Bergisch Gladbach/Köln – Hier die glitzernden Konsumtempel von der Hohen Straße in Köln, dort der seit 30 Jahren heroinabhängige Angeklagte (49), der in der Domstadt überwiegend auf der Straße lebt, den Katholischen Sozialdienst als Meldeadresse nutzt und zu seinem Strafprozess in Bensberg gleichwohl gut gelaunt mit Sack und Pack – Reisetasche und Rucksack – anreist. Und sich am Ende fast darüber zu freuen scheint, dass er für den Diebstahl von vier Fußball-Trikots sechs Monate Haft ohne Bewährung kassiert: Die Welt wirkt ein wenig verdreht an diesem Morgen im Bensberger Schöffengericht.
Dass die Bensberger Richterin Birgit Brandes und ihre Schöffen über die Ladendiebstähle eines erwachsenen Kölners in der Kölner City zu richten haben, ist eher ungewöhnlich. Es hat sich so ergeben, weil Georg N. (Name geändert) nicht nur der Diebstahl von vier FC -, beziehungsweise Deutschland-Trikots aus einem Kölner Kaufhaus und die Plünderung der Schaufensterpuppe eines Kölner Bekleidungsgeschäftes vorgeworfen wird, sondern außerdem der Diebstahl eines Handys aus einer Wohnung in Rösrath.
Keine Zeugen, nur Blutspuren
Die Verfahren wurden zusammengezogen, und doch stehen die Anklagevorwürfe überwiegend auf tönernen Füßen: Das Ding mit dem „Püppchen“, wie es der kölsche Angeklagte nennt – Schaufenster einschmeißen, Schaufensterpuppe rausholen, plündern und mit der Beute im Wert von fast tausend Euro das Weite suchen – hat keiner beobachtet, sondern die Polizei hat lediglich hinterher Blutspuren gesichert.
„So etwas mache ich nicht“, versichert der Angeklagte mit den 30 Vorstrafen irgendwie überzeugend und präsentiert die simple, aber unwiderlegbare Erklärung für die Blutspuren: Er sei erst nach der Tat vorbeigekommen, habe geguckt und sich geschnitten. Durch seine Heroinabhängigkeit, so der hagere und keineswegs ungepflegt wirkende Mann, habe er ja zugegebenermaßen einen deutlich höheren Finanzbedarf, als er durch Hartz IV aufbringen könne, aber bei der Beute aus dem Bekleidungsgeschäft stünden doch Aufwand und Ertrag in keinem vernünftigen Verhältnis, meinte er.
Anders sei die Sache mit den Fußball-T-Shirts: Die würfen beim Wiederverkauf immerhin noch ein Drittel des Ladenpreises ab – das sei er gewesen, dazu stehe er. Allerdings haben ihn auch die Ladendetektive erkannt.
Besonders nachdrücklich bestreitet Georg N. dagegen den Handy-Diebstahl. Der ist im Übrigen auch nicht bewiesen, sondern nur geschlussfolgert, weil Georg N. einmal ein ähnliches Handy-Modell wie das in Rösrath gestohlene weiterverkauft hat. Doch ist „ähnlich“ nicht dasselbe wie „identisch“, worauf Verteidiger Achim Maur hinweist: Sein Mandant habe ein Modell S5 weiterverkauft, während das Rösrather ein S4 gewesen sei.
Georg N. nennt noch zwei weitere Gründe, weshalb er das nicht gewesen sei: „Ich bin noch nie in Rösrath gewesen. Was soll ich denn da?“ Auch breche er grundsätzlich nicht in Wohnungen und Häuser ein: „Da habe ich viel zu viel Angst.“
Als ihm Richterin Brandes bedeutet, dass für ihn trotz seiner freundlich-sympathischen Art eine Freiheitsstrafe im Raum stehe, gibt er unumwunden zu: „Ich habe mich darauf eingestellt.“ Vielleicht sei ein Aufenthalt in Ossendorf sogar besser für ihn, weil er im Gefängnis auch in der Vergangenheit schon schnell und problemlos vom Heroin weg- und zur Ruhe gekommen sei.
Die sechs Monate ohne Bewährung entsprechen der Forderung von Staatsanwältin Nina Berghaus. Georg N. nimmt die Strafe sofort an. Jetzt, so sagt er, müsse er nur noch sehen, wie er die paar Wochen bis zum Strafantritt rumbringe.