Rhein-Berg – Erst Mitte Juni traf es Pendler in Rhein-Berg besonders hart: Die A 4 wurde wegen der Baustelleneinrichtung auf der Holzbachtalbrücke teils gesperrt; wer auf die Regionalbahn 25 auswich, musste in Overath aussteigen, weil die Gleise erneuert wurden – und selbst die Busse des Schienenersatzverkehrs mussten sich wegen einer Straßenbaustelle des Kreises bei Hoffnungsthal durch eine Wohnsiedlung zwängen.
Initiative von NRW-Verkehrsminister
Solche auf den ersten Blick anscheinend unkoordinierten Großbaustellen sollen künftig vermieden werden. So sieht es jedenfalls eine Initiative von NRW-Verkehrsminister Hendrik Wüst vor, der sich diese Woche neben dem Rheinisch-Bergischen Kreis 24 weitere Kreise und kreisfreie Städte angeschlossen haben und in die auch die Deutsche Bahn und der Landesbetrieb Straßen NRW integriert werden sollen.
Konkret sollen künftig alle Beteiligten ihre Baustellen inklusive voraussichtlicher Bauzeiten auf einer vom Land erstellten Austauschplanplattform namens „Traffic Information Centre“ (TIC) eintragen.
Dort sollen sie sich auch über mögliche konkurrierende Baustellen anderer Straßenbaulastträger oder der Bahn informieren können, um eigene Planungen darauf abzustimmen, wie der rheinisch-bergische Abgeordnete und Vize-Fraktionschef der CDU im Landtag, Rainer Deppe, erläuterte. Die Bahn habe dabei mit zwei Jahren wegen auch zu ändernder Fahrpläne in der Regel die längste Vorlaufzeit.
Oberbergischer Kreis macht bald auch mit
„Wir haben uns vorgenommen, unsere Baustellen soweit wie möglich aufeinander abzustimmen, damit bei so vielen Baustellen nicht alle Strecken gleichzeitig gesperrt werden“, begründet Landrat Stephan Santelmann den Beitritt des Rheinisch-Bergischen Kreises zur Austauschplanplattform TIC.
Kommentar
Guido Wagner zur Koordination von Baustellen
Die Verheißung klingt gut: Weniger Staus durch besser abgestimmte Baustellenplanung. Ob der Verkehr allerdings tatsächlich künftig besser fließt und nicht durch Doppel- und Dreifachbaustellen auf ein und derselben Pendlerroute ausgebremst wird, hängt allein davon ab, ob die Beteiligten sich einigen können – und ob solch eine Einigung überhaupt allein in ihrer Macht steht.
Sicher, NRW-Verkehrsminister Wüst soll bereits angekündigt haben, notfalls den Schiedsrichter zu spielen. Das allein aber dürfte nicht reichen, wenn nicht die fehlende Abstimmung, sondern schlicht das Problem, Bau- und Fachfirmen zu bekommen, dazu führt, dass Baustellen etwa auf Schiene und paralleler Autobahn zeitgleich anberaumt werden. So soll es nach Auskunft der Beteiligten ja auch im Juni in Rhein-Berg der Fall gewesen sein.
Dass dann ebenfalls der Verkehrsminister mit der Trillerpfeife eingreift, ist unwahrscheinlich. Schwer vorstellbar auch, dass vielerorts heiß begehrte Bau- und Spezialfirmen nach der Pfeife einer landesweiten Baustellenplanung tanzen werden. Insofern muss sich auch die neue Einigkeit einiger Kreise und Städte im Land erst einmal in der Praxis bewähren – und tatsächlich Baustellenkollisionen vermeiden.
Und was ist, wenn sich die Beteiligten bei der Koordination ihrer Baustellen nicht einig werden? Im Zweifelsfall, so habe Verkehrsminister Wüst angekündigt, werde sein Ministerium entscheiden, so Deppe auf Nachfrage. In jedem Fall sei auch die Verkehrsleitzentrale des Landes in Leverkusen beteiligt und werde versuchen, bei Problemen zu vermitteln.
„Für uns in der Region ist die Abstimmung mit den Nachbarn unverzichtbar“, so Landrat Santelmann. „Deshalb bin ich froh, dass auch Köln, Leverkusen, der Rhein-Sieg-Kreis und demnächst der Oberbergische Kreis mitmachen.“„Wer viel baut, muss das möglichst koordiniert tun“, sagte Verkehrsminister Hendrik Wüst bei der Unterzeichnung der gemeinsamen Erklärung. Und viel bauen möchte das Land.
Plattform hilft mindestens bei der Umleitung
Für die Sanierung und für den Ausbau der Infrastruktur würden in Nordrhein-Westfalen über ein Jahrzehnt mindestens 50 Milliarden Euro bereitgestellt, so Landtagsabgeordneter Deppe. Dabei fließe das Geld sowohl in den Ausbau der Schienenstrecken als auch in die Sanierung von Straßen. Hinzu kämen dann noch Bauarbeiten auf kommunalen Verkehrswegen und kommunalen Straßenbahnstrecken, so Deppe.
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Bislang allerdings ist lediglich die Hälfte der Kreise und kreisfreien Städte in Nordrhein-Westfalen dem neuen Absprache-Bündnis beigetreten. Und ob die neue Plattform auch bei einer Baustellen-Ballung wie im Juni in Rhein-Berg helfen wird, bleibt abzuwarten. Denn damals lautete die offizielle Erklärung der Beteiligten, warum die Baustellen parallel stattfanden, vom Tenor nicht „Wir haben voneinander nicht gewusst.“ Vielmehr verwiesen die Bauherren darauf, dass man Bau- und Fachfirmen nur zu dieser Zeit bekommen habe.
Unmögliches könne natürlich auch die neue Plattform nicht lösen, sagt Rainer Deppe auf Nachfrage. Zumindest helfe sie dann aber bei der Umleitungsplanung. Obendrein setzen die Beteiligten auf die unterzeichnete gemeinsame Absichtserklärung („Letter of Intent“): „Alle gemeinsam wollen dafür sorgen, dass der Verkehr weiter fließt und die Beeinträchtigungen für die Pendler so gering wie möglich gehalten werden“, so Deppe.