Hürth-Hermülheim – Das alte Bahnhofsgebäude verfällt seit Jahren, die Schienen sind längst demontiert, das frühere Gleisbett ist zugewuchert. Doch der Kölner Architekt und Projektentwickler Michael Zimmermann möchte die Bahnbrache aus dem Dornröschenschlaf wecken. Auf dem Gelände des ehemaligen Rangier- und Güterbahnhofs – insgesamt fast 100.000 Quadratmeter Fläche – soll innerhalb eines Jahrzehnts ein neues Stadtviertel mit Wohnungen und Gewerbe entstehen.
Mit mehreren Investoren hat die Häfen- und Güterverkehr AG Köln (HGK), der das Gelände gehört, in den vergangenen Jahren über einen Verkauf der langgestreckten Fläche verhandelt. Jetzt stehe ein Abschluss unmittelbar bevor, sagt Architekt Zimmermann, der mit der HGK schon zwei Projekte am Kölner Rheinauhafen realisiert hat.
Schwierige Insellage
Das Areal des Rangierbahnhofs Hermülheim liegt zwischen der Kölnstraße im Westen und der Thielstraße sowie den Stadtbahngleisen im Osten, es reicht von der Hans-Böckler-Straße im Norden bis zur Bonnstraße im Süden. Trotz seiner Größe und der zentralen Lage sei das Gebiet bislang „völlig außerhalb der Wahrnehmung“ gewesen, sagt Bürgermeister Dirk Breuer. Dabei böten sich dort große Entwicklungsperspektiven.
Ganz einfach werde die städtebauliche Entwicklung aber nicht, sagt Zimmermann. Das liege an dem Zuschnitt, aber auch die Verkehrserschließung sei eine Herausforderung, so der Projektentwickler; er verweist auf die „Insellage“. Durch die Größe erfordere die Fläche eine „ganzheitliche Planung“, meint Zimmermann: „Das muss ein lebendiges Stadtquartier werden mit vernünftigen Verbindungen zu den Nachbarquartieren.“
Umschlagplatz für die Chemie
Der Bahnhof Hermülheim war eng mit der Entwicklung der Chemie- und Braunkohleindustrie auf dem Knapsacker Hügel verknüpft und wurde ab 1906 gebaut. Bis in die 1940er-Jahre wuchs die Anlage auf 25 Gleise. Auf dem Güterbahnhof wurden die Produkte aus der Braunkohleveredelung sowie die Chemieprodukte des Kalkstickstoffwerks Knapsack, später Höchst AG, umgeschlagen.
Die Gleisanlage wurde später als zentraler Zugbildungs- und Empfangsbahnhof der Köln-Bonner Eisenbahn genutzt. Nach der Bahnreform 1994 kooperierte die Häfen- und Güterverkehr Köln AG (HGK) als Eigentümer mit der Deutschen Bahn. Seitdem werden die Züge für die HGK bereits in den Rangierbahnhöfen der Deutschen Bahn vorsortiert. Ab 1995 spielte der Rangierbahnhof keine Rolle mehr für die HGK.
Eine Zeit lang wurden auf den Gleisen noch Züge abgestellt. Mit dem Bau der Ortsumgehung B 265n wurde das Gelände des Güterbahnhofs 2016/17 durchschnitten. Seitdem liegt die Fläche brach. (aen)
Verlegung des Stadtbahnhofs in Planung
Laut ersten Entwürfen soll das neue Stadtviertel je zur Hälfte Wohnen und Gewerbe dienen. Vorgesehen sind 300 Wohnungen in Mehrfamilienhäusern, außerdem 50 Stadthäuser und viel Grün. Kita, Spielplatz, Gastronomie und ein Nahversorger werden mitgeplant. Auf eigene Autos sollen die Bewohner durch die Stadtbahnanbindung und Angebote wie Car-Sharing weitgehend verzichten können. Gewerbeansiedlungen sind im südlichen Teil geplant. Bürgermeister Breuer will das Quartier vor allem zum Bildungsstandort ausbauen. Zimmermann hat ein Gutachten in Auftrag gegeben, das bis zum Sommer die Chancen für die Ansiedlung einer Hochschule ausloten soll.
Im Zuge der Erschließung ist eine Verlegung des Stadtbahnhofs auf die nördliche Seite der Hans-Böckler-Straße geplant. Das alte Bahnhofsgebäude soll stehen bleiben und künftig für Gastronomie und als Veranstaltungsraum genutzt werden. In der Mitte des Quartiers wird eine Trasse für ein Stadtbahngleis nach Hürth-Mitte freigehalten.
Um den Weg für eine Entwicklung der Bahnbrache frei zu machen, hat der Planungsausschuss einstimmig die Aufstellung eines Bebauungsplans beschlossen. Bürgermeister Dirk Breuer betont, dass die Bürger intensiv an den Planungen beteiligt würden. Im Sommer sollen erste Vorentwürfe vorgestellt werden. Projektentwickler Zimmermann rechnet damit, dass Ende 2021 mit ersten Baumaßnahmen begonnen werden könne. Die gesamte Entwicklung werde zehn Jahre dauern.