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„Es gibt keine kühlen Jahre mehr“Erftverband blickt zurück auf das Flut-Jahr

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Hochwasser Blessem 2

Foto ging um die Welt: Flut-Katastrophe im Juli 2020 in Erftstadt-Blessem.

Bergheim/Rhein-Erft-Kreis – So stark im Fokus der Öffentlichkeit wie im vergangenen Jahr 2021 stand der Erftverband wohl noch nie. Mitte Juli trat die Erft in verheerendem Ausmaß über die Ufer und zerstörte in ihrem Einzugsgebiet ganze Ortschaften. Im Erftstädter Ortsteil Blessem riss ein Krater ganze Häuser buchstäblich in den Abgrund. Dementsprechend nahmen die Flut und deren Folgen einen großen Teil des Jahresberichts ein, den Erftverbandvorstand Bernd Bucher und sein Stellvertreter und Bereichsleiter Abwassertechnik Heinrich Schäfer jetzt in der Erftverband-Zentrale in Bergheim vorstellten.

Dabei, so berichtete Bernd Bucher, sei das Jahr 2021, was den Niederschlag angehe, eigentlich „relativ normal“ gewesen, „wenn da nicht der Juli gewesen wäre“. Am 14. Juli fielen den Zahlen des Erftverbands zufolge mehr als 20 Prozent des gesamten Jahresniederschlags. Das laufende Jahr sei dagegen bisher relativ trocken. Bucher und Schäfer gingen in ihrem Vortrag auch auf die Klimaentwicklung ein. „Es ist deutlich zu warm im Vergleich zum Zeitraum von 1960 bis 1990“, sagte Bucher. Die Durchschnittstemperatur lag mit 10,6 Grad etwa ein halbes Grad über dem Mittel von 1960 bis 1991.

Grundwasserspiegel bei Bedburg und Bergheim erst in Jahrzehnten wieder normal

Es gebe keine kühlen Jahre mehr, was Konsequenzen für die Wasserwirtschaft habe. Denn nicht nur fehlender Regen, sondern auch hohe Verdunstung durch hohe Temperaturen sorgten für trockene Böden. Auch die Neubildung von Grundwasser sei rückläufig im Vergleich zu den vorigen Jahrzehnten, besonders zu den 1980er-Jahre. Die Neubildung 2021 befand sich wieder im Durchschnitt. Erst wenn der Tagebausee in Jahrzehnten gefüllt sei, werde sich der Grundwasserspiegel bei Bedburg und Bergheim normalisiert haben, schätzt Bucher.

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Stand jetzt hatte der Erftverband an 104 Stellen in seinem Einzugsgebiet Flutschäden zu beseitigen, besonders an Stellen hinter Brücken und Durchlässen, wie die Vorstände erklärten. Erledigt seien davon 87, neun in Arbeit, sechs geplant, eine beauftragt und eine weitere bei Gelegenheit zu erledigen.

Erftverband will Anlagen auf den neusten Stand bringen

Der Erftverband will die Reparaturen nutzen, um Anlagen wieder auf den neusten Stand zu bringen. Technik, Material, Elektronik und noch mehr sollen modernisiert und aktualisiert werden. Pumpen sollen verbessert und Anlagen, die im Keller lagen und deshalb beschädigt worden seien, sollen nicht erneut in den Keller gebaut werden. „Wir werden das gründlich machen, auch wenn es dann etwas länger dauert.“ Finanziert wird das alles von der Versicherung und der Wiederaufbauhilfe, so Bucher.

