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Kultkneipe in KürtenWaltraud will letztes Mal hinterm Tresen in der „Erholung“ stehen

Lesezeit 5 Minuten
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Ein historischer Ort: Waltraud Schmitz ist in der „Erholung“ groß geworden und führte das Haus selbst.

Kürten – Einmal noch hinter der Theke stehen... Waltraud Schmitz, heute 77 Jahre alt, hat ihr ganzes Leben in der Gaststätte Zur Erholung in Kürten-Bechen verbracht. Sie ist als Kind großgeworden in der „Erholung“ und hat die Kneipe später über Jahrzehnte selbst geführt. Von 1965 an, da war sie 21 Jahre, stand sie hinter der Theke und könnte ganze Romane schreiben über ihre Erlebnisse. Das war alles einmal. Vor drei Jahren schloss sie die „Erholung“, aus Altersgründen und weil sich kein Pächter fand.

Eine schwere Entscheidung hat die einstige Wirtin in diesen Tagen getroffen: Ihre geliebte Theke wird aus dem Gasthaus verschwinden, und damit auch die Schankanlage. Ein Schreiner bricht das Teil demnächst ab.

„Waltraud“ kehrt ein letztes Mal an den Tresen zurück

Aber ein allerletztes Mal wird „Waltraud“, wie sie alle im Dorf nennen, hinter der Theken stehen und Bier zapfen. Freunde und Weggefährten sollen kommen und mit ihr in den Erinnerungen schwelgen.

Tränchen kommen ihr, als sie davon spricht. „Wirklich jeden Tag habe ich an der Theke gestanden, meist bis spät nachts. Und früh morgens ging es mit der Arbeit schon weiter.“ Die jetzigen Mieter, es ist der Verein Tour 41, seien auf sie zugekommen und hätten gefragt, ob sie die Theke ausbauen dürften, die Theke erschwere die Beratungstätigkeit. Eine Rückkehr der Dorfkneipe werde es ja sowieso nicht geben können, sagt Waltraud Schmitz. Sie stimmte dem Anliegen zu, und in den nächsten Wochen kommen die Handwerker.

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Die Theke in der Gaststätte „Zur Erholung“ war die Heimat von Waltraud Schmitz. Jetzt werden Tresen und Schankanlage abgebaut.

„Die Theke ist das letzte, was im Innenraum ans Gasthaus erinnert“, sagt die Wirtsfrau traurig. Das Gasthaus Zur Erholung, früher auch als „Koch“ bekannt, war dann einmal. Ein Kapitel der Ortsgeschichte endet mit dem Ausbau. Vielleicht finde sich ja noch Verwendung für die Theke, hofft sie.

Das Haus an der Dorfstraße war ganz früher mal mit den Altenberger Mönchen wirtschaftlich verbandelt, als Bauernhof. Die Geschichte beginnt also in der frühen Neuzeit, eine erste urkundliche Erwähnung verweist 411 Jahren zurück. 1910 erwarb Theodor Koch das Anwesen, der Großvater von Waltraud Schmitz. „Da gab es ja überall an jeder Ecke eine Kneipe“, entsinnt sich die Wirtin an goldene Zeiten. Den „Koch“, den „Hansknecht“, den „Prinz“ und den „Korff“, eine unvollständige Liste. „Und was war hier alles los!“.

Vom Frühschoppen und hervorragenden Reibekuchen

Die Bechener gingen bei Waltraud Schmitz ein und aus, zum Frühschoppen nach dem Kirchgang war es rappelvoll. Reibekuchen waren die Spezialität, die es gab, die brutzelten immer in den Pfannen. 50 bis 60 Portionen gingen an einem Tag locker über die Theke. Und Waltraud Schmitz war mittendrin, an der Theke, im Schankraum, in der Küche.

Ihr Vater Alois Koch hatte mit seiner Frau Luzie das Gasthaus 1940 in zweiter Generation übernommen, und nach seinem Tod 1948 war es Luzie, die am Ruder stand. „Alle nannten sie Tante Luzie“, entsinnt sich Waltraud Schmitz. 1965 starb die Mutter und die Tochter wurde in jungen Jahren ins kalte Wasser geworfen. Ihr Ehemann Josef und die beiden Kinder Andreas und Birgit unterstützten zeitweise, mitunter war auch verpachtet. „Pächter finden sich heute keine mehr“, berichtet die Wirtsfrau.

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„Dann heißt es von denen: Was kann ich verdienen?“ Wer aber nichts mache, verdiene auch nichts. Die Schmitzens machten viel. 1967 wurde die Kegelbahn gebaut, 1972 das Sälchen. „Da konnten ja 200 Leite drin sitzen.“ Und fünf Reueessen in einer Woche seien keine Seltenheit gewesen. Es wurde an- und umgebaut, und die miteingebundene Kolonialwarenhandlung in späteren Jahren für Wohnungen genutzt.

Anlaufpunkte für Vereine und die Gemeinschaft

Die Vereinsgeschichte ist auch eng verwoben mit der Kneipe. Die Gründer der Musikgemeinschaft Bechen versammelten sich hier 1928, machten Konzerte und veranstalten ihre Proben, die Karnevalsfreunde Bechen haben eine aufs Engste mit der Kneipe verbundene Historie und für viele Jahrzehnte war das Gasthaus die Hofburg der Tollitäten von Bechen.

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Waltraud Schmitz und Hans Paul Koch als Prinzenpaar der Karnevalsfreunde Bechen 1994

Der MGV Herweg feierte hier seine Sängerfeste aus und probte viele Jahre immer freitags im Sälchen. Zu ihrem 50. Geburtstag, das war 1994, ließ sich Waltraud Schmitz als Karnevalsprinzessin von Bechen feiern, mit ihrem Bruder Hans-Paul Koch als Karnevalsprinzen. Feucht und fröhlich ging es oft her, und einer aus der Musikgemeinschaft habe es sogar mal geschafft, im angeheiterten Zustand seine Trompete in die Decke zu rammen. Da muss Waltraud Schmitz auch heute noch schmunzeln. „Ich hab’ immer gern Spaß gehabt, das ist das Wichtigste“, sagt sie. Und die vielen Erinnerungen an die schönen Zeiten bleiben.

Historie „Zur Erholung“

Eine erste Verpachtung des Gebäudes durch das Kloster Altenberg ist urkundlich belegt für den 28. Februar 1610, und zwar an Halfmann Korstgen den Alten und seine Ehefrau Lene. 1637 taucht der Hinweis eines Gasthauses auf: Am 22. Februar des Jahres verpachten die Zisterziensermönche das „Lindenhäuschen auf der Kirchhofsmauer in Bechen“ an Hermann Dahmens Sohn zum Neuenhaus. Dieser Hermann musste das Gebäude auf eigene Kosten instandsetzen, der Kirche zu Bechen einmalig 25 Kölner Taler zahlen und in jedem Jahr am St.-Martinitag 11. November an Altenberg einen Taler und an die Bechener Kirche zwei Taler zahlen.

In der Verpachtung ist auch die Erlaubnis erwähnt, einen Laden, eine Bäckerei und eine Gastwirtschaft zu führen (nach den Angaben von Rainer Michel, „Bergische Blätter“). Das Gasthaus, „Lingenhäuschen“ oder „Lindenhaus“ genannt, bildete mit vier weiteren Häusern und der Kirche bis zum Dorfbrand im Februar 1866 den Ortskern.