War es rechtens, dass die Stadt Kerpen eine Vereinbarung mit RWE nichtöffentlich behandelt hat? Professor Dr. Markus Ogorek zweifelt daran.
Vertrag mit RWEKölner Jurist nennt Vorgehen der Stadt Kerpen rechtswidrig
Professor Dr. Markus Ogorek ist Experte für Staats-, Verwaltungs-, Bau- und Kommunalrecht. Er hat sich mit der Rahmenvereinbarung zwischen der Stadt Kerpen und RWE Power auseinandergesetzt. In der in einer nichtöffentlichen Sitzung behandelten Vereinbarung sichert das Unternehmen der Stadt „Nachbarschaftshilfen“ zu. Die Verwaltung verspricht, die Grenzen des Tagebaus Hambach nicht in Frage zu stellen. Ogoreks Fazit: Der Vertrag ist korrekt, das Vorgehen rechtswidrig. Marco Führer hat mit dem Direktor des Instituts für Öffentliches Recht und Verwaltungslehre der Universität Köln über seine Einschätzung gesprochen.
Herr Ogorek, unter welchen Voraussetzungen ist ein Ausschluss der Sitzungsöffentlichkeit zulässig?
Markus Ogorek: Nach der Geschäftsordnung des Rates in Kerpen kann ein Ausschluss der Öffentlichkeit in bestimmten Fällen zum Schutze des Gemeinwohls oder berechtigter Interessen Einzelner erfolgen. So kommt ein Öffentlichkeitsausschluss etwa in Betracht, wenn der Rat über den Abschluss von Verträgen berät. Es entspräche kaum den städtischen Interessen, wenn Vertragsbedingungen öffentlich beraten würden. Das könnte die künftigen Verhandlungspositionen der Stadt in anderen Fällen schwächen.
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Rechtfertigt Ihrer Ansicht nach der Inhalt der Rahmenvereinbarung eine nichtöffentliche Beratung?
Die Inhalte der Rahmenvereinbarung gebieten meines Erachtens keinen Ausschluss der Öffentlichkeit. Der Natur als Rahmenvereinbarung entsprechend sind die einzelnen Vertragspunkte sehr abstrakt gehalten. So stellt RWE Power zum Beispiel die Förderung von Kerpener Vereinen in Aussicht. Es wird aber nicht gesagt, welche Vereine damit gemeint sind und wie hoch die Unterstützungsleistungen ausfallen sollen. Die Vereinbarung enthält also keine Details, an denen ein Vertraulichkeitsinteresse bestehen könnte. Im Gegenteil sogar: Die Stadt verpflichtet sich, die Weiterentwicklung des Tagebaus nicht in Frage zu stellen. Durch den Tagebau bedingte Umsiedlungen sind politisch hoch umstritten und werfen eine Vielzahl von sozialen und wirtschaftlichen Fragen auf. Dieses Thema ist geradezu prädestiniert, im Rat öffentlich diskutiert zu werden.
Wie hätte die Stadt denn stattdessen vorgehen müssen?
Die Sitzungsöffentlichkeit ist ein wichtiger demokratischer Grundsatz, von dem nur ausnahmsweise abgewichen werden darf. Die Rahmenvereinbarung hat der Rat unter dem Tagesordnungspunkt „Kooperation mit Innogy“ mit mehreren anderen Verträgen behandelt. Selbst wenn hinsichtlich der anderen Verträge eine nichtöffentliche Beratung erlaubt war, bedeutet das nicht, dass auch die Rahmenvereinbarung mit RWE Power der Öffentlichkeit vorenthalten werden durfte. Ein Ausschluss der Öffentlichkeit darf nicht künstlich dadurch herbeigeführt werden, dass man ein nicht geheimhaltungsbedürftiges Thema mit vertraulichen Beratungsgegenständen zu einem anderen Unternehmen unter einem Tagesordnungspunkt zusammenfasst. Und dann auch noch hinter verschlossenen Türen tagt.
Gibt es weitere Punkte, die aus rechtlicher Sicht fragwürdig sind?
Der Tagesordnungspunkt „Kooperation mit Innogy“ war unzureichend formuliert. Er ließ nämlich nicht erkennen, dass auch über eine Kooperation mit RWE Power beraten werden sollte. Letzteres mag zwar für die Ratsmitglieder eindeutig gewesen sein, denen weitere Unterlagen vorlagen. Es gilt aber zu bedenken: Auch die Tagesordnung einer nichtöffentlichen Sitzung muss öffentlich bekannt gemacht werden. Der Öffentlichkeit, die die Sitzungsunterlagen nicht kennt, war angesichts des Tagesordnungspunktes nicht bewusst, dass auch eine Kooperation mit RWE Power im Raum stand. Das macht den Beschluss rechtswidrig.
Was würde daraus folgen, wenn der Beschluss rechtswidrig sein sollte?
Die Konsequenz ist, dass der Ratsbeschluss nichtig ist. Das heißt aber nicht, dass auch die Rahmenvereinbarung unwirksam wäre. Wir Juristen sagen dazu: Der interne Fehler bei der Stadt schlägt nicht auf das Außenverhältnis und auf Verträge mit Externen durch, hier also mit RWE Power. Politische Konsequenzen sind natürlich trotzdem möglich.