Seit dem 1. September bilden alle katholischen Pfarreien aus Overath und Rösrath eine Pastorale Einheit. Wie es weitergeht, erfuhren sie jetzt.
Katholische KircheAufbruch zwischen Sorge und offenen Fragen in Rösrath und Overath
Die beiden Kirchenchöre singen im Festgottesdienst bereits gemeinsam, Familien schicken einen Videogruß von einem gemeinsamen Rösrath-Overather Familienwochenende, aber es schwingen auch eine Menge Sorgen und noch mehr offene Fragen mit, als sich sich Katholiken aus Rösrath und Overath am Wochenende erstmals bei einer offenen gemeinsamen Versammlung mit dem für sie zuständigen Weihbischof Ansgar Puff treffen.
Seit Anfang dieses Monats sind die katholische Kirchengemeinde Rösrath und die sieben noch eigenständigen Kirchengemeinden des Pfarrverbands Overaths eine sogenannte „Pastorale Einheit“ – ohne dass die meisten bereits genau wüssten, was das bedeutet.
Erst einmal wird alles genau beobachtet. Warum findet das Treffen in Overath statt? Wo wird künftig der leitende Pfarrer wohnen? Wird es einen gemeinsamen Namen der neuen Einheit geben? Am besten vielleicht einen neutralen neuen, wie damals nach der Pfarreienfusion in Kürten? Auch Hubert Wischeler kennt diese Fragen nur zu gut. Er ist der Vorsitzende des Rösrather Pfarrgemeinderats und froh, dass an diesem Sonntag so viele Rösrather, Forsbacher, Hoffnungsthaler und Kleineichener mit nach Overath gekommen sind.
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Der Overather Pfarrer Gereon Bonnacker fragt ihn, wie man die Versammlung nun eröffnen wolle. Auch der Weihbischof habe schon gefragt. Ein wenig Unsicherheit ist nicht von der Hand zu weisen. Niemand möchte vorpreschen und vielleicht jemand anderen damit desavouieren. Andererseits wird jede Initiative genau beobachtet. Und: „Die Kommunikation vom Erzbistum ist bislang auch sehr spärlich gewesen“, bedauert Wischeler.
„Folgen Sie einfach den Overathern“, hatte Overaths Pfarrer zuvor in der Kirche den Rösrather Gästen empfohlen, damit diese den Weg von der Kirche zur Versammlung im Walburgahaus leichter fänden. Eine Devise für die künftige Zusammenarbeit aber sollte das keineswegs sein.
Leonard Viethen erinnert sich daran, wie er selbst vor fast 20 Jahren die Fusion der vormals selbstständige Pfarreien im Rösrather Stadtgebiet als Pfarrgemeinderatsmitglied mit eingestielt hatte. „Schrittweise ging das“, erinnert er sich, „aber jetzt sind es ja noch mal viel mehr.“ Trotzdem: Auch seine Frau Helga und er sind interessiert daran, wie es weitergeht, angesichts weniger werdender Gemeindemitglieder, weniger Priester und auch bei der Kirche knapper werdender Finanzmittel.
Weihbischof Ansgar Puff überrascht manchen in der Rösrath-Overather Versammlung gleich zu Beginn: „Es ist nicht das Anliegen, heute hier technische Sachen zu besprechen“, sagt der Seelsorger: „Das Entscheidende sind vielmehr die Inhalte: Was bringt uns inhaltlich zusammen.“
Katholiken bedrücken Probleme in ihrer Kirche sehr
Dazu formuliert der Weihbischof für die Versammlung zwei Fragen: „Erstens: Was ist Ihnen an Ihrem Glauben so wichtig, dass Sie das gerne weitergeben möchten? Und zweitens: Was müsste sich ändern damit das gelingt?“ In einem dritten Punkt, so kündigt Ansgar Puff an, solle es dann noch um „alles das gehen, was Sie auf dem Herzen haben“, sagt Weihbischof Puff und plädiert für eine „synodale Begegnung“, „gegenseitiges Zuhören“.
