Ihre Geldauflage weder bezahlt noch abgearbeitet hat eine 45-Jahre alte Oma und musste erneut in Bensberg wegen gefährlichen Eingriffs vor Gericht.
ProzessOveratherin: „Sie sehen mich nicht wieder“ – wohl aber die Nachfolge-Richterin
Sie war und sie ist nicht auf Rosen gebettet, die junge Großmutter Martha G. aus Overath. Im April 2023 musste die inzwischen 45 Jahre alte Frau, die in Wirklichkeit anders heißt, bei der Bensberger Strafrichterin Birgit Brandes erscheinen. Vorgeworfen wurde der Reinigungskraft ein „gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr“: Martha G. habe am 25. April 2022 Mülltonnen auf der Landstraße vor ihrem Haus platziert, um etwaige Raser auf der bei Rasern beliebten Strecke auszubremsen.
Das Verfahren endete damals mit einer Einstellung: Martha G., die zur Tatzeit 2,9 Promille intus hatte, wurde nicht zu einer Strafe verurteilt, sondern sollte 350 Euro an die Tafel zahlen und auf diese Weise das Verfahren sanft beenden. „Das mache ich gerne“, stimmte die Angeklagte damals der Einstellung zu und versprach der Richterin: „Sie werden mich nie wieder sehen.“
2,9 Promille nach Geburts-Fest in Overath
Gelogen war das nicht, wissen wir heute, aber es war auch nicht die ganze Wahrheit. Denn während Richterin Brandes inzwischen im Ruhestand ist, zahlte Martha G., die ihren hohen Promillewert seinerzeit mit der Feier zur Geburt des Enkels erklärt hatte, die 350 Euro doch nicht - beziehungsweise nur zu einem geringen Teil, nämlich 100 Euro.
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Jedoch erlaubte die Justiz der Frau mit den vielen Tattoos und den schwierigen Finanzen, den Betrag stattdessen abzuarbeiten. Auch das klappte nicht, weil, wie Martha G. angab, die Sozial-Institution, die ihr Arbeit geben sollte, sie hängen ließ: Erst habe es am Telefon geheißen, der zuständige Mitarbeiter sei in Urlaub, danach dann: „Nein, so etwas machen wir doch schon lange nicht mehr.“
Wie auch immer: Martha zahlte nicht und sie arbeitete nicht, und darum gab es jetzt einen neuen Prozess. Für den war aber nicht mehr Ruheständlerin Brandes zuständig, sondern ihre Einzelrichterinnen-Nachfolgerin Miriam Kuschel – weswegen Martha G. mit dem Versprechen an Brandes, „Sie werden mich nie wieder sehen“ ja auch nicht ganz gelogen hatte.
Richterin Kuschel wies die Angeklagte gleichwohl darauf hin, dass das so nicht weitergehen könne: „Irgendwann machen wir uns hier lächerlich.“ Andererseits reichten die gerichtlichen Erkenntnisse für eine Verurteilung nicht aus: Der Anzeigenerstatter von 2022 war schon zu dem 2023er-Prozess nicht erschienen, und Martha G. räumte 2023 zwar ein, die Mülltonnen an die Straße gebracht zu haben.
Die Tatnacht in der Coronazeit
Mitten auf die Straße gelegt habe sie die Mülltonnen aber auch nicht. Die Polizei wiederum hatte in der Tatnacht 2022, mitten in der Corona-Zeit, den Sachverhalt nicht weiter vertiefend beschrieben. Jetzt noch einmal den Zeugen von 2022 zu laden, der schon 2023 nicht erschienen war – das musste es auch nicht unbedingt sein.
Also erneut Einstellung gegen Auflage, im Volksmund Buße? Martha G. schwor Stein und Bein, dass sie jetzt, wo sie wieder in Arbeit sei, die 350 Euro an die Tafel komplett zahlen werde - die hundert bereits gezahlten Euro vom ersten Mal sind für sie verfallen.
Nachdem es dann auch der Referendarin der Staatsanwaltschaft noch gelungen war, einen Entscheidungsbefugten ihrer Behörde zum Absegnen ans Telefon zu bekommen (was die Frage aufwirft, was man in Köln eigentlich unter „Bereitschaftsdienst“ versteht), war mit der Einstellung gegen Auflage alles klar und die Kuh vom Eis.
Die Angeklagte bedankte sich herzlich bei Richterin und Staatsanwältin. Und versprach, bevor sie ging, schmunzelnd: „Ich werde nie wieder Mülltonnen anfassen!“