, in deren Innerem eine kleinere Kunststoffbox steht. Der Raum zwischen der Kunststoffbox-Außenwand und der Innenwand der Thermobox wird mit Trockeneis gefüllt.

So können in der kleinen Kunststoffbox, aus der Kerckhoff zusätzlich den Boden ausbauen ließ, die Impfstoffampullen unter Tiefkühlbedingungen umgepackt werden. Ein Fühler misst kontinuierlich die Temperatur, die per WLAN im Computer aufgezeichnet wird. So lässt sich der Temperaturverlauf lückenlos dokumentieren.

Apotheker entwickelt Boxen für Transport selbst

„Die Thermobox stammt ursprünglich aus der Metro, die Kunststoffbox aus dem Baumarkt und der Sensor aus den Niederlanden hat sogar eine Zulassung der amerikanischen Arzneimittelbehörde, dass er manipulationssicher ist“, erklärt Kerckhoff die Konstruktion, die für die Entnahme aus den Tiefkühlschränken zur Konfektionierung (Mengenzusammenstellung für den Kunden) ebenso genutzt wird, wie für den Weg zur Versandstraße.

Impf- und Corona-Lage in Rhein-Berg

61,6 Prozent der Menschen im Rheinisch-Bergischen Kreis haben bereits mindestens eine Corona-Schutzimpfung erhalten, 39,8 Prozent haben bereits den vollen Impfschutz. Das geht aus den Zahlen der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein hervor.

3,9 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen weist das Robert Koch-Institut für Rhein-Berg aus. Vier weitere bestätigte Corona-Fälle hat der Kreis am Montag vom vergangenen Freitag gemeldet. Die Zahlen fürs Wochenende und den Montag folgen erst am Dienstag.

Die baut Kerckhoff vor der Halle auf, damit freiwerdendes Kohlendioxid problemlos entweichen kann. Immerhin würden binnen 24 Stunden zehn Prozent des Trockeneises zu Gas. An der Versandstraße arbeiten die Mitarbeitenden von Kerckhoffs Apotheke Hand in Hand mit Verstärkung, die Kerckhoff von Henning Schmitz Event-Firma XDream geordert hat. Verpackt werden die Bestellmengen der Kunden in spezielle Versandkisten, die DHL Express entwickelt hat. Mit großen Schaufeln wird auch ihr Inhalt mit Trockeneis umhüllt. „20 Sekunden Zeit haben wir bis zum Einfüllen, aber wenn die ersten zwei Schaufeln drauf sind, ist die Kühlkette gesichert“, erklärt Kerckhoff. Eine Station weiter wird alles noch einmal kontrolliert, an den Kunden adressiert und mit Bändern verschlossen. Aufkleber mit Aufschriften wie „Parole Sonderfahrt WD“ zeigen dem Betriebsschutz der annehmenden Unternehmen dass die Kisten umgehend weiterbearbeitet werden, damit der Impfstoff insbesondere bei größeren Betriebsgeländen schnellstmöglich an die richtige Stelle gebracht wird.

„Die Idee der Kiste war entscheidend“

Elf Kilogramm wiegt jede der DHL-Kisten „Frozen Solution“. Gestern Abend bereits hat das Logistikunternehmen die aktuelle Lieferung bei Kerckhoffs Schlossapotheken-Versand abgeholt, heute soll der Impfstoff zugestellt werden.

Aus dem Tiefkühlschrank (hinten) kommt der Impfstoff für den Weg zum Versand in die Box.

„Die Idee der Kiste war entscheidend“, sagt Kerckhoff, der einen sechsstelligen Betrag in die neue Kühltechnik samt Spezialkühlschränken investierte. „Aber Hexenwerk ist das nicht. Auch andere Apotheker können sich das hier gerne anschauen“, sagt der Bensberger.

„Während andere vielleicht noch abwarten, hat er hier schon mal losgelegt“, würdigt Bundestagsabgeordneter Tebroke das bundesweit in der Form einzigartige Engagement des Apothekers und freut sich, dass Kerckhoff auch seine Erfahrungen auswerten und zur Verfügung stellen möchte. Die werde er gerne wieder mit ins Bundesgesundheitsministerium mitnehmen, versichert Tebroke.

Gerne würde Kerckhoff auch die niedergelassenen Ärzte, die er mit Impfstoff versorgt, ultratiefgekühlt beliefern. Aber für sie erhalte er vom Großhandel lediglich bereits aufgetauten Biontech-Impfstoff, der nur zehn Stunden transportiert und danach nicht wiedereingefroren werden dürfe, bedauert der Apotheker. „Da kommt man nicht so weit, und die Uhr läuft immer mit.“