„Mir sind persönliche Begegnungen in der Kirche wichtig“, sagt eine Frau und fügt enttäuscht hinzu, „das geht aber nicht, vor allem, wenn die immer größeren Einheiten immer nur auf eine Person, den Priester, zugeschnitten sind.“
„Das wichtigste ist die Eucharistie. Das ist die Kraft des Herrn“, betont ein anderer Besucher, wie wichtig die Messfeier für ihn sei.
„Gemeinschaft, Zuversicht, Glauben – die Kirche schafft es leider nicht, junge Menschen abzuholen – es fehlt an Glaubwürdigkeit und Offenheit“, bedauert eine weitere Teilnehmerin.
„Gemeinde muss herzlich sein, und die Kirche muss die Gleichberechtigung der Geschlechter endlich anerkennen“, fordert der Priester im Ruhestand, Josef Rottländer, der zuletzt in Rösrath-Kleineichen Seelsorger war und jetzt im Seniorenheim in Overath-Marialinden lebt: „Ich habe Angst, die Kirche könnte sich noch mehr entfremden“, sagt er, fordert „lebendigere Gottesdienstformen“ und erntet mit seinem Beitrag Applaus der Versammlung.
Weihbischof Puff ergänzt, was ihm im Glauben wichtig ist: Dass Jesus Christus dem Tod die Macht genommen habe. Das sei auch für ihn selbst existenziell gewesen, als sein Vater damals an Krebs gestorben sei.
Was sich ändern muss, damit die Inhalte weitergegeben werden können? Zur zweiten Frage haben die Versammlungsteilnehmer einige Punkte: Eine Organisation, die „Frauen von jeglicher Entscheidung ausschließt“, könne man nicht ernst nehmen, zitiert der pensionierte Diakon Clemens Rieger eine Äußerung seines Sohnes, der er nur habe zustimmen können.
„Ich habe Angst vor den Leuten, die immer alles schon wissen“, bekennt Rösraths Seelsorgebereichsmusiker Boris Berns und plädiert dafür , auch auf dem Weg zu einer gemeinsamen neuen Einheit lieber „gemeinsam zu suchen“, was auch Priester Josef Rottländer unterstützt. Beide bekommen reichlich Applaus.
Hans Schlömer vom Overather Pfarrgemeinderat formuliert eine Vision für die Fusion von Rösrath und Overath: „Irgendwann gehe ich nach Forsbach in die Kirche – da war ich noch nie – und fühle mich zu Hause.“ Von den Verantwortlichen des Erzbistums in Köln wünscht sich Schlömer, dass man Gemeinden und Gremien vor Ort mehr vertraue, dass sie das Richtige tun.
Weihbischof kündigt Änderung im Umgang mit Frauen in der Kirche an
Weihbischof Puff bekennt, dass das Thema der Einbeziehung von Frauen ein Thema sei, „wo wir ranmüssen“, aber auch, dass Wortgottesdienste mit Kommunionausteilung ein Zukunftsmodell für Gottesdienste vor Ort seien. „Wir brauchen vor Ort Heimat, ich bin da ganz bei dir“, spricht er seinen Mitgeistlichen Josef Rottländer direkt an.
Bei der offenen Runde im dritten Teil der Veranstaltung gibt eine Teilnehmerin ihrem Wunsch Ausdruck, dass sich ein Vorgehen der Verantwortlichen des Erzbistums wie in Bergisch Gladbach nicht wiederholen dürfe. Dort sind zu Beginn des Jahres wie berichtet Gemeinden und Seelsorger im Rahmen einen „Modellprojekts“ vor vollendete Tatsachen und ein verändertes Personaltableau gestellt worden und haben erst nach vehementem Protest eine Rücknahme der vorgezogenen Veränderungen erreicht.
„Wir haben durch Bergisch Gladbach gelernt“, sagt Weihbischof Ansgar Puff. „Man kann heute nicht mehr so arbeiten wie früher, wir müssen heute viel mehr die Menschen mitnehmen.“
Erwartungsgemäß auf einige Sorge stieß die Frage nach der künftigen Rechtsform der Pastoralen Einheit Overath/Rösrath (siehe „Wie es mit der Fusion weitergeht – Phase 3“). „Warum muss der Kardinal das entscheiden und können das nicht die Gemeinden vor Ort?“, fragt Clemens Rieger.
