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DauerbaustelleEinzelhändler der Schloßstraße in Bensberg fürchten um ihre Existenz

Lesezeit 5 Minuten
Ein Mann sitzt auf einer Bank, um ihn herum Baustellenabsperrungen, hinter ihm ein grüner Bagger.

In der Schloßstraße herrscht keine angenehme Einkaufsatmosphäre zwischen Baggern und Dreck.

Seit Beginn der Umbauarbeiten beklagen die Geschäftsleute Umsatzrückgänge von 30 bis 40 Prozent. Einige Läden haben schon geschlossen.

Seit anderthalb Jahren prägen Bauzäune, Bagger, Kräne und Bohrgeräte das Bild der Schloßstraße in Bensberg. Für die Einzelhändler eine schwierige Situation, viele wissen aktuell nicht, wie sie die Baustelle wirtschaftlich überleben können.

Um 30 bis 40 Prozent sei der Umsatz eingebrochen. „Wir jammern nicht. Es geht darum, Lösungen zu finden“, betont Pia Patt, Inhaberin der Buchhandlung Funke. Einige Ladenbesitzer haben schon aufgegeben. Ein Besuch auf der Baustelle.

Händler klagen über Umsatzeinbrüche von 30 bis 40 Prozent

„Wir kämpfen hier um unsere Existenz“, sagt Arnika Neberich, Inhaberin der Kinder-Boutique Pläsierchen. Zwar zeigen sich die meisten Geschäftsleute zuversichtlich, dass sie von den Bauarbeiten letztendlich profitieren werden und freuen sich auf die Zeit nach dem Umbau. „Aber wir sind jetzt auf die Unterstützung der Stadtverwaltung und der Kunden angewiesen. Sonst haben wir am Ende eine schöne Einkaufsstraße, aber keine Geschäfte mehr“, warnt Arnika Neberich.

Ab dem Tag der Straßensperrung Anfang Januar seien die Umsätze abrupt in den Keller gegangen, bestätigen Einzelhändler und Verkäuferinnen einstimmig. Die Laufkundschaft, sogar viele Stammkunden blieben weg, Umsatzeinbrüche von 30 bis 40 Prozent die Folge.

Dreckberge türmen sich vor den Geschäften

Bagger dröhnen. Staub steigt auf. Berge mit Asphaltresten und Erdreich türmen sich zu kleinen Halden auf. Unübersichtliche Umleitungen erschweren der Kundschaft den Weg – zu Fuß und mit dem Auto.

Ein Mann steht mit einer Schaufel zwischen losen Pflastersteinen, vor ihm ein Bagger.

Überall in der Schloßstraße stehen Baustellenabsperrungen, sind Strecken gar nicht - oder nur mit Mühe - passierbar.

„Die Dünenlandschaft aus Dreckbergen vor den Eingangstüren ist ein Riesen-Handicap“, berichtet Werner Stümper, Clubmann-Herrenausstatter. „Ich hatte in 15 Jahren nicht so viele Null-Tage wie in den letzten beiden Monaten.“ Die Resonanz, die er von seiner Klientel bekomme, laute: „Ich kann nirgendwo mehr parken. Ich kann nicht mehr durchfahren. Ich weiß nicht, wie ich in Bensberg fahren muss.“

Einzelhändler fordern Befahrbarkeit des oberen Baustellenabschnitts

Was das Ganze aus Stümpers Sicht so dramatisch mache: „Stadtverwaltung und Bauleitung nehmen Null Rücksicht auf die Situation des Handels und halten Zusagen nicht ein.“

Längst haben Einzelhändler selbst Vorschläge gemacht, um in den folgenden Bauabschnitten nachzubessern. Ganz oben auf der Liste steht die Befahrbarkeit des oberen Teils wiederherzustellen. Alternativ zur Einrichtung eines provisorischen Wendehammers dort könne der Erna-Klug-Weg am Kino als Ausfahrt genutzt werden. „Man hört uns zu, aber nichts passiert“, sagt Werner Stümper frustriert.

