Der Kalender des Blessemer Bürgerforums ist diesmal beinahe ein Buch. Betroffene der Hochwasserkatastrophe erzählen, wie es ihnen heute geht.
Bewegende GeschichtenErftstadt-Blessem erinnert mit neuem Kalender an die Flut
Dieser Kalender ist schon eher ein kleines Buch: Zwölf Geschichten über das Leben nach der Flut, dazu eine historische Abhandlung, da kommt die Publikation des Bürgerforums Blessem/Frauenthal auf 72 Seiten. Tatsächlich hatte das Team überlegt, ein zweites Buch herauszubringen.
Doch einerseits wäre der Erfolg des Bandes „Stadt. Sand. Fluss“ wohl kaum zu toppen gewesen, andererseits der Druck nicht zu bezahlen. Stattdessen nun also der zehnte Kalender des Bürgerforums. Natürlich wie immer zum Aufhängen, mit zwölf Fotos aus Blessem und den wichtigsten Terminen im Ort. Und mit bewegenden Geschichten.
Die Sicht hat sich verändert
Denn zweieinhalb Jahre nachdem das Hochwasser und die einstürzende Kiesgrube den kleinen Erftstädter Ort auf die Titelseiten der Weltpresse katapultiert hatte, ist zwar vieles saniert, erneuert, wiederaufgebaut, aber in den Herzen und Köpfen vieler Betroffener ist die Katastrophe noch lange nicht verarbeitet. Das Team hatte Fragen vorbereitet und Menschen angesprochen, die auch schon Geschichten für „Stadt. Sand. Fluss“ geliefert hatten.
Alles zum Thema Hochwasser, Überschwemmung und Flut
- Neue Hochleistungspumpe Oberbergs THW bietet dem Kreis Kooperation an
- Heftige Winde und Hochwasser Drei Menschen sterben bei schweren Unwettern in Großbritannien
- Grausamer Fund in Hamburg Fußgänger entdeckt Leiche ohne Kopf am Elbufer
- Markt der Engel Veranstalter spenden 3.000 Euro an „wir helfen“
- Neues Heim für die Akten Kaller Gemeindearchiv im Geschäftshaus Nord kann bezogen werden
- Dauerregen in der Region Bäche und Flüsse laufen in NRW über – Rheinpegel in Köln steigt
- „Wir haben ihn nicht hierher gebeten“ Nützlich oder nervig – Der Biber bekommt Gegenwind in Rhein-Berg
Zweieinhalb Jahre nach der Flut hat sich die Sicht auf manches verändert. Sie habe damals die falschen Dinge gerettet, bedauert Marlies Grosser. Mit dem Wissen von heute würde sie nicht Personalausweis und Versicherungsunterlagen mitnehmen – die kann man wiederbeschaffen. Für immer dahin sind aber Fotoalben und Briefe.
Wehmut klingt auch bei Gabi Becker mit, die schildert, wie sie aus dem Urlaub heimkehrt. Und merkt, dass etwas nicht wie früher ist: „Es riecht nicht nach zu Hause, nicht wie erwartet. Nicht nach dem Duft der alten Küche, dem Holz, der Familie.“
Anne Bär schildert Gefühle, die viele Flutopfer kennen: „Gewitter – das geht gar nicht für mein Nervenkostüm. Regen, viel Regen, Starkregen – solche Vorhersagen machen mir Angst. Hubschrauber am Himmel – das Geräusch ist voller Erinnerungen.Und über allem die groß Angst: Wird das noch mal passieren?“
Damit es nicht noch mal passiert, engagiert sich Rainer von Kempen in der Hochwasserinitiative Erftstadt. Sie will sicherstellen, dass das Wissen und die Erfahrungen der Bürger in die Planung des Hochwasserschutzes einfließen.
Kalender wird kostenlos verteilt
Die treuen Fans des Blessemer Kalenders – hier und in Frauenthal wird er kostenlos an alle Haushalte verteilt – finden neben den berührenden Flutgeschichten auch wieder eine Folge der Serie zur Geschichte Blessems. Albert Esser hat sich diesmal mit der Neuzeit, von 1500 bis 1800, in den beiden Orten beschäftigt. Wie immer ist diese Serie so platziert, dass man sie mühelos herausnehmen und mit den bisherigen Folgen abheften kann. So entsteht im Laufe der Jahre ein kleines Geschichtsbuch.
Erschienen ist der Kalender des Bürgerforums in einer Auflage von 1250 Stück. „Normalerweise lassen wir 750 drucken“, erzählt Karl Berger. Aber der Erfolg des Buches habe gezeigt, dass das Interesse an den Berichten der Flutbetroffenen groß sei. Kaufen kann man es im örtlichen Buchhandel für 3 Euro.
Im Frühjahr geht das Bürgerforum dann sein nächstes Projekt an: Blessem bekommt seinen eigenen Wein. Auf dem Gelände hinter der Burg, dort, wo vor der Katastrophe der Reitstall von Beate Schulz war, werden auf dem neu aufgeschütteten Grund Reben gesetzt. Auf 300 Quadratmetern würden 180 Weißburgunder-Rebstöcke eingepflanzt, erzählt Berger.
Jährlich abwechselnd sollen die Trauben zu Wein und zu Sekt verarbeitet werden. Hoffnungen auf feucht-fröhliche Dorffeste mit eigenem Wein in naher Zukunft dämpft Gottlieb Richardt allerdings: „Der Winzer aus Dernau, mit dem wir zusammenarbeiten, hat gesagt, dass wir frühestens in drei Jahren mit der ersten Lese rechnen können.“