Kerpen – Immer mehr bekannt werdende Fälle von sexuellem Missbrauch durch Geistliche erschüttern die katholische Kirche und speziell auch das Erzbistum Köln. Nun ist das Thema auf besonders erschütternde Weise auch in Kerpen angekommen: Zum Abschluss der Sonntagsgottesdienste in den sechs Gemeinden des Seelsorgebereichs Süd-West mussten die Pastoren am Sonntag ein so genanntes Proklamandum des Erzbistums verlesen. Aus der Erklärung geht hervor, dass ein früher in Kerpen tätiger Pfarrvikar sich vor einigen Tagen das Leben genommen hat, nachdem kurz zuvor Ermittlungen wegen eines dringenden Missbrauchsverdachts gegen ihn aufgenommen worden waren.
Minderjähriger soll von Pfarrvikar missbraucht worden sein
Ende Dezember hatte sich ein Mann ans Erzbistum gewandt und erklärt, als Minderjähriger in den 1990er-Jahren von dem Geistlichen missbraucht worden zu sein. In dieser Dekade war der Priester laut einer Mitteilung des Erzbistums zunächst als Kaplan in Bergisch Gladbach, Wuppertal und Solingen schließlich als Pfarrer in Ruppichteroth tätig. Vor einigen Jahren ließ sich der damals 55-Jährige auf eigenen Wunsch nach Kerpen versetzen, wo er etwa drei Jahre als Pfarrvikar für Balkhausen, Blatzheim, Brüggen, Buir, Kerpen-Zentrum und Mödrath zuständig war.
Zuletzt diente der Geistliche als Subsidiar in Neunkirchen-Seelscheid, wurde wegen des „dringenden Verdachts“ am 16. Februar aber von seinen Aufgaben entbunden und in den Ruhestand versetzt. Das Erzbistum untersagte ihm die Ausübung des priesterlichen Dienstes und den Kontakt mit Kindern und Jugendlichen. Auch wurde die Bonner Staatsanwaltschaft eingeschaltet.
Dem Tatverdächtigen bot das Erzbistum nach eigenen Angaben seelsorgerische und psychologische Unterstützung an. Kurz darauf nahm sich der Mann dennoch selber das Leben.
Kerpen: Missbrauchsopfer sollen sich melden
Obwohl bislang keine Hinweise vorliegen, dass der Pfarrer sich auch in seiner Kerpener Zeit etwas hat zu Schulden kommen lassen, wirkten viele Gläubige nach den Gottesdiensten merklich erschüttert. Pfarrvikar Franz-Josef Pitzen, der 2016 in die Kolpingstadt gekommen war und der Sonntag den Gottesdienst in St. Quirinus in Mödrath zelebrierte, kämpfte mit den Tränen, als er am Schluss die Erklärung des Erzbistum verlesen musste.
Beratung und Seelsorge in schwierigen Situationen
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„Sexueller Missbrauch ist ein Verbrechen, dessen Folgen die Betroffenen oft ein ganzes Leben lang beeinträchtigen und begleiten. Die Klärung von Verdachtsfällen und die konsequente Aufarbeitung von Fällen sexuellen Missbrauchs ist deshalb ein wichtiges und zentrales Anliegen des Erzbistums. Auch wenn der Pfarrer unterdessen verstorben ist, wird das Erzbistum dem Fall weiter nachgehen und ihn vollumfänglich aufklären“, zitierte Pitzen aus dem Proklamandum.
Zuvor hatte er die in der Kirche mit Kindern anwesenden Eltern ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es nunmehr um sexuellen Missbrauch gehen werde und dass sie das Gotteshaus verlassen könnten, wenn sie ihren Nachwuchs nicht mit diesem schlimmen Thema konfrontieren wollten.
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Die Erklärung des Erzbistums endet mit der ausdrücklichen Bitte, dass weitere Missbrauchsopfer oder Zeugen sich bei der beim Erzbistum angesiedelten Stabsstelle Intervention melden mögen: „Jedem einzelnen möchten wir die notwendige Hilfe und Unterstützung zukommen lassen.“