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„Niemand glaubte daran“
Gründer-Familie über die harten Anfänge des Phantasialand

Lesezeit 5 Minuten
Historisches Foto vom Phantasialand von oben im Jahr der Eröffnung 1967.

Historisches Foto vom Phantasialand von oben im Jahr der Eröffnung 1967.

Freizeitparks wie das Phantasialand gab es damals noch nicht. Die Gründer-Familie erinnert an die Geburtsstunde.

Achterbahnen, die Rekorde brechen, ganze Themenwelten, in die man abtauchen kann, oder Übernachten in spektakulären Hotels: Das Phantasialand zählt heute zu den bekanntesten Freizeitparks in Europa. Über zwei Millionen Besucher strömen jedes Jahr auf das Gelände in Brühl im Rhein-Erft-Kreis.

Zahlen und Erfolge, von denen man in den Anfängen in den 1960er-Jahren wohl kaum zu träumen gewagt hätte. Eine der Gründer-Familien hat mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ über die Anfangszeit des Phantasialands gesprochen. Damals war der Freizeitpark nicht mehr als eine unklare Vision, die mit vielen Entbehrungen und auch viel Risiko verbunden war.

Nichte von Phantasialand-Gründer wurde quasi auf Reisen geboren

„Schon als Kleinkind, vielleicht mit vier oder fünf Jahren, da hab ich dann ein Läppchen bekommen und hab Pailletten aufnähen dürfen“, erinnert sich Nina Halberkann. Ihre inzwischen verstorbene Mutter war die Schwester von Phantasialand-Gründer Richard Schmidt. Auch ihre Eltern waren Artisten, reisende Schausteller, genau wie Schmidt und die andere Gründer-Familie um Gottlieb Löffelhardt.

Die heute 69-Jährige ist quasi auf Reisen im Wohnwagen geboren worden. Mit ihren Marionetten, die Richard Schmidt und dessen Ehefrau, aber auch seine Schwester und deren Mann damals frei vorführten, ist die Schaustellerfamilie durch ganz Deutschland getourt.

Phantasialand: Schon damals war die Familie zur Winterpause in Brühl

Die liebevoll gearbeiteten Puppen sorgten überall für Begeisterung. Sogar in den ganz großen Theatern Deutschlands, wie etwa dem Wintergarten Berlin, ist die Familie Schmidt damals aufgetreten. Nur im Winter musste die Schaustellerreise stillstehen, quasi ein wetterbedingter Zwangsstopp.

Richard Schmidt und seine Familie spielten in den ganz großen Theatern der damaligen Zeit.

Richard Schmidt und seine Familie spielten in den ganz großen Theatern der damaligen Zeit.

Obwohl die Familie eigentlich nicht aus dem Rheinland stammte, kam man in der Winterpause in Brühl zusammen. Richard Schmidt hatte hier damals schon ein Haus. Und im Keller hat die ganze Familie dann an neuen Marionetten und Bühnenbildern gearbeitet. Da wurde geschnitzt, genäht, gemalt, aber auch vorhandene Bestände überarbeitet und restauriert.

Winterpausen und die vielen Reisen setzten der Phantasialand-Familie zu

„Und ich war immer mit dabei und zwischendrin“, erzählt Nina Halberkann. Dass auch sie als Kind immer mithalf, war selbstverständlich. Vor allem an den Kostümen der großen Puppen zu arbeiten, zu nähen und zu sticken, das machte schon dem damaligen Mädchen unglaublich viel Spaß.

Richard Schmidt und seine Frau mit ihren Marionetten bei einer Vorstellung.

Richard Schmidt und seine Frau mit ihren Marionetten bei einer Vorstellung.

Doch die Zwangspause über den Winter bereitete der Schaustellerfamilie auch Sorgen und man war immer auf der Suche nach einem Engagement, trotz der Erfolge, die man während der Saison feierte.

Ein erstes Angebot, welches diese Zwangspause überbrücken sollte, waren Fernsehfilme. Eine Produktionsfirma war an Richard Schmidt herangetreten. Es war eine willkommene Möglichkeit, den riesigen Fundus an Marionetten und Bühnenbildern unterzubringen. In der Folge entstanden etliche Filme.

Der Visionär Richard Schmidt und die Geburtsstunde des Phantasialand

Auch die Eltern von Nina Halberkann waren an den Filmproduktionen beteiligt. Der eigentliche Visionär sei aber ihr Onkel gewesen, Richard Schmidt. Das zeigte sich auch wenig später, denn da sei Schmidt dann auf die Idee gekommen, einen Märchenpark zu bauen. Es war die Geburtsstunde des Phantasialand.

