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Bunter ProtestMehr als zweitausend Menschen demonstrieren für Demokratie in Rhein-Erft

Lesezeit 6 Minuten
Auf dem Foto sind Demonstranten mit bunter Kleidung und Plakaten zu sehen.

In bunter Kleidung und mit kreativen Sprüchen auf den Plakaten zogen die Demonstranten für die Demokratie und Vielfalt durch Frechen. Mehrere Polizeifahrzeuge sicherten den Demonstrationszug von allen Seiten ab.

In Frechen, Kerpen und Erftstadt zogen die Teilnehmer zum Teil bunt kostümiert durch die Straßen.

Das Wochenende vor der Bundestagswahl nutzten mehr als zweitausend Demonstranten im Rhein-Erft-Kreis, um gegen rechtsextreme Politik und Rassismus auf die Straße zu gehen. In Kerpen, Frechen, Frechen-Königsdorf und Erftstadt setzten sich die Teilnehmer der unterschiedlichsten Gruppierungen bei ihren Protestzügen für eine bunte und vielfältige Demokratie ein.

In Kerpen zogen zwischen 500 und 750 Teilnehmer, je nach Schätzung von Polizei oder Veranstaltern, am Samstagmittag unter dem Motto „#niewiederistjetzt – Keine Nazis in den Bundestag!“ in einem 270 Meter langen Demonstrationszug von der Philipp-Schneider-Straße bis zum Stiftsplatz. Viele Demonstranten hatten sich entsprechend des von allen demokratischen Parteien Kerpens und vielen weiteren Organisationen unterstützten Aufrufs des „Kerpener Bündnis für Toleranz, Zusammenhalt und eine wehrhafte Demokratie“ kostümiert. Sie waren damit der Aufforderung der Veranstalter „Hauptsache laut, jeck und bunt. Jeder Jeck ist anders“ gefolgt.

Kerpen: Plakate griffen auch kreativ aktuelle Ereignisse auf

Etliche Teilnehmer führten selbstgefertigte Plakate mit. Die Botschaften formulierten kreativ die Angst vor dem Erstarken rechtsextremer Parteien und deren politischen Positionen, aber auch die Bereitschaft, sich gegen diese Entwicklung zu wehren.

Teils griffen die Botschaften aktuelle Ereignisse auf, insbesondere die Annahme des von der AfD unterstützten Antrags der CDU/CSU zur Verschärfung der Migrationspolitik im Bundestag. Ganz aktuell wurde mit Bezug auf die Münchner Sicherheitskonferenz und die dortige Rede des neuen amerikanischen Vizepräsidenten ein abgewandelter Slogan der 68er hervorgekramt: „Vance, go home.“

Kerpen: Anfeindungen in den Sozialen Medien

Thematisiert wurden von den Veranstaltern auch die Anschläge in München, Aschaffenburg und Magdeburg, denen am Stiftsplatz mit einer Schweigeminute gedacht wurde. Wie Anja Georg vom Veranstaltungsteam berichtete, sei das Kerpener Bündnis gerade nach dem Anschlag in München in den Sozialen Medien teils massiv angefeindet worden. Sie betonte daher, dass man gegen Rechts sein könne und trotzdem Gewalt und Terror zutiefst verachte. Die AfD würde solche Taten instrumentalisieren, ihre scheinbaren Lösungen funktionierten aber nicht.

Abgeschlossen wurde die Demonstration mit einer kurzen Kundgebung auf dem Stiftsplatz. Im Mittelpunkt standen dabei zwei Reden von vier Jugendlichen, Nico sowie Anna, Elias und Lukas, die selbst noch nicht wahlberechtigt sind, aber von den Erwachsenen forderten, Verantwortung auch für ihre Zukunft zu übernehmen. Sie beschrieben, wie die Verrohung des Diskurses auch in ihrem Alltag immer mehr von Hass, Hetze und Spaltung geprägt wird. Selbst unter Sechstklässlern komme es vor, Sätze zu sagen wie froh man sei, wenn jemand endlich abgeschoben werde. Das mache ihnen Angst. Stattdessen forderten sie, „sich dafür einzusetzen, dass wir gemeinsam eine Zukunft gestalten, die alle einbezieht, egal wer sie sind. Eine Zukunft, die sich unseren Problemen stellt und nicht einfach wegschaut“.