Die ersten Geschäfte haben schon dichtgemacht

Die ersten Inhaber haben bereits die Notbremse gezogen. Frank Kramm hat sein Geschäft „Der Einkleider“ in der Nikolausstraße zugemacht. „Nach der Pandemie ein zweites Mal Pech zu haben mit der Baustelle, das war zu viel“, sagt er. Viele Kunden seien weggeblieben. Stattdessen führt er mit seiner Frau Susi das Geschäft jetzt in seinem privaten Wohnhaus weiter.

Weitere Geschäftsleute kündigen an, demnächst zuzumachen, wie das Schuhhaus Rörig. „Die Baustelle ist mit ein Grund für diese Entscheidung“, sagt eine Verkäuferin und versichert, das Schuhgeschäft in Refrath bleibe bestehen. Ketten wie Tchibo und My Shoes beabsichtigen ebenfalls, die Bensberger Einkaufsstraße zu verlassen.

Seit Jahren muss das Eiscafé auf eine Terrasse verzichten

„Ich habe noch nicht einmal mehr die Kraft zu weinen“, sagt der Inhaber des Forum-Eiscafés. Seit zehn Jahren habe er keine richtige Terrasse mehr: „Erst der Bau des Einkaufszentrums und jetzt das“, sagt er. Er sei natürlich froh, dass die Stadtverwaltung als „Entschädigung“ einen Platz für Tische und Stühle unterhalb der Schlosstreppe angeboten habe: „Das geht aber nur mit Selbstbedienung.“

Tische und Stühle eines Eiscafés unter Sonnenschirmen.

Seit Jahren, so klagt der Betreiber der Eisdiele, müsse er mit einer provisorischen Terrasse auskommen.

Immer wieder beschwerten sich deshalb seine Gäste bei ihm. „Es hilft nur noch beten, dass das alles gut geht.“ Ob die Schloßstraße künftig ohne Parkplätze funktionieren wird, bezweifelt nicht nur der Eisverkäufer.

Die Stolperwege sind eine Gefahr

Klaus Köhler ist gut gelaunt auf Einkaufstour und lässt sich von der Kulisse aus Staub und Dreck nicht abschrecken: „Aus Verbundenheit zu den Fachgeschäften nehme ich das in Kauf.“ Dagegen meint Cornelia Heinemann: „Hier in Bensberg funktioniert doch nichts mehr“. Sie komme nur noch zu Arztbesuchen hierhin. „Die Stolperwege sind eine Zumutung und Gefahrenzone für Fußgänger“, stellt sie fest.

Gerade versucht eine alte Dame mit Rollator, sich durch das Labyrinth der rot-weißen Absperrungen zu zwängen. Auf dem Untergrund – einem Flickwerk aus Schotter und Matten – kommt sie nicht durch und macht unverrichteter Dinge kehrt.

„Menschen mit Behinderung sind einfach vergessen worden“

Auf der gegenüberliegenden Straßenseite versucht Werner Dickow, die Hubbelpiste mit seinem E-Rolli zu überwinden. „Das ist eine Tortur. Ich bin richtig fertig“, sagt er, „und so was von stinksauer.“ Im Rathaus werde er sich beschweren: „Unfassbar. Menschen mit Behinderung sind einfach vergessen worden.“

Im August rückt die Großbaustelle vor in die Zone des Einkaufszentrums. „Das ist der richtige Zeitpunkt, um umzusteuern“, betont Arnika Neberich und wünscht sich, dass die Händler in die Planungen eingebunden werden. Weil die Schloßstraße dort breiter sei, würde es eine Entlastung für alle – Kunden und Geschäfte – bringen, wenn erst die eine Straßenhälfte und dann die andere saniert werden würde.

Die Geschäftsleute wünschen sich Zuschüsse für Events

Zudem wünschten sich die Geschäftsleute Zuschüsse für kleinere Events, um auf sich aufmerksam machen zu können. In Anbetracht der Situation dürfe es ein weiteres „Geht nicht“ nicht geben.

Allein der Gedanke daran, schließen zu müssen, zerreißt Arnika Neberich das Herz: „Der Laden ist mein drittes Kind.“ Aber aus ökonomischer Sicht müsse sie Ende des Jahres Bilanz ziehen und sei dann vielleicht gezwungen, rechtzeitig vor der Insolvenz die Notbremse zu ziehen: „Denn wir reden hier über weitere anderthalb Jahre, die Baustelle läuft.“