Kerpen toleriert den Tagebau Hambach, RWE hilft der örtlichen Wirtschaft. So steht es in einem Vertrag, den beide 2017 unterzeichnet haben.
TagebauVertrag zwischen RWE und Kerpen löst Entsetzen aus
Ein Vertrag zwischen RWE und der Stadt Kerpen, nichtöffentlich beschlossen im Stadtrat. Allein die Tatsache, dass es diesen Vertrag geben könnte, sorgte jahrelang bei Umweltschützern für Spekulationen. Jetzt ist klar: Es gibt ihn. Und die Wut ist groß.
In dem bisher nicht öffentlichen Vertrag stimmt die Stadt zu, die „Weiterentwicklung des Tagebaus Hambach“ nicht in Frage zu stellen. RWE sichert „Hilfestellungen und konkrete Projekte“ zu, verspricht Arbeitsplätze und Unterstützung. Zuerst berichtete der WDR, dem das Dokument vorliegt. Unterzeichnet haben es Bürgermeister Dieter Spürck und Michael Eyll-Vetter, Leiter der Entwicklung Braunkohle bei RWE Power.
Für die Grünen ist die Vereinbarung ein Skandal
Der Vertrag bestätigt das, was Mitglieder der Grünen, Bürgerinitiativen und Umweltschutzverbände schon lange befürchten: RWE und Stadtverwaltung sprechen sich ab. „Ich fand es immer auffällig, wie wenig Unterstützung von der Stadt beim Hambacher Forst, bei Manheim kam“, sagt Annika Effertz, Vorsitzende des Grünen-Stadtverbandes. Es sei ein Skandal, dass die Stadt diesen Vertrag nicht öffentlich mache. „Und dass der Rat ihn damals in einer Eilsitzung durchgeprügelt hat.“
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Doch Effertz sieht die Erkenntnisse positiv. Das sei die Gelegenheit, um die Braunkohle-Leitentscheidung anzupassen und die Manheimer Bucht zu retten.
Heinrich Portz ist von dem Vertrag entsetzt. „Das hat mich umgehauen. Ich weiß gar nicht, was ich dazu sagen soll“, sagt der Landwirt. Portz ist der letzte Einwohner in Manheim. Seit Jahren kämpft er dafür, im Ort bleiben zu dürfen. „Hier bin ich geboren, ich habe immer hier gelebt. Meine Frau und ich wollten nie woanders hin.“
Die wirtschaftliche Existenz des Landwirts steht buchstäblich auf der Kippe. 45 Hektar des Landes, das Portz bewirtschaftet, hat er von RWE gepachtet. Und das Unternehmen hat sich in einer Vertragsklausel das Recht gesichert, Portz jährlich kündigen zu können.
RWE spricht von Ausgleich für Tagebau
Auch Dirk Jansen, BUND-Geschäftsleiter NRW, wird deutlich: „Jetzt kommt ans Tageslicht: Mit einem schmutzigen Deal hat sich RWE im Streit um den Tagebau Hambach das Stillhalten der Stadt Kerpen erkauft.“ Ein Punkt der Vereinbarung betreffe die „Nachbarschaftshilfen“. Jansen: „Nach den Recherchen des WDR ist auch Geld geflossen. Kann man das Bestechung nennen? Hier wird wieder deutlich, wie dicht der von RWE gepflegte Filz ist.“
RWE bestreitet nicht, dass es den Vertrag gibt. RWE-Sprecher Guido Steffen sagt aber: „Die Vereinbarung steckt den Rahmen für die Nachbarschaft zwischen dem Tagebau-Anrainer Stadt Kerpen und dem Tagebau-Betreiber, also uns, ab. Ähnliche Vereinbarungen haben wir auch mit anderen Tagebau-Anrainern geschlossen. Wir versichern darin, dass wir die nicht zu vermeidenden Belastungen im Umfeld des Tagebaus durch entsprechende Hilfestellungen und konkrete Projekte ausgleichen oder mindern wollen.“
Kerpener CDU-Chef ist verärgert
Der Text zähle Maßnahmen auf, die die Stadt Kerpen voranbringen — wie zum Beispiel die Entwicklung von Gewerbe- und Wohnbauflächen, von Energieprojekten. Die Vereinbarung regele nicht den Verlauf des Tagebaus. „Das regelt das zurzeit laufende Braunkohlenplan-Änderungsverfahren.“
Extrem verärgert ist die Kerpener CDU. Der Vertrag sei eine von 40 Gründungsunterlagen der Stadtwerke gewesen — und deshalb zu Recht in einer nichtöffentlichen Sitzung besprochen worden, sagt CDU-Ratsfraktionschef Klaus Ripp.
Er bestätigt, dass es in der Präambel des Vertrags heiße: Kerpen stellt die Weiterentwicklung des Tagebaus nicht Frage. Das basiere aber auf der Leitentscheidung des Landes von 2016, in der die Abbaugrenzen der Tagebaue Hambach und Inden als unveränderlich galten. Beschlossen hatte die damalige Leitentscheidung eine Koalition aus SPD und Grünen. „Damit haben auch die Grünen klipp und klar gesagt: Manheim fällt dem Tagebau zum Opfer“, sagt Ripp.
Stadt Kerpen weist Vorwürfe von sich
Für den CDU-Chef ist die mit RWE vereinbarte Zusammenarbeit kein Verkauf der Heimat. Der Vertrag sei zugunsten der Stadt. Sie habe so das Gewerbegebiet Türnich mit RWE entwickeln und Tausende Arbeitsplätze schaffen können. Ohne die Unterstützung von RWE seien zudem viele Vereine bedroht. „All das hat aber keine Gegenleistung der Stadt zur Folge.“
Die Stadt weist alle Vorwürfe von sich. Es handele sich nicht um einen „Geheimvertrag“, sondern um eine Rahmenvereinbarung. Die Nichtöffentlichkeit sei nicht zu beanstanden. Bürgermeister Spürck übt vor allem Kritik an der Grünen-Chefin: Effertz akzeptiere politisch deutliche Mehrheiten nicht und trete mit unsachlicher Kritik nach. „Ein solches Verhalten vergiftet das politische Klima und steht einem konstruktiven Dialog im Weg.“