Auf dem Bild sind Teilnehmer der Demonstration und ein Junge an einem Mikrofon zu sehen.

Nico und andere Jugendliche berichteten über die Verrohung des Diskurses in ihrer Generation.

Angeregt durch die Aussagen berichtete Pia Wilms spontan von ihren Erfahrungen in der stationären Jugendhilfe. Viele Kinder und Jugendliche würden durch die Aussagen und Politik der AfD von der Angst geplagt, abgeschoben zu werden. Und das, obwohl sie in Deutschland geboren sind, die Sprache des Landes, aus dem ihre Eltern stammen, nicht sprechen und auch sonst keine familiären Verbindungen dorthin haben.

Mit kurzen Statements, warum man sich an der Demonstration beteiligt habe, endete die Veranstaltung. Mitglieder der türkischen Gemeinde am Stiftsplatz hatten die Kundgebung beobachtet und schenkten noch spontan Tee aus. Eine schöne Geste.

Auf dem Bild sind zwei ältere Damen in Regenbogenkostümen zu sehen.

Auch die „Omas gegen Rechts“ hatten sich in Kerpen dem Aufruf folgend kostümiert.

„Ich möchte mir einfach nicht vorstellen müssen, dass ich unter einer AfD geführten Regierung hätte arbeiten müssen, oder meine nachfolgenden Kollegen das irgendwann einmal tun müssen“, erklärte am Samstagmittag (15. Februar) Walter Kirch sein übergroßes Engagement für die bunte Vielfalt und die Demokratie in Frechen. Der pensionierte Polizeibeamte ist in Frechen ziemlich bekannt. Ihm eilt sogar der Ruf voraus, das demokratische Gewissen der Stadt Frechen zu sein.

Selbstverständlich war es für ihn auch, trotz seines 69. Geburtstags, den er am Samstag feierte, mit dabei zu sein. Eingeladen hatte das Frechener Bündnis für Demokratie und Vielfalt. Die Polizei schätzte die Teilnehmerzahl auf etwa 300 Menschen. „Vielleicht gelingt es uns ja so kurz vor den Wahlen noch, Menschen in die demokratische Mitte zu bekommen“, sagte Kirch.

Frechen: Die Demonstration begann mit einer Schweigeminute

Unter dem Motto: „Wir sind Bunt, nicht Braun“ hatten sich die Demonstranten teils in schrille Fabelwesen verwandelt. Viele trugen kreativ gestaltete bunte Hüte. Einige steckten aber auch in herrlich geschneiderten farbenfrohen Kostümen. Laut, pfeifend und singend zogen sie durch die Innenstadt. Die Demonstration begann allerdings mit einer Schweigeminute für alle Opfer von Gewalt. „Laut, jeck und bunt kommt erst danach“, erklärte wenige Minuten vor dem Abmarsch der Organisator der Veranstaltung, Kristian Katzmarek.

Mich treibt die pure Panik
Christina Kremer, Bergheimerin auf der Demo in Frechen

Ziel der Demonstration sei es, mit Freude und Zusammenhalt zu zeigen, dass Vielfalt die größte Stärke der Frechener Bevölkerung ist. „Mich treibt die pure Panik“, erklärte hingegen Christina Kremer (79) aus Bergheim. Auf gar keinen Fall wolle sie Nazis oder Faschisten in einer Regierung. Viel Lob erhielt die Künstlerin für Emaille-Kreationen für ihr selbst gestaltetes Plakat: „Wenn die AfD die Antwort ist, wie dumm war dann die Frage.“ Auf anderen Papptafeln standen Sprüche wie „Menschen Rechte statt Rechte Menschen“, und „habe Oma gefragt – war Scheiße damals!!“.

