In Bergisch Gladbach standen drei Cousins vor Gericht, die in Chorweiler zwei mögliche Gauner verprügelt haben sollen.
Prügel in KölnBergisch Gladbacher Gericht bestraft Selbstjustiz in Chorweiler
Drei 36, 26 und 15 Jahre alte Männer aus Rösrath, Köln und Kerpen haben sich vor dem Bergisch Gladbacher Amtsgericht wegen gefährlicher Körperverletzung verantworten müssen. Die Anklage warf ihnen vor, zwei junge Kölner hoch im Kölner Norden krankenhausreif geschlagen zu haben.
Die beiden Kölner hatten die Angeklagten, so glaubten diese jedenfalls, zuvor betrogen. Sie hätten ihnen über Ebay ein teures Handy angeboten, es ihnen überlassen, tausend Euro kassiert und seien weggelaufen. Das Gerät stellte sich als billige Fälschung heraus.
Selbstjustiz in Köln: Die Vorgeschichte bleibt offen
War es Rache, war es Selbstjustiz, die womöglich am Ende nach einer Verwechselung auch noch die Falschen traf? Oder waren die Prügel-Opfer wirklich Betrüger, hätten aber natürlich trotzdem nicht misshandelt werden dürfen?
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Die weniger juristisch als für das Gefühl bedeutsame Frage bleibt in Bensberg offen. Jugendrichterin Pauline Willberg spricht die drei bis dahin unbescholtenen Angeklagten schuldig, bleibt mit ihren Strafen aber spürbar unter der Forderung der Staatsanwältin.
Die drei Angeklagten stammen aus Afghanistan und sind nach Deutschland geflüchtet. Der älteste, Amir, ist 36 Jahre alt, wohnt in Kerpen, hat lange in der Sicherheitsbranche gearbeitet und zeigt im Prozess stolz sein Führungszeugnis. Der zweite, Habib, ist 26, von Beruf Bauwerkabdichter in Köln. Er hat sich ein neues Handy kaufen wollen.
Wohnort des jüngsten Angeklagten ist Rösrath
Der dritte, Ramin, ist erst 15, Schüler, vor einem Jahr mit Mutter und Geschwistern via Iran und Türkei nach Rösrath gekommen. Da Ramin Jugendlicher ist, findet der Prozess an seinem Wohnortsgericht Bensberg statt.
Amir, Habib und Ramin, die in Wirklichkeit anders heißen, sind Cousins. Am 10. Dezember 2023 sind sie abends zusammen nach Köln-Chorweiler gefahren, wohin sie der Handy-Verkäufer via Ebay bestellt hat. „Das war schon ein bisschen komisch. Wir sind zu einer S-Bahnhaltestelle bestellt worden“, sagt Amir, der älteste der drei.
Bei der Übergabe des Handys schöpfte der Älteste Verdacht
Dort hätten sie die beiden Verkäufer getroffen, die das angeblich fabrikneue Originalhandy übergaben, nachdem sie das Geld bekommen hätten. Als Amir bei der Prüfung stutzig wurde, weil das angeblich originalverpackte Gerät kein Ladekabel gehabt habe, seien die beiden Verkäufer mit dem Geld losgerannt.
Bestimmt eine Viertelstunde hätten die drei Vettern die beiden Verkäufer verfolgt, im Dunkeln, in einer Gegend, die sie nicht kannten. Zunächst Habib habe die zwei gefunden und gegen eine Wand gedrückt, die anderen beiden Vettern seien dazu gekommen.
Man habe nach der Polizei gerufen, die bald gekommen sei. Sonst sei nichts passiert, versicherten alle drei auf Nachfragen. Sie hätten weder geschlagen noch getreten. Allenfalls sei zwischenzeitlich mal eine Faust gegeben worden, räumt Amir dann doch noch ein.
Verletzungsopfer beklagt psychische Folgen der Attacke
In der Darstellung der beiden 17-jährigen Kölner, einer groß und kräftig, der andere eher schmächtig, klingt das anders. Sie hätten sich zum Spazieren getroffen und einen Döner essen gehen wollten, als auf einmal die ihnen unbekannten Männer auf sie zugekommen seien und sie erst beleidigt und dann geschlagen hätten.
Ali, der groß gewachsene 17-Jährige, sagt, dass er heute noch unter dem brutalen Übergriff leide: Er habe immer wieder „Kopfkino“ und traue sich nur in Begleitung nach draußen. Im Übrigen, so beteuert er mehrfach, habe er die drei auf der Straße zum ersten Mal gesehen und keineswegs vorher versucht, ihnen ein Handy zu verkaufen. Bei der Attacke habe er zahlreiche Prellungen erlitten. „Die haben einfach nicht aufgehört.“ Ganz ähnlich äußert sich nach ihm sein Kumpel Mehmet in dem Prozess. Anlieger hätten schließlich die Polizei gerufen.
Dass sie darum gebeten hätten, die Polizei zu rufen, sagen auch die drei Cousins: „Wir hatten Angst in der Gegend, die wir gar nicht kannten.“ Die beiden 17-Jährigen würden lügen. Richterin Willberg weist die anwaltlich nicht vertretenen Angeklagten mehrfach darauf hin, dass es nicht um die Vorgeschichte gehe, sondern um die konkrete gefährliche Körperverletzung durch Schlagen und Treten.
„Was sollten wir drei, die wir ganz woanders wohnen, denn in Chorweiler?“
So wirklich einzuleuchten scheint das den Angeklagten nicht: „Ich habe doch bloß ein Handy kaufen wollen, und dann das“, sagt Habib. Ramin aus Rösrath widerspricht der Version, man habe sich auf der Straße zufällig getroffen: „Was sollten wir drei, die wir ganz woanders wohnen, denn in Chorweiler?“
Darauf komme es aber, trotz Wut, nicht an, beschied die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer die Angeklagten: „Kein noch so großer Vermögensschaden rechtfertigt es, die Gesundheit anderer zu schädigen.“ Bei einer gesetzlichen Mindeststrafe von sechs Monaten forderte sie für Amir sechs Monate und für Habib sieben, jeweils auf Bewährung. Zudem sollten beide ein Anti-Aggressionstraining machen und je 500 Euro zahlen. Ramin solle 30 Sozialstunden leisten.
Die Richterin verhängt die Bewährungsstrafen für die Erwachsenen wie gefordert, verzichtet aber auf Training und Geldauflage. Der jugendliche Rösrather muss 30 Sozialstunden leisten. Im Urteil weist die Richterin darauf hin, dass die attestierten Verletzungen nicht dadurch zu erklären seien, dass die Verletzten gegen eine Wand gedrückt worden seien.
Ein Vermögensschaden ist übrigens unterm Strich doch nicht entstanden: Die tausend Euro hat Habib nach eigenen Worten am selben Abend zurückbekommen.