Der Gedanke war zu der damaligen Zeit völlig neu. Selbst der Märchenpark in Hellenthal oder der in Altenberg kamen erst später dazu. Aber für die Familie Schmidt war es die ideale Möglichkeit, nicht mehr auf Reisen gehen zu müssen und die leidigen Wintermonate ohne Engagements überbrücken zu können. Und für die vielen Puppen und Bühnenbilder sollte es eine Art festes Zuhause werden, wo die Öffentlichkeit sie immer sehen und bewundern konnte.

Die Anfänge vom Phantasialand habe ich hautnah miterlebt.
Nina Halberkann

„Die Anfänge vom Phantasialand habe ich hautnah miterlebt“, berichtet Nina Halberkann im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Elf Jahre muss sie damals etwa alt gewesen sein. Fast hört es sich an, als wäre die Schaustellerfamilie nach den langen Jahren des Reisens in Brühl zur Ruhe gekommen. Doch der Gedanke trügt. „Ruhe ist in dieser Familie nicht möglich“, erklärt Halberkann mit einem Lachen im Gesicht.

Denn „zur Ruhe kommen“, das sah laut der Nichte von Phantasialand-Gründer Richard Schmidt dann so aus: „1966 wurde das Gelände für das Phantasialand angepachtet – und dann wurde gebaut wie verrückt.“

Phantasialand bestand damals aus sieben Personen – „Wenn der Park erstmal läuft“

Alles in Eigenarbeit. Das Phantasialand bestand damals aus sieben Personen. Richard Schmidt und seine Frau, die Eltern von Nina Halberkann sowie ihr Bruder (der damals 16 Jahre alt war), Herr und Frau Bank sowie natürlich die andere Gründer-Familie Löffelhardt, also Herr und Frau Löffelhardt. Ansonsten habe man immer nur Aushilfskräfte wie einen Schreiner, Schlosser oder Installateur engagiert. Die seien aber nur gekommen, wenn sie wirklich gebraucht wurden.

„Und dann wurde gebaut, rund um die Uhr, dass das fertig wurde“, erinnert sich die heute 69-Jährige. Das geflügelte Wort während der Arbeiten sei immer gewesen: „Wenn der Park mal läuft, dann haben wir mal wieder Ruhe. Wenn der Park erstmal läuft, dann haben wir wieder Ruhe.“ Immer wieder sei das gekommen.

Die ersten Attraktionen im Phantasialand

Die Eröffnung muss im Mai 1967 gewesen sein. Damals beschränkte sich des Phantasialand auf das direkte Gebiet rund um den See (der heutige Mondsee oder Berggeistweiher). Da gab es den Märchenpark, eine Oldtimerbahn, die Westerneisenbahn. Auf dem See konnte man mit Tretbooten und Ruderbooten fahren. Und auf einem Platz gab es eine Freilichtbühne, wo Richard Schmidt und die Eltern von Nina Halberkann im ersten Jahr ihre Marionetten vorgeführt haben.

Zu den ersten Attraktionen im Phantasiaand gehörte auch ein klassisches Marionetten-Theater mit großer Bühne am Mondsee mitten im Freizeitpark.

Zu den ersten Attraktionen im Phantasiaand gehörte auch ein klassisches Marionetten-Theater mit großer Bühne am Mondsee mitten im Freizeitpark.

„Und dann lief der Park. Aber das haben die sich gar nicht vorgestellt, wie gut der lief!“, erklärt Nina Halberkann. Allein in der ersten Saison kamen Hunderttausende Leute. Alle wollten den Märchenpark Phantasialand sehen. Insgesamt 600.000 Gäste strömten in den Park in Brühl.

Niemand glaubte an das Phantasialand – Spott vom Bürgermeister

Mit einem solchen Andrang hatte niemand gerechnet. „Niemand glaubte daran“, erinnert sich Halberkann. Der damalige Bürgermeister von Brühl soll die Gründer Richard Schmidt und Gottlieb Löffelhardt bei der Eröffnung noch gewarnt haben, dass sie aufpassen sollten, nicht zu schnell wieder pleite zu gehen.

Auf so viele Gäste war das Phantasialand auch einfach nicht ausgelegt. Es gab kaum Parkplätze. Auf dem Gelände vor dem Freizeitpark kam es zu teils chaotischen Szenen. „Die haben hier alle auf der Bundesstraße 51 zwischen den Bäumen geparkt“, schildert Reiner Halberkann, der heutige Ehemann der Gründer-Nichte. „Und dann war hier ein Bauer, der Moritz, und der hat die ganzen Autos dann spontan auf seine Weideflächen gelassen. Das war ja alles nur Ackerland hier damals.“

Halberkann weiter: „Von jedem ’ne Mark fürs Parken. Also die waren natürlich begeistert. Der Bauernhof war im nächsten Jahr passé. Die haben dann nur noch mit Parkplätzen ihr Geld verdient. Auch heute noch. Alle Bäume kamen weg. Die haben einfach immer weiter nach unten hin Grundstücke gekauft.“