Kerpen – Erst am vergangenen Freitag hat das Verwaltungsgericht Köln in erster Instanz eine Klage des Bundes für Umwelt und Naturschutz abgewiesen, der die von RWE angestrebte Rodung im Hambacher Forst verhindern wollte. Obwohl die Naturschützer direkt die Berufung beantragt haben, begann RWE Power gleich am Montag am Rande des Tagebaus bei Kerpen mit dem Fällen der Bäume. Wie schon am Wochenende gab es Proteste dagegen – allein am Montag wurden Bäume auf einer Fläche von der Größe mehrerer Fußballfelder gefällt.
Warum wird um den Hambacher Forst so erbittert gestritten? Antworten auf die wichtigsten Fragen:
Seit wann gibt es Tagebau im Hambacher Forst?
Der Tagebau begann Mitte der 70er Jahre und soll bis zum Jahr 2040 abgeschlossen werden – so lange läuft zumindest die genehmigte Betriebsdauer. Die genehmigte Fläche für den Tagebau umfasst 8500 Hektar (85 Quadratkilometer), der Hambacher Forst liegt zur Hälfte im Kreis Düren und im Rhein-Erft-Kreis. Ursprünglich war der Wald etwa 41 Quadratkilometer groß, davon sind inzwischen mehr als 90 Prozent gerodet.
Wer macht die Pläne für den Tagebau, wer muss sie genehmigen? Welche Rolle spielt das Land NRW dabei?
Der geltende Rahmenbetriebsplan für den Braunkohlentagebau Hambach ist bis zum 31. Dezember 2020 zugelassen. Vergeblich hat der Bund Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) versucht, ihn gerichtlich zu verhindern. Im Jahr 2008 hat die RWE Power der Bezirksregierung Arnsberg die zeitlichen und inhaltlichen Eckpunkte für den Tagebau mitgeteilt. Das Zulassungsverfahren begann 2012 mit der Offenlegung der Pläne.
Der BUND kritisiert, dass in diesem Verfahren keine Umweltverträglichkeitsprüfung vorgeschrieben ist. 2014 hat die Bezirksregierung Arnsberg, Abteilung Bergbau und Energie, die Zulassung erteilt. Dagegen hat der BUND im März 2015 Klage beim Verwaltungsgericht Köln eingereicht. Außerdem versucht der BUND seit dem Sommer 2017, auf juristischem Wege, die Rodungen zu stoppen. In erster Instanz scheiterte er damit in der vergangenen Woche vor dem Verwaltungsgericht Köln.
Was gibt es Besonderes im Hambacher Wald?
In einer seltenen Mischung wachsen Stieleichen und Hainbuchen, von denen einige über 300 Jahre alt sind. Die Maiglöckchenvorkommen dort gelten als berühmt. Im Hambacher Forst gibt es zudem Kolonien der seltenen Bechstein-Fledermaus. RWE Power hat angeboten, die Tiere umzusiedeln.
Warum steht das Gelände nicht unter Naturschutz?
Nach Ansicht des BUND erfüllt der Hambacher Forst noch besser als andere deutsche Gebiete die Voraussetzungen der Europäischen Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH). Areale, die in die FFH-Liste aufgenommen werden, genießen einen besonderen Schutz. Für den Hambacher Forst aber wurde die Aufnahme in die Liste nie beantragt. Das Verwaltungsgericht Köln betonte jüngst in einem Urteil zu einer entsprechenden Klage des BUND, Deutschland habe nach Ansicht der Europäischen Kommission seine europarechtlichen Pflichten zur Meldung von FFH-Gebieten bereits erfüllt.