Phosphor aus Klärmschlamm

Bei der Abwasserreinigung fällt Klärschlamm an, den der Erftverband derzeit noch in den Kohlekraftwerken von RWE verbrennt. Darin enthalten ist Phosphor, ein endlicher Rohstoff. Um ab 2029 Phosphor aus dem Klärschlamm zurückzugewinnen, muss die Asche des Schlamms alleine verbrannt werden, in einer sogenannten Monoklärschlammverbrennung. Um eine solche Anlage zu bauen, haben der Erftverband und der Wasserverband Eifel-Rur jetzt die Klärschlammkooperation Rheinland gegründet. Beide Verbände haben allerdings keinen eigenen Standort, um die Klärschlämme von etwa 70 Anlagen zu entsorgen. Deshalb läuft eine Ausschreibung für einen Partner, der Erfahrung und ein entsprechendes Grundstück hat und die Anlage später betreiben soll. (nip)

Um in Zukunft besser vor Hochwasser geschützt zu sein, sollen zusätzliche Retentionsräume, also Flächen und Becken, in die das Wasser ausweichen kann, geschaffen werden. „Der Mensch hat sich in der Vergangenheit immer weiter in den Fluss gebaut“, beklagt Bucher. Es gebe zu wenige natürliche Retentionsflächen. Der Erftverband will deshalb darauf achten, bei der Renaturierung der Erft dem Fluss mehr Platz zu geben. Ende Mai hat der Verband bei der Bezirksregierung Köln einen entsprechenden Antrag für die Erft in Bergheim-Glesch eingereicht. Ein 900 Meter langes Stück der Erft soll naturnah gestaltet werden. Das ehemals begradigte Flussstück soll in Mäandern verlaufen und so ein natürliches Überschwemmungsgebiet für rund 85 000 Kubikmeter Wasser erhalten. Mehr als fünf Kilometer neue Erft sollen durch Renaturierung bei Gymnich entstehen.

Hochwasserkooperation mit Kerpen und Erftstadt

Der Erftverband als Koordinator hat mit zahlreichen Kommunen eine Hochwasserkooperation gegründet. Unter anderem mit den Städten Erftstadt und Kerpen soll in zwei bis drei Jahren ein interkommunales Hochwasserkonzept entwickelt werden. Auch die Stadt Bergheim wolle beitreten, so Bucher, der betont, dass das Konzept immer wieder aktualisiert werden müsse.

Der vorgezogene Kohleausstieg und der Strukturwandel beeinflussen die Arbeit des Erftverbandes ebenfalls. „Wasserwirtschaftliche Maßnahmen sind die Voraussetzung für den Strukturwandel“, so Bucher und meint damit unter anderem die frühzeitige Verfüllung der Restseen zum Beispiel durch eine Rheinwasserleitung, die Umgestaltung und Renaturierung der Erft und den Ausbau der Abwasserinfrastruktur. Einen Appell an die Politik, Planungs- und Genehmigungsverfahren zu beschleunigen, schickten Bucher und Schäfer ihren Ausführungen gleich hinterher.

Erftverband will Kläranlagen stilllegen

Der Erftverband arbeitet zudem weiter an der Stilllegung von weiteren Kläranlagen, unter anderem aus wirtschaftlichen Gründen, wie Heinrich Schäfer erklärte. Bis Ende des Jahres will der Verband noch 29 von einst 41 Anlagen betreiben, irgendwann sollen es nur noch 20 sein. 41 Prozent des Stroms für die eigenen Kläranlagen erzeuge man selbst, so der Erftverband. Vor allem durch Biogas.

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Das Gas, das in sogenannten Faulbehältern entsteht, wird in Blockheizkraftwerken verstromt. Er soll aber noch mehr werden, auch der Ausbau von Photovoltaikanlagen soll vorangetrieben werden, damit der Verband möglichst wenig Strom zukaufen müsse. Auch ein eigenes Windrad schwebt Bucher und Schäfer vor. Allerdings schreibe der Gesetzgeber vor, dass 50 Prozent des mit dem Windrad erzeugten Stroms an der eigenen Anlage verbraucht werden müssen. Ein Windrad erzeugt allerdings so viel Strom, dass man die 50 Prozent derzeit gar nicht an einer Kläranlage verwenden könnte, so die Vorstände.