Overath – Knapp 19 Jahre nach dem Dreifachmord des Rechtsextremisten Thomas A. auf der Overather Hauptstraße gehen die tödlichen Schüsse auf den Overather Rechtsanwalt Hartmut N., Ehefrau Mechthild B. und Tochter Alja N. in einer Anwaltskanzlei endlich als offenkundig rechtsextremes Tötungsverbrechen in die Polizeistatistik ein.
Zu verdanken ist diese Klarheit schaffende Neubewertung der Entscheidung von NRW-Innenminister Herbert Reul (wir berichteten). „Wir sind es den Opfern schuldig“, erklärt sein Polizeisprecher Markus Niesczery auf die Frage nach dem Sinn dieser späten Entscheidung.
Fall könnte landesweite Folgen haben
Dass die Polizei den rechten Dreifachmord von Overath jetzt auch mit Brief und Siegel als solchen benennt, könnte landesweit weitere Folgen haben. Denn Christdemokrat Reul hat nach einem Bericht des seit Jahren in der Sache nachforschenden Berliner „Tagesspiegels“ die umfangreiche Überprüfung von 25 weiteren „Grenzfällen“ mit 30 Todesopfern auf einen möglichen rechten Hintergrund angestoßen - und die Zahl könnte laut Innenministerium noch steigen.
Die Ministerentscheidung könnte aber auch in Overath Folgen haben, sofern dies dort politisch gewollt ist. Die Stichworte: Wachsamkeit und Gegen das Vergessen.
Andreas Heider, der frühere Bürgermeister der bergischen Stadt, war 2004 frisch ins Amt gekommen, als das Kölner Landgericht den Pumpgun-Mörder am 15. Dezember 2004 zu lebenslanger Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilte. A., der zuvor juristischen Stress mit dem Anwalt gehabt hatte, hatte kurz nach dem Dreifachmord im Namen einer „SS-Division Götterdämmerung“ eine „Bekanntmachung an das deutsche Volk“ veröffentlicht und die Tat in Overath als „Befreiung dieses Teiles des Reichsgebiets“ bezeichnet.
Heider fürchtete Stigmatisierung der Heimatstadt
Damals fürchtete Heider noch eine „Stigmatisierung“ seiner Heimatstadt. Heute sagt er: „Dass es dazu nicht gekommen ist, liegt auch daran, dass Overath absolut kein rechtes Umfeld hat.“ Der Dreifachmord ausgerechnet in Overath sei ein „böser Zufall“ gewesen, gleichwohl aber eben auch die „Tat eines Einzeltäters mit rechtsextremen Hintergrund“.
Einen ähnlichen Fall hatte es 1996 in Bergisch Gladbach gegeben. Hier war eine junge Frau von einem Neonazi ermordet worden. Im März 2022 beschloss die bergische Kreisstadt, dem Opfer Patricia Wright einen Ort des Gedenkens zu widmen.
Bewusstsein für Bedrohung der Demokratie schaffen
Eine solche Erinnerung könnte sich Altbürgermeister Heider auch für die ermordete Juristenfamilie vorstellen. „Das müsste aus den Reihen des Stadtrates vorgeschlagen werden.“ Er sei immer der Meinung gewesen, dass man ein Bewusstsein für die Bedrohung der Demokratie schaffen müsse und habe auch als Bürgermeister danach gehandelt, sagt der Historiker im Gespräch mit dieser Redaktion. „Ich würde es unterstützen.“
Möglichkeiten der Erinnerung an das Verbrechen gebe es viele, so Heider. Er verweist auf die inzwischen berühmt gewordenen „Stolpersteine“. Für die Overather Mordopfer könne er sich etwa eine Gedenkplatte an dem Haus im Herzen Overaths vorstellen, das am 7. Oktober 2003 zum Tatort wurde. Doch wäre das natürlich zunächst mit dem Eigentümer abzustimmen.
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Altbürgermeister Heider hofft, dass sich bei einer etwaigen Debatte nicht die Bedenkenträger in Sachen „Image“ durchsetzen. „Wir müssen ein Bewusstsein für die Gefährdung der Demokratie schaffen und wachhalten. Und wir müssen auch im Kleinen dafür sorgen, dass nicht die Falschen Oberwasser bekommen.“