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Interview mit Overaths Bürgermeister„Ich hätte mir eine Krise weniger gewünscht“

Lesezeit 6 Minuten
Bürgermeister Christoph Nicodemus geht optimistisch ins Jahr.

Bürgermeister Christoph Nicodemus geht optimistisch ins Jahr.

Bürgermeister Christoph Nicodemus (parteilos) sieht die Verwaltung auf Kurs und mahnt zu mehr Geduld bei den Großprojekten.

Herr Nicodemus, hatten Sie eine geruhsame Pause über die Feiertage, nach der Ratsarbeit und der Cyber-Attacke auf die kommunalen Rechner?

Christoph Nicodemus: Den Jahreswechsel habe ich ganz ruhig und entspannt verbracht, aber eigentlich ging es so in einem durch, die Wettersituation an Weihnachten, zwischen Weihnachten und Neujahr habe ich gearbeitet und war am 1. Januar schon wieder bei einem 100. Geburtstag.

Was macht Sie zufrieden, wenn Sie auf das vergangene Jahr zurückschauen? Was waren die wichtigsten Themen des Jahres?

Ein ganz wichtiges Thema, auch ein mehrjähriges, ist für mich, wie wir die diversen Anforderungen an Schule, an Betreuung hinbekommen. Da sind wir sicher im letzten Jahr gut vorangekommen, und das ist auch wichtig.

Der Beigeordnete Mario Bredow hatte mir gesagt, dass alle Kindergartenkinder in diesem Jahr untergebracht werden konnten, ist das richtig?

Ja, wir können den Gesetzesanspruch erfüllen und können das wohl auch im nächsten Jahr. Wir sind in Gesprächen wegen des Fehlbedarfs und ich denke, dass wir das gut hinbekommen.

Wie steht es denn generell um die Overather Schulen, Herr Nicodemus?

Das ist sicherlich noch ein ganzes Paket, das aber ein Stück weit auch schon gelaufen ist. Wir haben die Sporthalle in Vilkerath mit den Mehrzweckräumen drin, das ist zwar auf lange Sicht für den offenen Ganztag nicht hinreichend, wird uns aber zunächst einmal ein Stück weiterhelfen. In Heiligenhaus werden wir demnächst zu einer Eröffnung laden – da sind wir also auch auf einem guten Weg, wir kommen mit der Sporthalle hier in Overath voran und in Marialinden sind wir ja fertig mit dem Herrichten für den offenen Ganztag. In Steinenbrück und Immekeppel sind wir in Vorplanungen oder Machbarkeitsstudien, aber es geht voran.

Damit sind wir gleich beim nächsten Thema – dem Haushalt, denn diese Investitionen in Schulen und Kitas müssen sich ja auch im Etat darstellen lassen.

Na ja, bei den Kindergärten müssen wir ja nicht zwangsläufig selbst investieren, und die Schulbauten haben wir bereits in den vergangenen Jahren mit Verpflichtungsermächtigungen in den Haushalt eingepreist.

Wie geht es denn beim Schulzentrum voran?

Wir sind gerade mit dem Projektsteuerer in der Beratung zu einem möglichen Ablauf der Maßnahmen. Hiermit wird dann eine Strategie festgelegt, wie die Umsetzung erfolgen kann, und dann kommt das Vergabeverfahren für den Planungsauftrag. Das Raumkonzept ist ja bereits beraten und beschlossen. Es wird aber auch noch Vergabeverfahren für die Ausführung geben müssen, mit dem eigentlichen Baubeginn am Schulzentrum rechne ich mal in der zweiten Jahreshälfte 2025.

Schüler, Lehrer und Eltern warten sicher schon dringend auf den Um- und Neubau…

Ich auch – die erforderliche zweite Ausschreibung für die Projektsteuerersuche war sicher ein Hemmschuh, und ich hasse es, wenn etwas länger dauert als gefühlt erforderlich. Aber für ein vernünftiges Ergebnis braucht es halt auch eine vernünftige Planung. Man muss auch ein Stück Geduld mitbringen, wenn man ein 30-Millionen-Euro-Projekt unterrichtsverträglich umsetzen will. Man muss aber auch klarstellen, dass das, was da ist, nicht schlecht ist, das Schulzentrum ist grundsolide gebaut und wird ja auch rege außerschulisch genutzt – die Sportler, die Bücherei, die Volkshochschule geht rein…

Und wie steht's mit dem Steinhofplatz?

Dafür hat ja ein städtebaulicher Wettbewerb stattgefunden. Die Entwürfe sind noch zu plausibilisieren, das wird sicher im Laufe des Jahres passieren. Und dann hängt es von den Ergebnissen ab, wie es weitergehen kann.

Was wird Sie als nächstes beschäftigen in der Stadtverwaltung, also im ersten Halbjahr 2024?