Streit um die Rechtslage
Das sagt der BUND:
„Wer ein aktuelles Luftbild des Abbaugebietes Hambach sieht, erkennt sofort, dass kein akuter Handlungsbedarf besteht, sofort zu roden“, so BUND-Sprecher Dirk Jansen. „RWE hätte zeitlich genug Luft gehabt, die rechtliche Klärung und unseren Antrag auf Berufung abzuwarten. Wir können die Eile nur damit erklären, dass RWE Fakten schaffen und Profit machen will. Rund ein Drittel der Jahresförderung geht in die Veredelung (z.B. Briketts), zwei Drittel gehen in die Stromproduktion; und es wird viel Braunkohlestrom exportiert.“
Das sagt RWE:
„Der Tagebaubetrieb kann und wird unverändert weiterlaufen. Wir bewegen uns auf der Grundlage von Recht und Gesetz. Was im Hambacher Forst stattfindet, ist durch die Rechtslage eindeutig gedeckt.“ Es gebe keine Planungen, wie weit die Arbeiten pro Tag fortschreiten müssen, sagte RWE-Sprecher Guido Steffen, „machen wir uns nichts vor, die Schwierigkeiten kommen ja dann, wenn wir in den besetzten Wald rein müssen. Da ist nicht absehbar, was an Widerstand kommt. Traurig, dass das nur unter Einsatz der Polizei sicher durchgeführt werden kann.“
Wer engagiert sich für den Erhalt des Hambacher Forstes?
Seit vielen Jahren kämpfen unterschiedliche Gruppierungen für ein Ende des Tagebaus in diesem Bereich, dazu gehört der BUND, neben vielen anderen lokalen und regionalen Bündnisse auch Greenpeace oder Attac. Darüber hinaus leben seit mehreren Jahren autonome Naturschützer aus mehreren Ländern im Hambacher Wald und in der Nähe – in Zelten oder Baumhäusern. Sie leben von Lebensmittel- und Sachspenden, die in der Region von Tagebaugegnern gesammelt werden.
Es ist immer wieder von Polizeieinsätzen die Rede. Ist der Protest friedlich?
Es kommt regelmäßig zu Auseinandersetzungen mit den Wachleuten der RWE – die Aktivisten loten die Grenzen des Erlaubten oft auf provozierende Art aus, die RWE-Vertreter reagieren entsprechend. Die Kohlegegner bauen Barrikaden aus Zweigen und Ästen auf, um zu verhindern, dass RWE-Fahrzeuge durch den Wald fahren.
Die Aktionen dieses Kreises von Aktivisten haben in der Vergangenheit mehrfach Schlagzeilen gemacht, spektakuläre Bilder geliefert – und Gerichte beschäftigt: Junge Leute ketteten sich an Gleisen fest und legten RWE-Züge lahm. Hunderte von Demonstranten hatten kürzlich – während der Weltklimakonferenz in Bonn – versucht, einen der großen Braunkohlebagger zu stürmen.
Welche Orte mussten umgesiedelt werden?
Dem Tagebau Hambach mussten in den letzten Jahren bereits Orte wie Lich-Steinstraß oder Etzweiler weichen, Morschenich soll folgen. Auch Kerpen-Manheim ist schon weitgehend entvölkert und soll bald von der Landkarte verschwinden. Die Manheimer leben inzwischen schon weitgehend in einem Neubaugebiet, das RWE mitfinanziert hat.
Warum hält RWE den Tagebau für erforderlich?
RWE will im Tagebau Hambach 2,5 Milliarden Tonnen Braunkohle fördern, die bis zu 450 Meter tief liegen, jährlich werden 40 Millionen Tonnen Braunkohle entnommen. Nach Angaben von RWE werden fünf Prozent des gesamten deutschen Stroms beziehungsweise fast 15 Prozent des Stroms in Nordrhein-Westfalen mit der Braunkohle aus dem Tagebau Hambach erzeugt.
Wie sehen die Pläne für die Zeit nach dem Tagebau aus?
Das Restloch soll nach dem Ende des Tagesbaus mit Grund- und Rheinwasser aufgefüllt werden und bis 2100 einen etwa 40 Quadratkilometer großen See ergeben.