Bedburg – Der Bedburger Stadtrat hat den städtebaulichen Vertrag zur Bebauung des Zuckerfabrikgeländes beschlossen. Nach einer langen, emotionalen Sitzung ergab eine von den Grünen beantragte geheime Wahl 19 Stimmen für den Beschluss und 18 dagegen. Damit kommt der neue Bedburger Stadtteil, inklusive des zehngeschossigen Hochhauses, über das in den vergangenen Monaten hitzige Diskussionen geführt wurden. Die CDU hatte zu Beginn der rund fünfeinhalbstündigen Sitzung noch beantragt, den Beschluss von der Tagesordnung zu nehmen.
Und nicht nur in der Politik polarisierte das Thema, das zeigte die hohe Bürgerbeteiligung an der Sitzung. Rund 200 Bedburger waren gekommen, um sich die Ausführungen des Bürgermeisters, der Fraktionen, des Architekten, des Gutachters, von RWE und des Investors anzuhören. Aber auch, um eigene Einschätzungen abzugeben und Fragen zu stellen. Dafür hatte Bürgermeister Sascha Solbach die Sitzung eigens unterbrochen.
Das Projekt
Auf dem Zuckerfabrikgelände, auf rund 226 000 Quadratmetern, sollen demnächst in Ein- und Mehrfamilienhäusern bis zu 3000 neue Bedburger wohnen. Außerdem sind ein Hotel mit etwa 140 Zimmern, eine Kindertagesstätte, ein neues Gebäude für die Wilhelm-Busch-Grundschule, mehrere Nahversorger und ein Hochhaus, das die Silhouette des neuen Stadtteils prägen soll, geplant. Der Entwurf kommt vom Kölner Stadtplanungsprofessor Johannes Kister. Investor ist Sybac-Solar. Im Frühjahr soll es losgehen.
Das Hochhaus: Zunächst war von 13 Stockwerken die Rede. CDU, Grüne und FDP wollten sechs, jetzt sollen es zehn Etagen werden. Das hatte die Verwaltung am Sitzungstag noch im Vertrag festgesetzt. Man sei grundsätzlich für die Entwicklung des Stadtteils, betonten die drei Fraktionen. Aber man bemängele, dass keine Alternative zum Hochhaus zur Abstimmung gestellt wurde. Sascha Solbach betonte, und da pflichtete ihm der Architekt bei, dass der Trend zu weniger Flächenverbrauch gehe, also zu höherem Bauen.
Weitere Bedenken
Der Boden auf dem Grundstück enthält sehr viel Humus. Das bedeutet, eine Gründung, also Fundamente zu errichten, erweist sich als komplizierter. Trotzdem sei das beherrschbar, sagte der Gutachter. In sechs bis elf Metern Tiefe sei der Grund tragfähig. Der Investor sagte, man rechne damit, rund 300 000 Kubikmeter Bodenreich für die Bebauung von rund 90 000 Quadratmetern ausheben zu müssen. Der Aushub soll mit Förderbändern und nicht mit Lkw abtransportiert werden, unter anderem auf Flächen, die der Investor dafür gekauft hat. Markus Poths, Leiter Bergschäden bei RWE Power, erhob keinerlei Bedenken. Aus dem Publikum waren jedoch Stimmen zu hören, die meinten, dass eine so tiefe Gründung enorme Kosten für private Bauherrn verursachen würde. Der Gutachter widersprach dem.
Sascha Solbach nutzte den Anfang der Sitzung, um die Geschichte hinter dem Projekt zu erklären und dafür zu werben. Diese 22,5 Hektar Industriebrache seien eine große Chance für einen nicht genutzten Teil der Innenstadt. „Das kann ein Stadtteil der Zukunft werden“, sagte er. Es solle kein „Schlaf-Viertel“ werden. Solbach erklärte, dass es Überlegungen gebe, einen autonom fahrenden Bus für den Nahverkehr einzusetzen. Das neue Stadtviertel werde sich zu einem hohen Teil selbst mit Energie versorgen, 15 Prozent der Wohnungen würden öffentlich gefördert.
Die Bürger
Durchaus gemischt war das Echo aus der Bürgerschaft. Während sich anfangs mehr Befürworter des Projekts zu Wort meldeten, waren gegen Ende mehr kritische Stimmen zu hören. „Zukunft? Ja, bitte“, sagte eine Einwohnerin dringlich. Ein anderer Bürger dagegen fürchtete, dass man durch das Bauen auf unsicherem Boden ein Problem für nachfolgende Generationen schaffen würde. Ein kleineres Baugebiet hätte ausgereicht. Außerdem kam die Frage nach einem Ärztehaus auf, schließlich sollen dort einmal 3000 Menschen leben. Der Investor teilte mit, dass er bereits konkrete Anfragen von Ärzten hätte, die sich dort niederlassen wollten. Noch könne man dies aber nicht planen. Auch Parkplätze und der Naturschutz lagen einigen Anwohnern am Herzen.