Bergisch Gladbach – Er fuhr schon ein bisschen wie der Henker mit seinem großen gelben Auto. Am 31. Mai vergangenen Jahres wollte ein 30-jähriger Paketwagenfahrer am frühen Abend von Gladbach nach Bensberg sprinten, doch vor ihm fuhr ein Kleinwagen ganz langsam auf die Kreuzung Bensberger Straße/Richard-Zanders-Straße zu und bremste, als die Ampel umschlug. Der Paketmann scherte aus, überholte und fuhr bei Rot weiter. Weil er das vor den Augen der Polizei tat, stand der Oberberger vor Gericht - und wurde überraschend freigesprochen.
Auf der Grundlage der Aussage der Bergisch Gladbacher Streifenwagenbesatzung, die kurz hinter dem gelben Klein-Lkw von Mehmet G. (Name geändert) auf der Hauptverkehrsstraße unterwegs war, hatte die Kölner Staatsanwaltschaft den rücksichtslos fahrenden Paketmann wegen „Gefährdung des Straßenverkehrs“ angeklagt. Das ist eine Straftat und nicht nur eine Ordnungswidrigkeit wie zu schnelles Fahren.
Mit Blaulicht und Martinshorn hinter Raser
Die Gefährdung habe darin bestanden, dass Mehmet G. mit großer Rücksichtslosigkeit von der nach Bensberg führenden Geradeausspur auf die Linksabbiegerspur in Richtung Sand gewechselt sei, um den Kleinwagen zu überholen, und anschließend bei Rot über die Kreuzung gebrettert sei. Zum Glück sei nichts passiert, aber das Streifenteam setzte sich sofort mit Blaulicht und Martinshorn hinter den Raser und zog ihn aus dem Verkehr.
Mehmet G. erschien zur Gerichtsverhandlung ohne Anwalt und gab sein Überholmanöver zu: „Der andere war mit Tempo 20 oder 30 in einer 50er-Zone unterwegs.“ Und er sei noch über die Kreuzung gefahren. Er glaube, die Ampel habe noch Gelb gezeigt, da sei er sich aber nicht sicher. Dann habe er die Polizei entdeckt. Die „Kollegen“ hätten Blaulicht eingeschaltet, Vollgas gegeben und ihn gestoppt. „Die Kollegin war richtig sauer.“
„Der Sachverhalt war extrem“
Engagiert bestritt Mehmet G. aber, er habe jemanden auf der Linksabbiegerspur behindert oder gefährdet. Das wäre angesichts der Länge und Breite seines Sprinters überhaupt nicht möglich gewesen. Wäre links ein Auto gewesen, hätte er es auf jeden Fall gerammt.
Die Befragung der beiden jungen Ordnungshütenden, ein Mann und eine Frau, beide 30, war nicht übermäßig ergiebig. Der männliche Beamte gab an, sich an keine Details mehr erinnern zu können, nur daran: „Der Sachverhalt war extrem.“ Doch seien alle Einzelheiten weg aus seiner Erinnerung, lediglich das Gesicht des Fahrers habe er wiedererkannt, als er ihn auf dem Gerichtsflur sah.
Nicht länger Paketbote
Die Beamtin erinnerte sich präziser. Sie habe im ersten Moment ihren Augen nicht getraut und sich gefragt: „Hat er das jetzt wirklich gemacht?“, dann wiederholte sie ihre Beschreibung des Vorfalls.
Am Ende blieben jedoch sowohl dem Staatsanwalt als auch der Richterin zu viele Zweifel daran, dass sich der Angeklagte wirklich eine „Gefährdung des Straßenverkehrs“ habe zuschulden kommen lassen und nicht „nur“ ein paar ordinäre Fahrverstöße. Folge: Mehmet G., der aus Gründen der Stressreduzierung mittlerweile keine Pakete mehr ausfährt, wurde freigesprochen.
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Der Richterinnenspruch hat für den jungen Mann eine ausgesprochen angenehme Nebenfolge: Weil seit dem Vorfall so viel Wasser die Stunde heruntergeflossen ist und weil er nun schon einmal freigesprochen worden ist, kann er laut Gericht auch nicht mehr zu einem Bußgeld verdonnert werden und kommt so ohne jede Bestrafung davon.