Da haben wir einen ganzen Sack voll: Das geht los mit den planerischen Themen, der Flächennutzungsplan wird weiterlaufen, wir werden weitere Angebote beim E-Government generieren, den Digitalpakt bei den Schulen scharfstellen, den städtebaulichen Wettbewerb Steinhofplatz angehen – ansonsten gibt es noch viele Themen: Der Ausbau der Landstraße von Heiligenhaus Richtung Steinenbrück, Radwege werden ein Thema sein, wir werden uns intensiv mit Klimaschutz und, damit verbunden, der Energieerzeugung befassen, es sollen ja PV-Anlagen auf Schulen und öffentlichen Gebäuden zur Eigennutzung des Stroms errichtet werden. Dann ist ein Thema die Verbindung vom Sülztal ins Aggertal mit öffentlichen Verkehrsmitteln, ebenso die Frage der Radwegeentwicklung.

Was steht noch an?

Die Verkehrsentwicklung wird sicherlich ein spannendes Thema werden, der ÖPNV und überhaupt, und natürlich wird es um die Klimafolgenanpassung gehen, seien es Hochwasser oder andere Themen. Leider sind wir da nicht immer Herr des Verfahrens, das macht es schwierig. Das ist sicherlich ein Thema, bei dem ich mir wünschen würde, dass das eine oder andere schneller ginge. Geduld ist sicherlich nicht meine größte Stärke. Andererseits muss man Dinge eben auch vernünftig vorbereiten, sonst wird das nix.

Gibt es für Sie so etwas wie ein Herzensthema, eines, das Sie im neuen Jahr auf jeden Fall anpacken möchten?

Energieerzeugung gehört sicher dazu, und zwei Punkte stehen ganz vorn auf der Agenda: Dass wir vorwärtskommen bei den Schulen und der Ganztagsbetreuung, ein anderer Aspekt ist, dass wir endlich die Energiegenossenschaft an den Start kriegen, um den Aufbau regenerativer Energien zu forcieren. Drittes Thema ist die Implementierung eines Klimaschutzmanagements und damit verbunden die Erstellung eines Klimaschutzkonzepts, das ich dann auch umsetzen kann. Das hätte ich gern.

Sie mögen es gern konkret?

Ja, wenn man über etwas redet, muss auch etwas dabei herauskommen, tolle theoretische Diskussionen helfen den Menschen vor Ort nicht weiter.

In der Bürgerwerkstatt Tourismus hat es einigen Unmut gegeben, weil es mit den touristischen Radwegen nicht recht voranging. Wie stehen Sie dazu?

Also, ich habe das lediglich in Einzelfällen so wahrgenommen. Die Bürgerwerkstätten sind ja dem Ausschuss für Zukunft, Umwelt, Mobilität und Klimaschutz zugeordnet und arbeiten ihm zu. Insofern sind die Aufgaben klar verteilt, und mein Eindruck ist, dass die Bürgerwerkstätten gerne ihre Themen in die Beratung einbringen. Über die Umsetzung von Routen findet ein enger Austausch statt.

Und generell, wie läuft die Zusammenarbeit von Stadtrat und Verwaltung?

Gut, meist haben wir konstruktivkritische Diskussionen. Natürlich gibt es mal den einen oder anderen emotionalen Ausrutscher, aber generell ist es eine gute Zusammenarbeit.

Was hat Sie beeindruckt im abgelaufenen Jahr?

Der Umgang mit den Problemen nach der Cyber-Attacke auf Südwestfalen-IT. Unser Team hat unter widrigen Bedingungen toll funktioniert, alle haben an kreativen Möglichkeiten gearbeitet, auch ohne Programme alles was möglich ist, für die Bürgerinnen und Bürger umzusetzen. Wir haben hier im Rathaus schon eine gute Truppe.

Was ist wichtig im Jahr 2024?

Die Fortsetzung der Planungen für den Flächennutzungsplan auf Grundlage des räumlichen Entwicklungskonzepts. Wir brauchen ja bestimmte Dinge: Unternehmen fehlt es an Platz für eine Erweiterung, wir brauchen Wohnbauten für junge Leute, die hier aufgewachsen sind und zurückkehren möchten, und wir müssen die Infrastruktur für den kommenden Haltepunkt Vilkerath der RB 25 schaffen.

Sie sind nun seit drei Jahren Bürgermeister von Overath. Was hätten Sie sich anders gewünscht in dieser Zeit?

Ich hätte mir in den drei Jahren eine Krise weniger gewünscht, es war nicht so schmerzfrei. Die Überschwemmung, Corona, die Flüchtlingssituation, der Krieg in der Ukraine – das war und ist schon viel. Aber wenn man nicht grundsätzlich Spaß daran hat, zu gestalten, Dinge in Bewegung zu bringen, dann sollte man diesen Job nicht machen.