Spaziergang mit Sven WelterWie in den alten Zeiten
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Hürth – Es ist ein Wiedersehen nach knapp zehn Jahren. Sven Welter, ein echt er „Hürther Junge“, staunt nicht schlecht, als er auf den Haupteingang des Ernst-Mach-Gymnasiums in Hermülheim zusteuert. „Hier hat früher immer ein großes Kunstwerk gehangen“, erinnert er sich. „Und dort“, er hebt seine dunkle Sonnenbrille an und zeigt auf eine hübsche kleine Bude, „ist ja ein Bio-Kiosk.“ Er lacht. „Au weia, ist das lange her.“
Der Sänger und Gitarrist der kölschen Band „Paveier“ führt uns heute durch sein Veedel, durch Hermülheim und Hürth-Mitte, was mit seinem Einkaufszentrum ja irgendwie als Zentrum von Hürth gilt. In dem Gymnasium an der Bonnstraße hat der sympathische 32-Jährige seine Karriere als Musiker begonnen.
Klassenbuch geholt
Mit lässigem T-Shirt und Flipflops an den Füßen läuft er ins Sekretariat. Kaum steckt er sein Gesicht durch die Tür, ertönt ein erfreutes Kreischen. Sekretärin Gisela Pohl hat den ehemaligen Schüler erspäht. „Sven, wie in alten Zeiten,“ ruft sie. Denn früher ist der Hürther regelmäßig zu ihr ins Sekretariat gekommen. Als Klassensprecher nämlich. „Ich musste immer das Klassenbuch holen“, sagt er.
Am Ernst-Mach-Gymnasium war Welter Frontmann der Schülerband „Quaser“, die sich schnell in die Rock’n’Rollband „Type of Sight“ verwandelte. Aus dem damaligen Schulleiter Volker Kanth konnte er mit einem Song die Benutzung eines Kellerraums als Proberaum herauskitzeln. „Er fragte mich, ob ich ihm etwas von Eric Clapton vorspielen könnte“, erinnert sich der Berufsmusiker. Er grinst. „Dann spielte ich auf meiner Akustikgitarre „Layla“, und wir hatten den Proberaum.“ Um den Raum regelmäßig benutzen zu dürfen, haben sich „Type of Sight“ bei jeder Schulveranstaltung um die Anlage gekümmert. „Auch an Karneval“, erinnert sich Welter. „Da haben wir uns um die Feier der Fünft- und Sechstklässler gekümmert, während unsere Freunde schon in Köln auf dem Alter Markt feierten.“
Das könnte Sven Welter heute nicht mehr passieren. Denn an Karneval herrscht in seinem Beruf Hochbetrieb. Die Paveier haben rund 350 Auftritte pro Jahr, alleine 200 in der Karnevalszeit.
Welter schlendert gut gelaunt den Hohlweg entlang. Als er eine Bushaltestelle passiert, fällt ihm ein besonderes Ereignis ein: „Als ich 18 Jahre alt war, habe ich zum ersten Mal eine Nummer im Radio gehört“, berichtet er. „Ich bin in den Stadtbus eingestiegen, da hat Radio Erft das Lied „Anna“ gespielt. Ich bin fast irre geworden.“
Sven Welter ist in Köln geboren, dann in Hermülheim und Alstädten aufgewachsen. Während seines Studiums (er hat in Düsseldorf sein Diplom in Marketing und Kommunikation gemacht) hat es ihn nach Viersen und Mönchengladbach verschlagen. 2007 ist er nach Alstädten zurückgekehrt, seit kurzem lebt er in Stotzheim. Von dort joggt er regelmäßig durch Sielsdorf bis zum Decksteiner Weiher und zurück. Fast zehn Kilometer hat er dann auf dem Tacho. Eine ordentliche Leistung für den fast zwei Meter großen Mann.
Bei unserem Spaziergang durch die Hürther City läuft Sven Welter die Treppe mit dem schiefen Geländer zum Bürgerhaus hinauf. Dort hatte er schon so einige Konzerte gegeben. Eigentlich möchte er ins Einkaufszentrum, um in seinem Lieblingscafé einen Kaffee zu trinken. Doch zwischen Bürger- und Rathaus stoppt er kurz. Denn Pressesprecher Willi Pütz stellt sich dem Sänger in den Weg und bestückt ihn mit Souvenirs der Stadt Hürth: mit einem Wandteller, einem Schal, einer Kaffeetasse. Welter: „Der Stadtverwaltung und vielen anderen Hürthern habe ich viel zu verdanken. Mit der Schulband hatten wir viele Auftritte in der Stadt, und wir sind wirklich von vielen Leuten gefördert worden.“
Vorbei an der Stadtverwaltung schlägt Welter den Weg zum Hürth-Park ein, durchquert die Arkaden und nimmt die Rolltreppe hinauf. Dort wartet Gerd Hermanns in der Café-Bar Lavazza. Der Paveier-Sänger und -gitarrist ist häufig hier. Er bestellt einen Espresso macchiato und eine Cola light. Vor knapp dreieinhalb Jahren hatte der Hürther an dieser Stelle riesiges Herzklopfen. Denn er war – wie schon häufig zuvor – auf dem Weg ins Lavazza gewesen, als ihn ein Anruf von Paveier-Chef Detlef Vorholt erreichte. Vorholt hatte Welter gefragt, ob er einen Gitarristen und Sänger kenne. „Ich wasche jeden Morgen einen“, war Welters Antwort damals. Vier Wochen später war er Mitglied der Paveier.
Die Hosen voll
Am 1. Juni 2010 hatte Welter seinen ersten Paveier-Auftritt bei dem Festival „Kölle olé“ am Fühlinger See – vor 30 000 Leuten. „Da hatte ich wirklich die Hosen voll vor Nervosität.“ Der „Hürther Junge“ ist glücklich, bei den Paveiern zu sein. „Ich bin der Band wirklich dankbar für die Chance, die sie mir gegeben hat. Ich habe von den Jungs viel gelernt – und tu es immer noch.“
Auf seinem Rundgang durch den Hürth-Park grüßt Sven Welter allerlei Menschen. Viele erkennen den Sänger und Gitarristen, lächeln ihm zu. Unter den Passanten ist auch Michael Schumacher, Leiter der privaten Musikschule „Auftakt“ in Alt-Hürth. Dort hatte der Paveier-Sänger einst Unterricht in Gitarre und Gesang gegeben. Oberhalb der Theresienhöhe, auf der der Hürth-Park liegt, verläuft die Bonnstraße. An der Fußgängerbrücke aus Holz, die über die Bonnstraße führt, steht eine Bank. Dort hat Sven Welter häufig gesessen und seine Songs geschrieben. Heute singt er seine Ideen oft in das Mikrofon seines Smartphones und speichert diese ab. Egal wo er ist. „Das passiert häufig im Auto“, erzählt der 32-Jährige.
Sven Welter möchte ungern als Promi gesehen werden. Deshalb schätzt er auch die Ruhe, die er jetzt in seiner Heimat Hürth und insbesondere im Ortsteil Stotzheim gefunden hat. Er reibt sich über die japanischen Schriftzeichen, die er auf der Innenseite seiner Handgelenke tätowiert hat: die Zeichen für Musik und die Zeichen für Chi – was soviel bedeutet wie Lebensenergie. „Hier in Hürth bin ich einfach ich. Hier bin ich zu Hause.“