Die Bundestagsabgeordnete und trans Frau Tessa Ganserer hat einen Bergisch Gladbacher Handwerker wegen Beleidigung vor Gericht gebracht.
ProzessAbgeordnete Tessa Ganserer wehrt sich gegen Bergisch Gladbacher Handwerker
Tessa Ganserer MdB spaltet das bundesdeutsche Wahlvolk in drei Gruppen: Gruppe 1 hat von dem grünen Bundestagsmitglied noch gar nichts oder so gut wie nichts gehört.
Gruppe 2, oftmals junge Menschen aus großstädtischen Milieus, bewundern den Mut der trans Person, sich offen und offensiv dazu zu bekennen, dass sie Frau sein möchte und als solche auftritt.
Manchen Personen schwillt der Kamm
Und bei Gruppe 3 handelt es sich eher um konservative, bodenständige oder auch ultrarechte Menschen, denen der Kamm schwillt, wenn nur die Sprache auf Tessa Ganserer kommt, von der im allmächtigen Internet aufreizende Bilder kursieren, über deren Geschmack man streiten kann.
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Ein Teil der Personen aus Gruppe 3 kippt Kübel voller Dreck und Verachtung über dem Bundestagsmitglied aus, das sich mit Strafanträgen wegen Beleidigung wehrt. Inzwischen hat der Kulturkampf um das Recht auf Selbstbestimmung den gemütlichen Rheinisch-Bergischen Kreis und das Bensberger Strafgericht erreicht, denn Tessa Ganserer hat einen Bergisch Gladbacher Handwerker angezeigt.
„Wie viel Zeit haben Sie mitgebracht?“, fragt dessen Verteidiger, der Bensberger Rechtsanwalt und frühere SPD-Kreistagsabgeordnete Udo Klemt, in Richtung von Strafrichterin Pauline Willberg. Charmant lächelnd stellt er ein mehrstündiges Plädoyer und seine gesamte eigene Lebensgeschichte als streitbarer politischer Mensch in Aussicht.
Sein Mandant, den er an diesem frühen Nachmittag verteidigt, ist der Bergisch Gladbacher Handwerksmeister Franz K. (Name geändert). Der 62-Jährige sei ebenfalls ein äußerst politischer Mensch, der permanent Dinge auf Facebook kommentiere und damit von seinem Recht aus Artikel 5 – das ist die Meinungsfreiheit – Gebrauch mache, so Klemt weiter. Politisch stehen Klemt und K. zwar an ganz unterschiedlichen Stellen des politischen Spektrums, wie Klemt weiter deutlich macht, aber sie schätzen einander.
Ist es freie Meinungsäußerung oder Schmähung?
Die Beleidigung, die die Kölner Staatsanwaltschaft Franz K. nach dem Strafantrag aus dem Berliner Abgeordnetenbüro vorwirft, ist denkbar kurz. Die Abgeordnete Tessa Ganserer hat am 11. November 2022 das Video ihrer Bundestagsrede zu einem Beschluss des EU-Parlamentes in Sachen Klimaschutz gepostet.
Dieses Video hat Franz K. vier Tage später auf seine Facebookseite gestellt. Und es mit acht Worten und drei Pünktchen in nur beinahe fehlerfreiem Deutsch anmoderiert und kommentiert: „Das (sic) so Etwas (sic) in unserem höchsten Repräsentantenhaus sitzt …“
Ist das noch freie Meinungsäußerung oder schon Schmähung? Eine in der Demokratie hoch erwünschte Kritik an der politischen Mehrheit oder eine persönliche Herabsetzung? Klemt plädiert voller Überzeugung, dass das die Wahrnehmung der Meinungsfreiheit sei, eine Meinung, die ihm nicht gefallen müsse, die aber selbstverständlich gesagt werden dürfe.
Richterin Willberg geht kühler an die Sache ran. Sie fragt den Angeklagten: „Wieso haben Sie ‚so Etwas‘ geschrieben und nicht ‚So ein Mensch‘ oder ‚So eine Person?‘“ Der Angeklagte entgegnet, er habe gar nicht genau gewusst, wie er die Person ansprechen solle, wird aber von seinem Verteidiger darauf hingewiesen, dass er ihn doch bitte reden lassen solle.
Die Vermutung bleibt im Raum, dass es Franz K. nicht um politische Ansichten gehe, sondern um die Trans-Identität der betroffenen Abgeordneten, die laut Anwalt Klemt im Bundestagshandbuch mit ihrem männlichen Vornamen Markus aufgeführt sei.
Formale Hürde Drei-Monats-Frist
Doch ist es schließlich eine formale Hürde, die die Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrechten zu einem Ende ohne Urteil kommen lässt: Beleidigung wird nur auf Antrag verfolgt, und den Strafantrag hat die Abgeordnete zwar unterschrieben, das aber offenbar nicht innerhalb der Drei-Monats-Frist nach Kenntnisnahme der Beleidigung.
„Das ist ein Problem“, sagt die Sitzungs-Staatsanwältin, die offenbar zur eingangs erwähnten Gruppe 1 in Sachen Ganserer gehört. Das vermeintliche Problem ist zugleich Ausweg. Denn schließlich knüpft die Richterin rhetorisch ein wenig an das Pathos des Verteidigers an und sagt: „Dann werden wir heute eben keine Rechtsgeschichte schreiben“ – und stellt das Verfahren mit Zustimmung aller Beteiligten auf Kosten der Landeskasse ein.