Auf dem Bild ist ein Demonstrationszug zu sehen.

Mehrere Polizeifahrzeuge sicherten den Demonstrationszug in Frechen von allen Seiten ab.

Mehrere Streifenwagen der Polizei schützten die Demonstranten von vorne und hinten und bei allen Straßenüberquerungen von allen Seiten ab. Auch in Königsdorf zogen Demonstranten an der Aachener Straße entlang.

Menschen tragen Fahnen und Plakate.

Die Teilnehmenden in Erftstadt hatten Plakate und Fahnen mitgebracht.

Der Marktplatz in Erftstadt-Lechenich war am Sonntag voll. Mehr als tausend Menschen waren zur überparteilichen Kundgebung „Erftstadt für Demokratie“ gekommen. Sie hielten bunte Plakate in die Höhe, mit Aufschriften wie „Waldorf gegen Rechts“ oder „No Brown in Erfttown“. Veranstalter Thommy Mewes, Bürgermeisterkandidat der Grünen, betonte: „Wir machen keine Veranstaltung gegen etwas, gegen Rechts, sondern wir machen eine Veranstaltung für etwas, nämlich für Demokratie. Denn das ist uns sehr wichtig.“

Erftstadt: Stephan Brings erzählte auf der Bühne von seinem Vater

Ein parteiübergreifendes Bündnis hatte zur Kundgebung aufgerufen. Neben Mewes komplettierten Andreas Zerres, stellvertretender Vorsitzender der CDU Erftstadt, und Ida Görlitz, Vorsitzende der Jusos Erftstadt das Organisationsteam. Die Organisatoren hatten alle Parteien, die im Erftstädter Stadtrat vertreten sind, eingeladen. Die hatten neben dem Lechenicher Rathaus jeweils einen Stand aufgebaut, an dem die Demonstrierenden mit ihnen sprechen konnten.

Thommy Mewes begrüßte die Anwesenden unter anderem mit den Worten „Demokratie lebt vom Tun, nicht nur vom Reden“. Er betonte zudem, dass in der Coronazeit die Positionen der Politik sehr deutlich gemacht worden seien, alle Parteien hätten sich ganz klar geäußert. Mewes erwarte, dass das jetzt auch geschehen müsse, wenn es um den Kampf gegen Rechtspopulismus gehe.

Ein Mann steht mit einer Gitarre auf einer Bühne.

Zu den Gästen zählte Stephan Brings der Band „Brings“.

Unter den Gästen war Stephan Brings, Bassist und Sänger der bekannten kölschen Rockband „Brings“. „Wir sind Brüder, wir sind Schwestern, ganz egal, wo wir sind“, sang er im ersten Song „Liebe gewinnt“, bei dem auch Teilnehmer der Kundgebung mitsangen. Genauso wie beim zweiten Stück „So lang mer noch am Lääve sin“.

Der Musiker nutzte seinen Auftritt aber auch, um von seinem Vater zu erzählen. Sein Vater sei Geschichtslehrer gewesen und habe ihm und seinen Brüdern immer erzählt, was es mit dem Nationalsozialismus auf sich hatte. Dabei wurde auch die Wut seines Vaters deutlich, der sagte: „Das hatten wir doch alles schon mal.“ Da müsse man intensiv gegen vorgehen und deshalb sei die Gruppe Brings sehr dahinterher, sich zu beteiligen und bei Benefizveranstaltungen mitzumachen.

Die Kundgebung, die für zweieinhalb Stunden vorgesehen war, hatte weitere Auftritte wie zum Beispiel die Sambagruppe Hot Stocks aus Erftstadt sowie die Gruppe Bree, Eva und Sudan.