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AufnahmenPolizisten schlagen auf Mann ein – So hat Bergheimer die mutmaßliche Prügelattacke erlebt

Lesezeit 5 Minuten
Ein Screenshot aus einem Video zeigt, wie zwei Polizisten gewaltsam gegen einen Mann vorgehen.

Ein Video, das in sozialen Netzwerken kursiert, zeigt offenbar einen Angriff von zwei Polizisten auf einen Mann im Wohnpark Zieverich. Der Vorfall soll sich bereits im Dezember zugetragen haben.

Ein Handyvideo zeigt, wie zwei Polizisten gewaltsam gegen einen 40-jährigen Bergheimer vorgehen. Der Mann will sich einen Anwalt nehmen.

Marcel Vogler kann immer noch nicht fassen, was ihm am Tag vor Heiligabend zugestoßen ist. „Ich bin schockiert, so was habe ich noch nicht erlebt“, sagt der 40-jährige Bergheimer. Vogler wurde vor seiner Haustür im Wohnpark Zieverich offenbar von zwei Polizeibeamten massiv angegangen – das zeigt ein aus der Entfernung aufgenommenes Handyvideo, das derzeit in sozialen Netzwerken kursiert.

An jenem 23. Dezember hatte Vogler Streit mit seiner Frau. „Sie hat mich nicht in unsere Wohnung gelassen“, berichtet der Bergheimer. Er sei vor dem Haus laut geworden, irgendjemand habe die Polizei gerufen. „Die beiden Polizisten haben einen Platzverweis gegen mich ausgesprochen. Dem bin ich aber nicht gefolgt.“ Daraufhin seien die Beamten sofort und ohne Vorwarnung gewalttätig geworden.

Bergheim: Video zeigt, wie ein Polizist mit einer Dose auf den Kopf schlägt

Einer der beiden Polizisten schlägt mit einem Schlagstock gegen Voglers Beine, dann verpasst er ihm zwei Tritte, worauf der 40-Jährige zu Boden geht und in ein Fahrrad fällt. Der andere Polizist, mit Mütze, wirft Voglers Rucksack weg.

Der Polizist mit dem Schlagstock zieht Vogler wieder hoch, doch bevor der Mann richtig wieder auf die Beine kommt, setzt es wieder Hiebe mit dem Schlagstock. Der Polizist mit der Mütze wiederum schlägt mindestens zweimal mit einem Gegenstand auf Voglers Kopf, mutmaßlich mit einer Pfefferspraydose – bis sich das unter Druck stehende Gefäß entlädt.

Ein Mann steht vor einem modernen Gebäude.

Von seiner Wohnung aus hat Marcel Vogler einen Blick auf die neue Polizeizentrale, in der auch die Bergheimer Wache und die Gewahrsamszelle untergebracht sind, in der er eine Nacht verbringen musste.

Nun endet die Gewalt, denn offenbar gerät Pfefferspray auch in das Gesicht eines Polizisten. Vogler wird mit auf die nur rund hundert Meter entfernte Polizeiwache genommen, wo er die Nacht in der Gewahrsamszelle verbringen muss. „Ich kann mich nicht erinnern, ob ich noch im Krankenhaus war“, sagt Vogler. Am Morgen danach habe er aber noch Probleme mit Pfefferspray gehabt.

Vogler selbst verhält sich während der gesamten Aufnahme, die knapp eine halbe Minute dauert, defensiv und streckt die Arme von sich. Selbst als ihm gegen den Kopf geschlagen wird, bleibt der Mann nahezu reglos. Er zeigt keinerlei Gegenwehr. Was die Beamten und auch Vogler nicht wissen: Offenbar filmt ein Anwohner den Vorfall.

Das Bild ist ein Screenshot auf einem Video und zeigt einen Mann am Boden sowie zwei Polizeibeamte.

Auf dem Video ist zu erkennen, dass Marcel Vogler auf dem Boden liegt und zwei Polizeibeamte auf ihn einschlagen.

Von der Polizei hat Vogler nach eigenen Angaben danach nichts mehr gehört, lediglich einen Brief habe er bekommen. „Ich soll mich am 13. Januar wegen des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte auf der Wache äußern“, sagt Vogler. An dem Tag könne er aber nicht, sondern müsse als Produktionshelfer bei einer Firma in Paffendorf arbeiten. Er selbst sei nicht zu einem Arzt gegangen und habe auch noch keine Anzeige erstattet, werde sich aber einen Anwalt nehmen.

