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NRW LandtagswahlMit diesen Kleinigkeiten wollen die Parteien die Wähler bezirzen

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Geschenke bei der CDU

Bergisch Gladbach – Gummibärchen aus Massentierhaltung, Kondome für Linksträger, und dazwischen Herzen und Kugelschreiber. Es ist der letzte große Wahlkampf-Auftritt der Parteien vor den Landtagswahlen am kommenden Sonntag.

Wer am Samstag zur Marktzeit die Parteistände in der Gladbacher Fußgängerzone besucht, kommt um die abgewandelte Lametta-Weisheit nicht herum: Früher waren mehr Luftballons. Und auch die Zeit der Rosenkavaliere scheint vorbei. Blumen gibt es nur noch in Tüten – zum Selbstsäen.

„Wir wollen vor allem Nahrung für die Seele bieten“, sagt Thomas Klein, Kandidat der Linken: Weniger Plakate, weniger Geschenke, mehr Informationen. „Die Leute erwarten nicht unbedingt, dass sie bei uns was bekommen.“

Geschenke bei den Grünen

Notorische Standschnorrer werden trotzdem fündig: Lollis und Kulis gibt es, Traubenzucker und Kondome Marke „lustvoll“. Ich hatte dafür plädiert, sie „für Linksträger“ zu nennen, bin damit aber nicht durchgekommen“, sagt Klein schmunzelnd, während seine Mitstreiter Markus und Susanne Winterscheidt die neuen Nachbarn von gegenüber aufs Korn nehmen: „AfD wählen ist so 1933“ steht auf den T-Shirts und „Alternative für Dumme“.

Anleihe bei den 70ern

Die „Nachbarn“ nehmen es gelassen. „Wir haben Wahlkampf, jeder kann seine Meinung vertreten“, sagt Roland Hartwig, Sprecher des Stadtverbands und Kandidat für den Bundestag. Die meisten gingen vorbei, gelegentlich mit negativen Kommentaren wie: „Ah, die NSDAP ist auch da.“ Dabei wartet neben den Kugelschreibern eine Überraschung in Tüten: Die Gummibären der AfD sind keinesfalls blau, sondern spiegeln das gesamte Spektrum der anderen Parteien wider.

Ausgesprochen herzlich gibt sich Vera Werdes am Stand der SPD. 20.000 Schokoherzen sollen dabei helfen, ihr Motto „Mit Herz und Verstand“ an den Wähler zu bringen. Zudem macht sie eine Anleihe bei den glorreichen 70ern, als vor den Wahlen Buttons mit „Willy wählen“ für Kanzler Brandt kursierten. „Vera wählen“ heißt es heute. Chips für Einkaufswagen bekommt man bei ihr, Kulis und Notizblöcke.

Wahlgeschenke bei der SPD

Was von Weitem aussieht, wie eine PR-Aktion der holländischen Nationalmannschaft, sind die Orange dominierten Infostände der CDU. Fußball spielt da zwar auch gerade eine große Rolle, aber das liegt an der Anwesenheit des leidenschaftlichen FC-Fans und gerade hochzufriedenen Kandidaten Holger Müller.

Der Trend für seine Partei im Land zeigt nach oben, und in der Bundesliga nehmen die Kölner Kurs auf Europa. „Ich mach das jetzt seit fast 50 Jahren“, sagt Müller, „Kulis laufen immer.“ Damit meint er natürlich keinen südostasiatischen Tagelöhner, sondern Schreibgeräte mit christlich demokratischem Logo. Dazu gibt es Notizblöcke, vereinzelte Luftballons, Streichhölzer sowie „Lecker Wahlmampf“: ein Paprika-Mais-Snack in den Buchstaben der Partei, mit dem Aufdruck „Ciao Rot-Grün“.

Geschenke bei den Linken

Einkaufschips in Blau, Gelb und Magenta liegen bei der FDP auf der Theke. Mit Stiften, vermeintlich nach Freiheit schmeckenden Gummibären und vor allem kleinen Windrädern will das Team um Kreisgeschäftsführerin Elke Matt punkten. Die Windspiele seien haltbarer als Ballons und nicht nur bei Kindern beliebt, sagt Irmgard Vollmer, die seit 1976 Straßenwahlkampf für die Freidemokraten macht. „Ich kenne eine ältere Dame, bei der steckt schon seit Jahren eins in den Balkongeranien.“

Etwas abseits des Trubels hat es sich Friedhelm (Friedo) Weiß, der Kandidat der Grünen, bequem gemacht. Marktbesucher, die zu seinem Wahlkampf-E-Bike vordingen wollen, müssen erst noch an der G9-Initiative für längere Schulzeit am Gymnasium sowie an den Apokalyptischen Reitern der Zeugen Jehovas vorbei. Weniger Wahlgeschenke als sonst gibt es bei den Bündnisgrünen. „Wir setzen mehr auf Inhalte“, sagt Weiß, „und die politische Aussage von Kugelschreibern erschließt sich mir nicht unbedingt.“

Dann schon eher die von Windrädern mit Pappflügeln, Sonnenblumensamen und einfach zu bedienenden Gummibären („Schluss mit Massentierhaltung, einfach Tüte aufreißen und Bären befreien“).

Gegen Politikverdrossenheit helfen indes offenbar weder Wahlgeschenke noch Informationen. „Kein Bedarf“, muffelt ein Passant, „von keiner Partei.“