Sorge um eigene soziale Projekte in den vermögenderen Pfarreien
Den Einwand des Weihbischofs, das Geld werde „knapp und knapper“, wollen insbesondere Vertreter der durch Erbpachtlandbesitz vermögenderen Overather Pfarreien nicht recht gelten lassen. Sicher gebe es eine Solidargemeinschaft, so eine Kirchenvorstandsvertreterin, aber vor Ort gebe es auch eine Reihe sozialer Projekte, die man mit selbst erwirtschaftetem Geld initiiert habe und auch gerne fortführen wolle.
Puff kündigt an, dass diesbezüglich Änderungen geplant seien: Was eine Gemeinde erwirtschafte, solle demnach auch in der Gemeinde bleiben können.
Aufbruchstimmung und Stimmen spielender Kinder zum Abschluss
Trotz zahlreicher noch zu lösender Fragen ist am Ende der Versammlung doch Aufbruchstimmung zu spüren – und Interesse für die „anderen“ in der neuen Pastoralen Einheit. „Einen Vorteil haben Rösrath und Overath doch“, gibt Pfarrer Bonnacker zu bedenken: „Wir haben eine gemeinsame Bahnlinie – und kommen mit der RB 25 schnell vom einen ins andere Tal. Vielleicht müssen wir am Anfang auch einfach mal gemeinsam Bahn fahren“, ruft der Seelsorger auf.
Vor dem Walburgahaus spielen Kinder, durch die offenen Fenster sind ihre Stimmen zu hören. Sie werden einmal in den Gemeinden leben, die ihre Eltern- und Großelterngeneration nun auf den Weg bringen. Mit einer gehörigen Portion Sorge vor der Zukunft, aber auch mit guter Hoffnung, wie mancher bei der Verabschiedung in den herbstlichen Sonntagnachmittag bekennt.
Wie es mit der Fusion weitergeht
Wie es weitergeht mit der zum 1. September eingerichteten „Pastoralen Einheit“ Overath/Rösrath, erläuterte Weihbischof Ansgar Puff bei der Versammlung vor Ort anhand folgender drei Phasen: Phase 1: Zunächst einmal gehe alles weiter wie bisher, so Weihbischof Ansgar Puff: Die Gremien wie Pfarrgemeinderat oder Kirchenvorstand würden weiter bestehen, die Gemeinden sich gegenseitig kennenlernen. Phase 2 trete ein, wenn von den Leitenden Pfarrern in Rösrath oder Overath einer gehe, etwa in Rente oder weil er eine neue Aufgabe antreten wolle, so Weihbischof Puff: Dann werde es ein Pastoralteam mit einem Pfarrer geben. Overaths Leitender Pfarrer Gereon Bonnacker sagte am Sonntag im Gespräch mit dieser Zeitung, dass er sich vorstellen, könne, noch zwei bis drei Jahre zu bleiben, bevor er in den Ruhestand wechsele. Rösraths Leitender Pfarrer Franz Gerards möchte sich erst nach einem angekündigten Personalgespräch mit den Verantwortlichen in Köln äußern, wie er sagt. Es könne aber gut sein, dass es bis zur Phase zwei noch zwei bis drei Jahre dauere. Phase 3: Über die Frage der künftigen Rechtsform der neuen Pastoralen Einheit werde noch entschieden, sagte Weihbischof Ansgar Puff in der Versammlung. Der Diözesanpastoralrat habe dem Erzbischof empfohlen, die Pfarreien selbst entscheiden zu lassen. Der Kirchensteuer- und Wirtschaftsrat habe dem Kardinal hingegen zu einer schnellen Fusion der Pastoralen Einheiten zu jeweils einer Pfarrei geraten. Puff: „Der Kardinal muss jetzt entscheiden.“ (wg)