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Sechsjährige wog nur noch acht KiloProzess gegen Bergheimerin gestartet

Lesezeit 4 Minuten
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Die angeklagte Bergheimerin vor dem Landgericht in Köln

Bergheim – Am Montag (12. April) startete am Landgericht Köln der Prozess des Falls einer Bergheimerin, die ihre sechsjährige Tochter beinahe verhungern hat lassen.

Seit September 2020 sitzt Monika S. (24, alle Namen geändert) in Untersuchungshaft. Der Anfangsverdacht: versuchter Totschlag durch Unterlassen. Sie soll ihre Erstgeborene, die knapp sechsjährige Alina, fast verhungern lassen haben. Die Ermittler gingen zunächst davon aus, Monika S. habe Alina „durch Unterlassen gequält und durch böswillige Vernachlässigung ihrer Pflicht, für sie zu sorgen, in die Gefahr des Todes gebracht“.

Bergheim: Welche Rolle spielte das Jugendamt?

Die verwahrloste Sechsjährige wog gerade mal acht Kilogramm und war in ihrer körperlichen und geistigen Entwicklung auf dem Stand einer Zweijährigen. Zuletzt war das Kind so schwach, dass ihm beim Essen die Gabel aus der Hand fiel und es sich nicht mehr auf den Beinen halten konnte. Weitere Ermittlungen führten dazu, dass die Staatsanwaltschaft aus dem Vorwurf des Totschlags eine Anklage wegen versuchten Mordes machte. Der Staatsanwalt sieht das Mordmerkmal der Grausamkeit erfüllte.

Ab dem 12. April soll Monika S. der Prozess gemacht werden. Gehört werden insgesamt 45 Zeugen und Gutachter. Die Rolle des Jugendamtes wird in dem Prozess ebenfalls kritisch hinterfragt. Dass sich vor den Augen der Behörden, die schon früh involviert waren, ein derartiges Drama abspielen konnte, ist nach Überzeugung der Verteidigung „ein Unding“. Ähnlich sieht es offenbar auch die Staatsanwaltschaft. Die soll gegen die Verantwortlichen ein Verfahren wegen unterlassener Hilfeleistung eingeleitet haben.

Dem Jugendamt war die problematische Familie seit Jahren bekannt. Seit 2016 soll in den Akten immer wieder von „Gefährdungen des Kindeswohls“ die Rede gewesen sein.

Das Jugendamt bewilligte 2018 eine Familienhilfe, die zwei Jahre ins Haus kam. Dass Alina sich nicht altersgerecht entwickelte, noch bis zuletzt in die Windeln machte und zusehends verwahrloste, muss sich nach Aktenlage vor den Augen der Betreuer abgespielt haben.

Bei der Festnahme krabbelten Maden auf Essensresten

Bei der Festnahme der Mutter bot sich den Ermittlern ein schlimmes Bild. In der heruntergekommenen Wohnung stapelte sich schmutziges Geschirr neben Bergen von dreckiger Wäsche, in der Küche krabbelten auf Essensresten Maden, Spinnen und Schmeißfliegen. In jedem Zimmer, wie auch auf dem Gäste-WC lagen meterhohe Plastiksäcke mit Müll. Die Betten der Kinder wiesen Reste von Kot und Erbrochenem auf. Zwei Frettchen liefen frei in der Wohnung herum und waren die Ursache für durchdringenden Uringestank in den Räumen.

Zuletzt soll Monika S. 40 000 Euro Schulden angehäuft haben, weil ihr oft drogenaffiner Partner immer wieder auf ihren Namen Ware bestellt hatte: Handys, Tablets, Playstation, aber auch Erektionshilfen und Fitness-Geräte.

Bergheim: Tochter fehlte Hälfte der Zeit im Kindergarten

Die junge Mutter hatte Alina wie auch den Bruder im Kindergarten angemeldet. Doch eine Rückschau ergab, dass zumindest Alina mehr als die Hälfte der Zeit unentschuldigt gefehlt haben soll. Wiederholt sei Monika S. dem Kindergarten das Essensgeld schuldig geblieben. Die Einrichtung soll daraufhin beide Kinder für die Dauer von drei Monaten vom Mittagessen ausgeschlossen haben. Der Kinderarzt hatte in Alinas Krankenblatt die offensichtliche Unzuverlässigkeit der Mutter notiert.

Zuletzt soll Alina so körperlich zurückgeblieben sein, dass ihr die Kraft zum Laufen fehlte. Die Mutter gab an, dass sie die Tochter von einem Zimmer ins andere habe tragen müssen, weil sie sich nicht mehr auf den Beinen halten könne. Immer wieder sei das Kind hingefallen, in sich zusammengesackt.

Bergheimerin meldet Tochter im Kindergarten ab

Der Kindergarten hatte inzwischen angeregt, Alina in einen Förderkindergarten zu geben. Seit Anfang 2020 erhielt die Mutter, die von Hartz IV und Kindergeld lebte, zusätzlich 316 Euro Pflegegeld für Alina. Sie hatte für die Tochter einen Behindertenausweis beantragt und auch erhalten. Was sie nicht davon abgehalten haben soll, beim Amt für Alina eine Fremdunterbringung zu beantragen. Begründung: Sie fühle sich mit der Versorgung der Tochter überfordert.

Die Mutter hatte das Mädchen daraufhin im Kindergarten abgemeldet und in einer heilpädagogischen Fördereinrichtung einen Platz bekommen. Aber Alina tauchte dort erst gar nicht auf. Die Mitarbeiterin des Förderkindergartens hatte zwei Wochen nach dem unentschuldigten Fehlen beim Jugendamt Alarm geschlagen.

Bergheimerin fast verhungert: So geht es dem Kind heute

Sie hatte die Mutter zufällig beim Einkaufen getroffen und war misstrauisch geworden, weil Monika S. behauptet haben soll, Alina könne nicht mehr laufen und leide an Muskelschwund. Sie habe deshalb einen MRT-Termin für die Tochter in der Klinik vereinbart.

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Doch den Untersuchungstermin gab es nicht, ebenso wenig wie die Diagnose Muskelschwäche. Das Jugendamt hatte letztlich auf einen Termin beim Kinderarzt gedrängt, der Alinas lebensbedrohlichen Zustand sofort erkannte und das Mädchen von der Praxis mit dem Rettungswagen in die Kinderklinik bringen ließ.

Als Monika S. bei ihrer Festnahme erfuhr, dass man ihr das Sorgerecht entziehen werde, hatte sie als Erstes ihren Anwalt angerufen.

Alina soll es gesundheitlich inzwischen viel besser gehen. Das Kind soll jetzt in einer Pflegefamilie leben.