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Aufarbeitung der FlutkatastropheIn Blessem funktionierte die Sirene nicht

Lesezeit 4 Minuten

Die Feuerwehr versuchte bei der Flut, auch in der überschwemmten Carl-Schurz-Straße in Liblar zu helfen.

Rhein-Erft-Kreis – Für die Aufarbeitung der Abläufe an den Katastrophentagen steht vor allem die Frage im Fokus, ob die Behörden früh genug informiert haben. Wie sollte die sogenannte Meldekette im Optimalfall funktionieren?

Hochwasser in Erftstadt: Wer steht am Anfang der Meldekette?

Laut Bundesamt für Katastrophenschutz meldete das European Flood Awareness System (Efas), das eine Art Erstmeldung versendet, am Samstag, 10. Juli, dass „ein Extremwetterereignis bevorsteht“.

Der Deutsche Wetterdienst (DWD), eine Bundesbehörde, verschickte deutschlandweit über das „Modulare Warnsystem“ (Mowas) zwischen Dienstag, 13. Juli, 0 Uhr, und Samstag, 17. Juli, 14 Uhr, 143 Warnmeldungen zur Unwetterlage – unter anderem an die Medien und auch an Warn-Apps wie Nina. Für den Rhein-Erft-Kreis hieß es am Mittwoch, 14. Juli, um 20.15 Uhr: „Im gesamten Rhein-Erft-Kreis kommt es aufgrund des Unwetter- und Starkregenereignisses zu einem massiv erhöhten Notruf- und Einsatzaufkommen.“

Hochwasser in Rhein-Erft: Wie ging es weiter?

Das Landesamt für Natur-, Umwelt- und Verbraucherschutz (Lanuv), das die Hochwasserlage einzuschätzen hat und auf Informationen des DWD sowie auf Daten von 99 Hochwasserpegeln zurückgreifen kann, informiert grundsätzlich die Bezirksregierung, die ihrerseits Kreise, Kommunen, Leitstellen, Katastrophenschutz und Rettungsdienst verständigt. Laut einem Bericht des Landesumweltministeriums waren die Angaben des DWD gegenüber dem Lanuv am Montag, 12., und Dienstag, 13. Juli, aber nicht präzise genug.

So habe der DWD den Regenzeitraum vor Mittwoch, 14. Juli, mit den Formulierungen „bis Donnerstag früh“ und „nächste 48 bis 60 Stunden“ beschrieben. Das Lanuv schloss daraus, dass der Regen über diesen Zeitraum verteilt fällt. „Damit war zwar ein Hochwasser wahrscheinlich, aber nicht das tatsächlich eingetretene Ereignis“, heißt es in dem Bericht.

Auch habe die Behörde Lanuv die Mitteilungen des DWD nicht so verstanden, dass ungewöhnlich viel Wasser in kurzer Zeit in „außergewöhnlich großer räumlicher Ausdehnung“ fallen würde. Deshalb ordnete sie die Lage anders ein. Eine frühere und eindringlichere Warnung sei auf Basis der DWD-Daten nicht möglich gewesen.

Wann wurde was gemeldet?

Das Landesumweltministerium stellt die Vorgänge wie folgt dar: Am Montag, 12. Juli, um 10.20 Uhr habe der DWD dem Lanuv erstmals „von heftigem und ergiebigem Regen für 25 Landkreise in NRW“ berichtet. Um 10.55 Uhr habe das Lanuv den Hochwasserinformationsdienst eingerichtet.

Einen ersten Lagebericht unter anderem an die Bezirksregierung mit Hinweisen des DWD habe die Behörde am Dienstag, 13. Juli, um 14.52 Uhr veröffentlicht. Darin sei vor Starkregen, Dauerniederschlägen, hohen Mengen und schnell steigenden Wasserständen gewarnt worden. Bis Montag, 19. Juli, folgten sechs weitere solcher Berichte.

Für Bliesheim verschickte die Bezirksregierung erstmals am Mittwoch, 14. Juli, um 19.02 Uhr eine Warnung, für Friesheim um 19.15 Uhr.

Wie reagierten der Rhein-Erft-Kreis und die Stadt Erftstadt?

Der Rhein-Erft-Kreis erklärte, dass bereits seit Anfang der besagten Woche im Rundfunk regelmäßig auf die Situation hingewiesen worden sei. Am Morgen des 15. Juli habe sich die Brisanz erhöht, weil der Erftverband den Kreis darüber informiert habe, in Horchheim drohe der Damm eines Regenrückhaltebeckens an der Erft zu brechen. Diese Nachricht ging an die Stadt Erftstadt weiter, die daraufhin die Evakuierung von Teilen der Stadt anordnete.

Die Erftstädter Feuerwehr war mit herausfordernden Situationen konfrontiert.

Um 8.50 Uhr alarmierte Mowas die Leitstelle wegen Überflutungsgefahren in Erftstadt-Blessem und Bliesheim. Eine Minute später sei laut Kreis in Bliesheim eine Sirenenwarnung ausgelöst worden, eine weitere um 10.16 Uhr in Blessem, Dirmerzheim und Gymnich. Eine Warnmeldung für den gesamten Rhein-Erft-Kreis hatte Mowas bereits um 10.03 Uhr herausgegeben. Kurz nach 13 Uhr rief der Kreis den Katastrophenfall aus.

Tags zuvor war laut der Erftstädter Bürgermeisterin Carolin Weitzel um 14.56 Uhr über die Kreisleitstelle erstmals eine Meldung bei der städtischen Feuerwehr eingegangen: „Unwetterlage – extrem ergiebiger Dauerregen.“ Daraufhin sei eine kommunale Koordinierungsstelle um 16.20 Uhr besetzt worden. Weil sich die Lage weiter verschlimmerte, sei um 17.55 Uhr der städtische Stab für außergewöhnliche Ereignisse (SAE) alarmiert worden.

Wann heulten die Sirenen in Erftstadt?

Alexander Kern, Leiter der Erftstädter Feuerwehr, erläutert, dass am Mittwoch, 14. Juli, um 19.26 Uhr Stadtalarm ausgelöst worden sei, um alle örtlichen Einsatzkräfte zu mobilisieren. Viele waren zu diesem Zeitpunkt längst mit den Folgen des Starkregens beschäftigt. „Zu diesem Zeitpunkt gab es noch überall Strom, die 24 Sirenen im Stadtgebiet wurden alle ausgelöst und haben nach bisherigen Erkenntnissen funktioniert“, berichtet Kern.

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Anders sah die Lage am Donnerstagmorgen aus. Als um 8.50 Uhr über die Kreisleitstelle Evakuierungsalarm für Blessem und Bliesheim ausgelöst wurde, blieben die Sirenen stumm, weil die Stromversorgung zusammengebrochen war. „Weder wir noch die Kreisleitstelle erhalten eine negative Rückmeldung, wenn die Sirenen nicht anspringen“, stellt Kern klar.

Zwar habe man auch die über die Warn-App Nina die Bevölkerung auf die Gefahrenlage hingewiesen, doch die fehlende Stromversorgung habe auch den Mobilfunkempfang beeinträchtigt. Für warnende Lautsprecherdurchsagen habe es an Einsatzfahrzeugen und Personal gefehlt. „Wir waren mit der Evakuierung des Altenzentrums und Marien-Hospitals in Frauenthal maximal ausgelastet“, betont Kern.