Marcel Vogler erlitt nach eigenen Angaben eine Platzwunde und Blutergüsse. Die Platzwunde ist noch immer auf seiner Stirn zu sehen.

Marcel Vogler erlitt nach eigenen Angaben eine Platzwunde und Blutergüsse. Die Platzwunde ist noch immer auf seiner Stirn zu sehen.

Vogler räumt ein, schon öfter Kontakt mit der Polizei gehabt zu haben. „Ich war früher Alkoholiker, da gab es schon mal Probleme“, sagt er. Einen solchen Ausbruch von Gewalt habe er aber noch nicht erlebt.

Die Beamten, schreiben in ihrem Einsatzbericht unter anderem von Widerstandshandlungen des mutmaßlich betrunkenen Bergheimers. Auch der an dem Tag diensthabenden Richterin werden Widerstandshandlungen geschildert. Der Mann kommt schließlich in die Gewahrsamszelle und muss die Nacht über dort bleiben, bevor er am Heiligabend um 6 Uhr die Polizeiwache wieder verlassen kann.

Ein Mann steht bei Schneefall vor einem Hauseingang.

Marcel Vogler aus Bergheim-Zieverich wurde vor seiner Haustür Opfer von Polizeigewalt. Vor diesem Hauseingang im Wohnpark Zieverich soll sich der Vorfall zugetragen haben.

Als das Video nach dem Vorfall zunächst im sozialen Netzwerk TikTok veröffentlicht wird, kommen Vorgesetzten und Kollegen der beiden Beamten offenbar Zweifel am Wahrheitsgehalt der Aussagen ihrer Kollegen. Schließlich stellen sie Strafanzeige gegen die beiden Polizisten, zudem wird ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Wie in solchen Fällen üblich, ermittelt nicht die betroffene Behörde. Der Fall wird an das Polizeipräsidium Köln abgegeben. Die Beamten des Kriminalkommissariats 32, die für Beamtendelikte zuständig ist, haben die Ermittlungen aufgenommen.

Der jüngere der beiden Polizisten soll der polizeilichen Alarmhundertschaft angehören. Diese Beamten erhalten eine spezielle Ausbildung im Umgang mit dem Schlagstock.

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) sagte auf Anfrage dieser Redaktion, das Video vom Polizeieinsatz aus Bergheim werfe ernste Fragen auf: „Wir prüfen das bis ins allerletzte Detail. Da geht es um Körperverletzung im Amt. Das ist keine Lappalie. Wir müssen aber die Ermittlungen abwarten. Grundsätzlich gilt: Durchsetzung von Recht und Ordnung muss verhältnismäßig sein. Das Vertrauen in die Sicherheitsbehörden basiert auf deren Integrität. Wenn Beamte im Dienst Fehler machen und überzogen Gewalt anwenden, hat das Konsequenzen. Dienstrechtlich und auch strafrechtlich.“

Thomas Stotzem, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei im Rhein-Erft-Kreis, erklärt auf Nachfrage zurückhaltend: „Hier handelt es sich um ein laufendes Verfahren, zu dem ich mich inhaltlich nicht äußern werde. Das Verfahren wird, wie in jedem anderen Fall auch, rechtsstaatlich geführt und am Ende wird man sehen, was die Ermittlungen ergeben.“

Landrat leitet disziplinarrechtliche Ermittlungen ein

„Um Neutralität und Transparenz sicherzustellen, hat die Polizei Köln die Ermittlungen in diesem Fall übernommen“, sagt Frank Rock, Landrat und Chef der Kreispolizeibehörde. „Neben der strafrechtlichen Prüfung des Sachverhalts habe ich zudem disziplinarrechtliche Ermittlungen eingeleitet.“ Die Polizei im Rhein-Erft-Kreis leiste tagtäglich hervorragende Arbeit. „Sie agiert dabei mit großem Engagement und hoher Professionalität. Gerade deshalb ist es uns ein besonderes Anliegen, dass Vorfälle wie dieser gründlich und transparent aufgeklärt werden.“

Ähnlich argumentiert der CDU-Innenexperte Gregor Golland, stellvertretender Vorsitzender der NRW-Landtagsfraktion. Die Vorwürfe würden gründlich und unabhängig durch das Polizeipräsidium Köln beziehungsweise die Staatsanwaltschaft untersucht, sagt der Landespolitiker aus Brühl. Klar sei, dass es bei möglichem Fehlverhalten auch von Polizeibeamten zu entsprechenden Konsequenzen kommen müsse.