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Lesertour zu Baugeschichte(n)Zwischen Barockschloss und Bausünde in Bergisch Gladbach

Lesezeit 3 Minuten
Eine Gruppe und ein historischer Bus stehen im Innenhof von Schloss Bensberg.

Auch vor dem Schloss, das einst der Kurfürst auf Bensbergs „Bärenkuppe“ errichten ließ, machte die Lesertour Halt.

Vom weltbekannten Bensberger Rathaus bis in die brisante Geschichte des Baulöwen Weissenberger führte die zweite Lesertour der Sommertour 2023.

Um vom Mittelalter ins 20. Jahrhundert zu kommen, reicht im Bensberger Rathaus ein Schritt. Das ist auf den ersten Blick zu sehen, als der Lesertour-Oldtimerbus auf der in Bensberg gestarteten Tour durch Baugeschichte(n) der Kreisstadt in den Innenhof des von 1962 bis 1972 von Stararchitekt Gottfried Böhm (1920 – 2021) geschaffenen Bensberger Rathauses fährt. Reste eines mittelalterlichen Gemäuers, Beton und Glas vereinen sich hier zu einem Bau, der weltweit für Aufsehen sorgte und mit dazu beitrug, dass der Architekt Gottfried Böhm 1986 den renommierten Pritzker-Preis erhielt.

Eine Gruppe und ein historischer Bus stehen im Innenhof des Bensberger Rathauses.

Weltbekannt: das Bensberger Rathaus – Stopp der Lesertour.

Bauarbeiten am Rathaus Bensberg

Gottfried Böhm verband im Bensberger Rathausbau eine alte Burg, Glas und Beton. Hier zu sehen: der Abbruch eines Teils der Außenmauer des Alten Schlosses. Im Hintergrund: fertig gestellter Turm des Rathauses ca. 1967

Es ist nicht der einzige Akzent, den Gottfried Böhm auf dem heutigen Bergisch Gladbacher Stadtgebiet setzte: Auch die Herz-Jesu-Kirche in Schildgen, das Kinderdorf Bethanien und das Bürgerhaus Bergische r Löwe stammen von ihm.

Wohnpark Bockenberg ist ganz anders als er auf den ersten Blick scheint

Ganz anders als es auf den ersten Blick erscheinen könnte, ist der Wohnpark Bockenberg durchdacht, den der Lesertour-Bus als Nächstes ansteuert. 1970 bis 1974 von der Planungsgesellschaft „Moderne Stadt“ gegründet, bot er Wohnraum für mehr als 3000 Menschen. Während allerdings manche andere in den 70er Jahren errichtete Wohnparks als Ghetto endeten, funktionierte das Zusammenleben im Wohnpark Bockenberg.

Eine Luftaufnahme zeigt die von reichlich Grün umgebenen Gebäude des Wohnparks Bockenberg bei Bergisch Gladbach-Bensberg.

Vom Sozialgefüge gut durchdacht: Wohnpark Bockenberg.

Maßgeblich dazu beigetragen hat die gute soziale Mischung. Auf jeder Etage der großen Baukomplexe gibt es ebenso Appartements wie Wohnungen unterschiedlicher Größe, leben Singles neben Familien, junge neben älteren Menschen. Auch die große Sozialstudie des Kreises bestätigt: Der Wohnpark mit Angeboten von der Kita bis zum Familien- und Kulturzentrum ZAK ist alles – aber kein sozialer Brennpunkt.

Bauboom in Bergisch Gladbach ließ Baulöwen groß werden

Der Bauboom der 60er und 70er Jahre brachte in Bergisch Gladbach auch einen außergewöhnlichen Aufstieg mit sich. Den von Franz Weissenberger, einem Bauunternehmer und „Selfmade-Man“ aus dem Bilderbuch, der die Stadt an der Strunde umkrempeln wollte.

Der heutige Wohnpark Gronau stammt ebenso von ihm wie das Forum in der Stadtmitte und das Weissenberger-Hotel an der Schloßstraßen-Ecke, in dessen Erdgeschoss sich bis zu seinem Umzug in die neue Schlossgalerie des Drogeriemarkts „dm“ bemerkbar machte. Einen anderen Bau von Weissenberger steuert der Lesertour-Bus in Heidkamp an: das Kreishaus am Rübezahlwald.

in einem historischen amerikanischen Schulbus sitzen Menschen, einer von ihnen spricht offenkundig in ein Mikrofon.

Mit dem historischen Redaktionsmobil und Redaktionsleiter Guido Wagner am Mikro ging's durch Baugeschichte(n) in der Stadt.

Auch viele öffentliche Großaufträge bekam Weissenberger damals, den Großauftrag für die Integrierte Gesamtschule Paffrath allerdings bekam er nicht mehr – trotz massiver Proteste der aufgebrachten Belegschaft und Drohungen gegen Verantwortliche. Weissenberger meldete Konkurs an.

Von verhinderten Bausünden (siehe Kasten) führt die Lesertour zum Abschluss zu einem Prunkstück: dem Bensberger Barockschloss – ein krönender Abschluss.


Manches wurde glücklicherweise nie gebaut

Wenn es nach manchen Plänen gegangen wäre, würde heute eine Stelzenstraße mitten durch die Gladbacher Stadtmitte von der Bensberger zur Paffrather Straße führen. Und dort, wo das Bürgerhaus Bergischer Löwe steht, stößt ein Hochhausgebirge.

Das Foto zeigt ein Modell der Pläne, die Franz Weissenberger Anfang der 70er Jahre für den Neubau des Bergischen Löwen hatte.

Einem Hochhaus wäre der Bergische Löwe gewichen, eine Stelzenstraße (l.u.) durch Gladbachs Stadtmitte gebaut worden: Pläne von 1973. Links oben: Rathaus und St. Laurentius. Stadtarchiv GL

So sahen es jedenfalls die Pläne der Firma Franz Weissenberger KG vor, mit der die Stadt 1972 einen Vertrag über ein Neubauprojekt „Bergischer Löwe“ abschließen wollte. Nach Ansicht des rheinischen Landeskonservators hätte dieser Hochhauskomplex den Konrad-Adenauer-Platz zum „Vorplatz eines dreitürmigen unternehmerischen Monuments“ gemacht.

Gegen die Pläne bildete sich eine Bürgerinitiative: Etwa 2200 Bürgerinnen und Bürgersprachen sich laut Band 4 der vom Stadtarchiv publizierten „Quellen zur Bergisch Gladbacher Stadtgeschichte“ „gegen die Zerstörung unseres Stadtkerns durch einen monströsen Betongiganten“ aus.

Der Weissenberger-Plan wurde nicht verwirklicht. Das stattdessen nach Plänen von Gottfried Böhm errichtete und 1980 eröffnete Bürgerhaus Bergischer Löwe ließ die historischen Gebäudeteile des Gasthauses bestehen. Und statt der Stelzenstraße wurde der Stadttunnel gebaut. (wg)