Erftstadt – Gut acht Monate nach der Flutkatastrophe sind die Schäden an der Köttinger Kläranlage, die der Erftverband betreibt, immer noch deutlich zu sehen. Vor allem läuft sie bis heute „im Handbetrieb“, vieles, was eigentlich digital gesteuert oder überwacht wird, müssen die Mitarbeiter erledigen.
Betriebsleiter Sebastian Kordel nimmt es mit Humor: „Gegen Cyber-Angriffe sind wir derzeit gut gesichert.“ Das Wichtigste ist, dass die Kläranlage wieder funktioniert, und das habe sie bereits eine Woche nach der Katastrophe wieder getan.
Bei der Flut fuhr sich der Lastwagen fest
Hermann Müller war einer der beiden Mitarbeiter auf der Kläranlage, die mitten drin waren am 15. Juli. Sie waren im Keller eines Gebäudes, als das Wasser durch das Haupttor der Anlage schoss. Rasend schnell sei es gestiegen, erinnert Müller sich. Sein Kollege und er konnten sich retten vor der Flutwelle, die eine solche Kraft hatte, dass sie stählerne Brandschutztüren knickte und Fenster zu Bruch gehen ließ.
Bis heute sind die Spuren auf der Wiese zu sehen, über die die beiden Männer mit einem Lastwagen flüchteten. Trotz Allrad und grobstolligen Reifen fuhren sie sich fest. Sie schnitten den Zaun auf, ein anderer Lastwagen zog sie aus dem Schlamm. „Man ist voller Adrenalin und funktioniert einfach“, beschreibt Müller seine Gefühlslage auch in den Tagen danach.
Keller der Kläranlage in Erftstadt immer noch verwüstet
Von der Kraft des Wassers zeugen Container, die im Gebüsch liegen. Jeder ist fast sieben Tonnen schwer, wie Schiffe waren sie auf dem Wasser über das Gelände der Kläranlage getrieben. Gefüllte Kunststofftanks – IBC genannt –, die jeweils 1000 Liter fassen, hatte die Flut auf der Räumerbrücke abgesetzt. Das ist jener Teil, der sich über den runden Becken dreht.
Der Keller sieht immer noch verwüstet aus. Die gesamte Maschinen- und Elektrotechnik wurde zerstört. Ein verwirrendes Netz an Kabelsträngen, vom Wasser ruiniert, verläuft unter Bodenplatten, die zum Teil herausgenommen sind. Immerhin wird der unterirdische Teil des Gebäudes wieder hergerichtet, die Elektrotechnik wird hochwassersicher oberirdisch neu installiert. Büros und Aufenthaltsräume der Mitarbeiter sind zur Zeit in Containern untergebracht.
Ölfilm musste abgesaugt werden
Das Betriebsgebäude wird in den kommenden Jahren neu gebaut. Auch die gesamte Dokumentation des Betriebs sei verloren gegangen, berichtet Diplom-Ingenieur Günter Breuer, Fachbereichsleiter Abwasser beim Erftverband: „Alles, was aus Papier war, hat das Wasser vernichtet. Zum Glück sind wir seit Jahren bereits digital gut aufgestellt.“Mit Kordel führt er zu den Speicherbecken am Zulauf der Kläranlage. Sie fassen 25 000 Kubikmeter. Die drei Becken seien auch Tage nach der Katastrophe randvoll gewesen, berichtet Breuer. Eines war mit einem Ölfilm bedeckt, der abgesaugt werden musste.
Die Stromversorgung hatte einen Totalschaden erlitten, das Technische Hilfswerk rückte schon am zweiten Tag nach der Flut mit einem Notstromaggregat an, sodass den mechanische Teil der Kläranlage wieder genutzt werden konnte. Die biologische Klärung wurde eine Woche später mit Mikroorganismen aus anderen Anlagen „geimpft“, damit die Kleinstlebewesen wieder ihren Beitrag zur Reinigung des Wassers leisten können. Für 70 000 Anwohner ist die Kläranlage ausgelegt, rund 52 000 sind derzeit angeschlossen.
Noch immer ist vieles provisorisch hergerichtet. Leihaggregate produzieren den Strom, der über 400 Meter Kabelstränge auf der Anlage verteilt wird. Die Messtechnik wurde in einem Container untergebracht, dort wird sie auch bleiben. Jetzt wird geplant, wie die Kläranlage umgebaut wird, damit sie für künftige Hochwasser besser gerüstet ist.