AboAbonnieren

Hilfe für BedürftigeBergisch Gladbacher Tafel feierte ihr zehnjähriges Bestehen

Lesezeit 4 Minuten

Sie engagieren sich für die Bergisch Gladbacher Tafel: Detlef Kortenbrede, Peter Thormeyer, Uta Günther, Bernd Schörghöfer, Britta Becker, Anne Topiarz und Fabiuan Büchel (v. l.).

Bergisch Gladbach – Geigenklänge zu Zwiebelkisten und Lauchgemüse sowie Ehrenamtler und Ehrengäste, die mit sichtlichem Genuss die Suppe auslöffelten, die andere angerichtet hatten: Mit einem nicht alltäglichen „Menü“ wurde im Bensberger Ratssaal das zehnjährige Bestehen der Bergisch Gladbacher Tafel begangen.

Während Lukas Ulrich von der mit der Tafel kooperierenden Johannes-Gutenberg-Realschule trotz abgedunkelten Raums keine Probleme mit der Notenfindung hatte, bekamen die Besucher im voll besetzten Saal per Diaschau einen Einblick in die Arbeit des Vereins, der gespendete Lebensmittel einsammelt und an Bedürftige verteilt. Volle und leere Regale in den Ausgabestellen, Gemüsekisten bei der Anlieferung oder das Umladen größerer Mengen Kartoffeln sind zuweilen schweißtreibender Alltag für die Helfer.

„Bedürftigkeit gibt es nicht nur weit entfernt, sondern auch vor der Haustür“, sagte Lutz Urbach, der als Bürgermeister zugleich Schirmherr der Tafel ist. Die Stadt habe zwar kein Geld, dürfe sich dank des bürgerschaftlichen Engagements aber trotzdem als reich bezeichnen.

Zentral gelegen, aber versteckt

„Vor zehn Jahren haben wir nicht gedacht, dass es so etwas Stabiles wird“, blickte Vorstandsmitglied Markus Kerckhoff zurück. Dass die vom Eigentümer kostenlos zur Verfügung gestellten Räume an der Kalkstraße zentral gelegen, aber dennoch versteckt sind, erleichtere die Arbeit.

Die meisten Kunden sind froh über das Angebot, doch die Hemmschwelle, es anzunehmen, ist oft ebenso hoch, vor allem bei den Älteren. Architekt Thorsten Kropp hat ehrenamtlich den Umbau geplant, zwei „Baumeister“ aus dem Helferteam überwachten die Umsetzung. Dass auch satzungstechnisch alles mit rechten Dingen zuging, dafür sorgte Vereinsvorsitzender Markus Fehler. Dessen Sohn Benedikt entwickelte zudem ein Verwaltungsprogramm, das mittlerweile auch von anderen Tafeln genutzt wird.

Besonders voll wird es in der Ausgabezentrale in der Vorweihnachtszeit, wenn die Lions-Paketaktion anläuft. Auch die Rotarier unterstützen den Tafelbetrieb, der mittlerweile, wie Schatzmeister Olaf Schmiedt erläuterte, „die Größe eines mittelständischen Unternehmens angenommen hat“. Dass es neben den beiden Ausgabetagen in Gladbach mittlerweile auch einen in Bensberg gibt, ist nicht zuletzt Anni Müller zu verdanken.

„Die Tafel ist mein zweites Zuhause geworden.“

Die Bensbergerin, zur Jahrtausendwende zur ersten „Bergisch Gladbacherin des Jahres“ gekürt, steckte ihr Preisgeld in die Flüchtlingsarbeit und befand, dass auch Bensberg eine Tafel nötig habe. Die Vorgabe, 20 Mitstreiter zu finden, konnte sie schnell erfüllen. Zu den Frauen der ersten Stunde gehörte Lilia Belz. „Mein Mann war gestorben, und die Kinder waren erwachsen“, erinnert sich die Frau aus Kasachstan an den Beginn ihres Ehrenamtes. „Ich habe dabei mein Deutsch verbessert, viele Leute kennengelernt und einige Freundschaften geschlossen. Die Tafel ist mein zweites Zuhause geworden.“

Nicht nur Anni Müllers Ehemann Helmut ist von ihrem Engagement begeistert: „Sie kocht auf allen Töpfen“, sagt er schmunzelnd. Erst seit vier Jahren dabei ist Gabi Kasper. Nach dem Ausscheiden aus dem Berufsleben hatte sie eine neue Aufgabe gesucht. Die soziale Arbeit macht ihr Spaß: „Man lernt im Laufe der Zeit die Vorlieben und Eigenarten der Kunden kennen.“ Mitstreiter Jürgen Assmann, der seit sechs Jahren Lebensmittelspenden einsammelt, gibt allerdings auch zu bedenken, dass „die Klientel anspruchsvoller und fordernder geworden ist“. Einfühlungsvermögen sei da besonders wichtig.

Und weil man bei einem so „jungen Geburtstag“, wie Landrat Hermann-Josef Tebroke anmerkte, vornehmlich nach vorne schaut, wurden auch Wünsche geäußert. So sucht die Tafel vor allem jüngere Ehrenamtler (die ersten Bundesfreiwilligendienstler sind seit wenigen Tagen im Einsatz), einen Molkereisponsor sowie Kühlraumkapazitäten in der Stadt. Schirmherr Lutz Urbach wünschte sich zudem mehr Wertschätzung seitens der Politiker für die Tafel. „Ich wundere mich, dass nicht mehr aus der Politik hier sind“, sagte er mit kritischem Unterton, nachdem er Vertreter von SPD und FDP begrüßt hatte.

Die Tafel in Zahlen

117 Ehrenamtler sind jedes Jahr 26 000 Stunden für die Bergisch Gladbacher Tafel im Einsatz, jeder etwa 18,5 Stunden im Monat. Anfangs besaßen 150 Haushalte eine Einkaufsberechtigung, aktuell sind es 4723 Familien mit 9484 Personen.

Jede Woche werden rund 366 Haushalte mit 965 Personen an den Ausgabestellen in Gladbach und Bensberg mit Lebensmitteln versorgt, hat Schriftführerin Britta Schmitz errechnet. 44 Prozent der Nutzer sind Kinder und Jugendliche bis 18 Jahren, etwa jeder dritte Kunde gilt als altersarm. Zudem werden Flüchtlingsfamilien unterstützt. Ein Einkauf kostet zwei Euro.

Geschäfte und ein Lebensmittelhersteller spenden regelmäßig für den Verein, der im Austausch mit den Tafeln in Overath, Rösrath, Kürten, Burscheid, Leverkusen und Köln steht. Lediglich in Odenthal konnte bislang keine Einrichtung realisiert werden. (kme)