Pflichtbewusstsein und Mut, alte Zöpfe abzuschneiden: Die Bensberger Amtsgerichtsdirektorin Johanna Saul-Krickeberg geht in den Ruhestand.
WechselCharmante Preußin in Bensberg: Gerichtschefin Saul-Krickeberg geht
Als Direktorin des Bensberger Amtsgerichts ist Johanna Saul-Krickeberg eine hohe Repräsentantin des Staates, genauer gesagt: der Dritten Gewalt, und als solche auch ein Ausbund an preußischer Pflichterfüllung. Selbst nach ihrem Sturz vom 15. Februar - da verunglückte sie böse auf dem frisch geputzten Gerichtsflur - war sie, der Technik sei Dank, trotz Klinik, Arbeitsunfähigkeit, Schmerzmitteln und Reha geistig immer wieder im Gericht präsent, denn ihre Stellvertreterin Birgit Brandes war noch im Auslandsurlaub und die Nummer 3 in der Hierarchie ebenfalls erkrankt.
Zwei Monate nach ihrer Vertreterin geht Saul-Krickeberg jetzt ebenfalls in Pension. Das Amtsgericht steht damit vor großen Umbrüchen.
Johanna Saul-Krickeberg, gebürtige Sauerländerin, wird am 11. Mai 66. Am Donnerstag hatte sie ihren letzten Sitzungstag als Familienrichterin, nun bleiben noch ein paar Wochen im Büro und dann beginnt für die zweifache Großmutter ein neuer Lebensabschnitt.
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„Willkommen im Club“ stand auf einer Torte, die ihr Freunde beim Sektempfang nach dem letzten Sitzungstermin, einer Ehescheidung, überreichten. Der Richterrat hat den Empfang vorbereitet, zu der neben aktuellen Justizmitarbeitern auch Pensionäre und Richter kamen, die ihr beruflicher Weg an andere Orte geführt hat. Berthold Sellmann, der Vorsitzende des Richterrates, überreicht ihr einen Blumenstrauß, und sie freute sich: „Der ist ja riesig! Größer als ich!“
Geboren wurde die Amtsgerichtsdirektorin 1958 als Tochter eines Rechtsanwaltes im Sauerland. Früh fand sie Freude an Papas Arbeit, besaß eine Reiseschreibmaschine, brachte sich selbst das Tippen mit zehn Fingern bei. „Mein Abitur war mittelmäßig“, erinnert sie sich heute.
In Marburg studierte sie Jura und tauschte bald das lockere Studentinnenleben gegen ehrgeiziges Arbeiten ein. Zu dritt büffelten sie so intensiv, dass sie kein Repetitorium brauchten und trotzdem ein Prädikatsexamen ablegten.
Von Marburg nach Hamburg, von dort nach Köln
Anschließend wechselte sie nach Hamburg, um einmal in die Großstadt zu kommen, wo sie zunächst niemanden kannte. „Ich habe das Talent, auf Leute zuzugehen und eine Freundschaft zu schließen.“ Auch ihren heutigen Ehemann, einen Dermatologen, lernte sie dort kennen – und folgte ihm.
1988 kam sie in Köln an, arbeitete zunächst an der Uni, bewarb sich dann als Richterin und bekam ihre erste Stelle in Wuppertal. Eine kleine Verzögerung gab es zunächst, weil der „Amtsarzt ein Problem mit mir hatte: Ich bin seit 40 Jahren Diabetikerin.“ Doch konnte weder die Krankheit die Karriere bremsen noch ihre „Dreistigkeit“, schon in der Probezeit schwanger zu werden - und das gleich zweimal.
Saul-Krickeberg: „Normalerweise haben die Richterinnen früher in der Probezeit keine Kinder bekommen. Viele warteten erst ab, bis sie eine Planstelle hatten. So lange wollte ich aber nicht warten und dachte mir: Das werden sie auch verkraften.“
Die Wuppertaler Justiz hat das verkraftet. Und noch mehr: Die Pause beim zweiten Kind dauerte gleich zwei Jahre. „Das hatte auch private Gründe“, sagt die Amtsgerichtsdirektorin und überlegt kurz, ob sie etwas über den Grund in der Zeitung lesen will: „Mein Bruder ist in der Zeit gestorben." Er hatte AIDS und lebte zuletzt bei ihr.
Bergisch Gladbach war für sie nach Wuppertal wie eine „Offenbarung“
Damals, Anfang der Neunziger in Wuppertal, habe sie das im Gericht verschwiegen. „Die haben am Mittagstisch noch Witze über Homosexuelle gemacht.“ Als sie 1995 das erste Mal nach Gladbach kam, war es „wie eine Offenbarung für mich, dass die Menschen hier so offen waren“.
Von Bensberg ging es in die Verwaltung des Kölner Landgerichts („Eine harte Zeit für mich, weil ich davon überhaupt keine Ahnung hatte“), dann weiter als Vize-Chefin nach Brühl und als Chefin nach Gummersbach, bis sie 2013 als Chefin nach Bergisch Gladbach zurückkam.
Digitalisierung: Lahme Leitungen machen Justiz das Leben schwer
Hier erlebte die Juristin, die ihr tolles Team nachdrücklich lobt, elf gute Jahre: „Ich gehe mit schwerem Herzen. Aber dass ich diese Verantwortung jetzt loswerde, ist auch gut. Die war schon manchmal schwer zu tragen.“ So sei der Personalmangel bei den Rechtspflegern zeitweise gravierend gewesen.
Ein großes Projekt für die jetzt in die Verantwortung folgende Nach-Babyboomer-Generation ist das Vorantreiben der Digitalisierung. Da hakt es da schon mal: „Wenn sich eine elektronische Akte nach fünf Minuten noch nicht geöffnet hat, dann ist die Performance ein Problem.“ Lahme Leitungen und Server kennen also auch die Juristen.
Generationswechsel bei den Mitarbeitern steht noch bevor
Ein weiteres Problem bringt die Chefin schriftlich so auf den Punkt: „Der Generationenwechsel ist bei den Richter:innen und Gerichtsvollzieher:innen bereits gelungen, nicht aber bei den Rechtspfleger:innen und den Beamten und Beschäftigten des mittleren Dienstes, also bei den Servicekräften der Geschäftsstellen.“
Ihr Problem wird das nun aber nicht mehr sein. Was sie vorhat? „Ich werde erst einmal ein halbes Jahr schlafen und mich ausruhen.“ Und dann habe sie noch zwei Enkel. „Und dann guck’ ich mal, was passiert.“ Sie sei zuversichtlich, dass das noch einmal eine schöne Zeit werde.