Rhein-Berg – Sie treffen sich in abgelegenen Industriearealen, unter Autobahnbrücken und – wie am vergangenen Wochenende – mitten im Königsforst zu geheime Techno-Partys (secret raves) mit bekannten Plattenauflegern aus der Szene.
Professionell organisiert, mit Eintrittskarten und Verzehrbons – beworben keineswegs irgendwo im Darknet oder in abgeschirmten, geschlossenen Internetgruppen, sondern ganz offen auf Internetplattformen in sozialen Netzwerken, über die es sogar Karten im Vorverkauf zu erwerben gibt. Schon fürs kommende Wochenende ist bereits der nächste Rave angekündigt. In Köln oder der nahen Umgebung, ein genauer Ort soll noch bekannt gegeben werden.
Was sie tun ist – wie im Fall vom vorletzten Wochenende – illegal. Weder ist es erlaubt, mitten im Naturschutzgebiet Partys zu feiern, noch bei höchster Waldbrandgefahr im Forst zu rauchen. Bilder und Videos der jüngsten, in der Nacht zu Sonntag im Königsforst bei Bensberg von der Polizei aufgelösten Party (wir berichteten), finden sich ebenfalls längst im Netz.
Mit den Hinweisen einer Leserin auf einschlägige „Secret Raves“-Ankündigungen im Internet konfrontiert, räumt Rhein-Bergs Polizeisprecher Christian Tholl ein: „Jetzt wissen wir natürlich, wie das heißt, wollen das aber auch nicht zu breittreten, sonst sind die nächste Woche unter einem anderen Namen unterwegs.“ Ein Ermittler in der Kreispolizeibehörde sei eigens für die Beobachtung derartiger Social-Media-Plattformen zuständig. „Wir halten das im Blick.“
Die Polizeibeamten, die nach Ruhestörungsmeldungen den Feierplatz in der Nacht zu Sonntag als Erste aufstöberten, wussten von der kommerziellen Party aber offenbar noch nichts. Gegen 1.30 Uhr hätten sie die Veranstaltung umgehend aufgelöst, das Rauchen untersagt und die Feiernden zum Aufräumen aufgefordert, sagt Polizeisprecher Tholl am Mittwoch nach weiteren Recherchen auf Nachfrage.
Aber: Erst nach weiteren Ruhestörungsmeldungen und einem erneuten Polizeieinsatz auf der Lichtung im Wald gegen 6.22 Uhr seien den Beamten Verzehrbons und Eintrittskarten im Müll aufgefallen, und sie hätten eine Tasche mit Bargeld sichergestellt, so Polizeisprecher Tholl. Beim ersten Einsatz um 1.31 Uhr habe es noch „keinen Hinweis auf einen Veranstaltungscharakter“ der Party gegeben.
Beim zweiten Polizeieinsatz war Musikanlage verschwunden
Beim zweiten Besuch um 6.22 Uhr war dann allerdings die große Musikanlage bereits verschwunden, die bei einer kommerziellen Veranstaltung eigentlich von der Polizei hätte sichergestellt werden müssen.
Unterdessen hat sich ein 18-jähriger Wipperfürther nach Informationen dieser Zeitung als Kopf des Organisationsteams herauskristallisiert. Bei ihm fanden die Polizeibeamten die Tasche mit Bargeld in einem „hohen dreistelligen Betrag“ sowie Verzehrkarten.
Vier Personen als Organisatoren vor Ort ermittelt
Auch die übrigen drei Personen, deren Personalien die Polizeibeamten in der Nacht aufnahmen, sollen an der Durchführung und Organisation der illegalen Techno-Party beteiligt gewesen. Neben dem 18-jährigen Wipperfürther zählten ein 36-jähriger Kölner, eine 27-jährige Frau aus Remagen sowie ein 25-Jähriger aus Erndtebrück im Siegerland dazu.
Gegen sie wird nun laut Polizei zunächst wegen des Verstoßes gegen die Gewerbeordnung sowie wegen einer „Straftat gegen die Abgabenordnung/Steuerhinterziehung“ ermittelt. Angesichts der Veranstaltung im Naturschutz- und FFH-Gebiet des Königsforstes und der Waldbrandgefahr dürften aber noch verschiedene weitere Punkte hinzukommen, so Polizeisprecher Tholl.
Förster fürchtet Folgeveranstaltungen
Förster Jürgen Greißner war auch am Mittwoch erneut mit drei Freiwilligen im Einsatz, um weitere Hinterlassenschaften der Partygäste aus dem Wald und von der Lichtung zu entfernen. „Wir haben vier 240-Liter-Müllsäcke mit Kronkorken, zerbrochenen Plastikbechern, Flaschen und weiterem Unrat aufgesammelt, und dabei haben wir noch nicht mal den Weg der Friedrich-Offermann-Straße bis zur Lichtung gesammelt“, sagt der Förster.
Er ist immer noch fassungslos, wie man angesichts der am Wochenende herrschenden Waldbrandgefahr mitten im Wald rauchend eine derartige Veranstaltungen organisieren und besuchen konnte. „Das hätte auch für die Beteiligten in einer Katastrophe enden können, wenn da irgendetwas angefangen hätte zu brennen“, sagt Greißner. „Ich kann jedem nur raten, der etwas im Wald sieht, was nicht mit dem Forst zu tun hat, lieber einmal mehr dem Förster oder der Polizei Bescheid zu geben“, so der Förster. Fahrzeuge mit Musikanlagen oder Ähnlichem hätten im Wald auf keinen Fall etwas verloren.
Greißner fürchtet, dass die Party vom Wochenende nicht der letzte Versuch der Beteiligten gewesen sein wird. „Die werden wiederkommen“, fürchtet er. „Wir müssen gucken, dass wir das in den Griff kriegen, sonst wird es irgendwann ein Unglück geben.“
Hintergrund: Frühere illegale Partys an der A4
29. Mai 2021: Mehr als 30 Personen feiern eine professionell organisierte Techno-Party in einer Autobahnunterführung beim Overather Gewerbegebiet Diepenbroich und verstoßen damit auch gegen die damalige Corona-Verordnung.
6. Juni 2021: Mehr als 100 Partygäste feiern eine illegale Techno-Party in Hohlräumen im Inneren der A4-Talbrücke bei Overath-Vilkerath. Einige sind bis aus Duisburg und Offenbach angereist.
31. Juli 2021: Rund 100 Party-Gäste feiern in einer A4-Talbrücke bei Engelskirchen.
14. August 2021: Die Polizei vereitelt eine illegale Party unter einer A4-Brücke bei Overath, indem sie nach Hinweisen aus der Bevölkerung die mutmaßlichen Organisatoren bereits vor dem Aufbau mit Partymaterial Wald stoppt.
28. Februar 2022: Die Polizei löst eine Party in einer A4-Unterführung bei Bergisch Gladbach-Obereschbach auf. Rund 50 Feiernde Flüchten, die Polizei findet Beutel mit Ecstasy.