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Razzia in ganz NRWErmittlungen wegen Blessemer Kiesgrube nehmen Fahrt auf

Lesezeit 4 Minuten
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Die Kiesgrube in Blessem steht im Zentrum der aktuellen Ermittlungen.

  1. Die Staatsanwaltschaft Köln führt ein Ermittlungsverfahren gegen die Betreiber der Kiesgrube in Erftstadt-Blessem durch. Dabei soll vor allem die Frage geklärt werden, ob die Flut im Juli 2021 fahrlässig herbeigeführt wurde.
  2. Viele betroffene Blessemer schöpfen nun neue Hoffnung, dass eventuelles Fehlverhalten nun ans Tageslicht kommt.
  3. Wir haben bei den Anwohnern, aber auch bei den betroffenen Unternehmen und der Politik nachgefragt.

Erftstadt-Blessem/ BergheimDie staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zur Ursache der Flutkatastrophe in Erftstadt-Blessem scheinen ein halbes Jahr nach den dramatischen Geschehnissen Fahrt aufzunehmen: Rund 140 Polizistinnen und Polizisten haben am Dienstagmorgen Durchsuchungen an 20 Adressen – vor allem in Bergheim, Erftstadt, Köln und Dortmund, aber auch in Thüringen – durchgeführt.

In den frühen Morgenstunden des 16. Juli hatte die Erft die Kiesgrube am Rand des Dorfes geflutet. Die Wassermassen hatten in Richtung Bebauung einen riesigen Krater aufgerissen, in den vier Häuser stürzten.

Zunächst hatte die Staatsanwaltschaft gegen Unbekannt ermittelt, jetzt geht es um mehrere Verdächtige: den Eigentümer und Verpächter des Tagebaus in Erftstadt, fünf Beschuldigte des Betreibers und vier Beschuldigte der Bezirksregierung Arnsberg. Die ist als Bergbaubehörde für die Genehmigung des Kiesabbaus zuständig. „Verdacht des fahrlässigen Herbeiführens einer Überschwemmung durch Unterlassen, der Baugefährdung sowie des Verstoßes gegen das Bundesberggesetz“ lautet der Vorwurf.

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Anwohner: „Jetzt haben wir einen Funken Hoffnung“

„Es besteht der Verdacht, dass die Beschuldigten die Zustände an dem Hochwasserschutzwall und den Grubenböschungen aufgrund ihrer beruflichen Befassung mit der Kiesgrube hätten erkennen und für Abhilfe hätten sorgen können und müssen“, sagte der Kölner Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer. Am Südrand der betroffenen Kiesgrube soll sich kein geeigneter Hochwasserschutzwall befunden haben, außerdem seien die Böschungen viel zu steil gewesen.

Für viele Blessemer ist das kein Verdacht, sondern etwas, das sie seit Jahren mit eigenen Augen gesehen haben. Bärbel Jakobi erzählt, dass sie das auch bei der Polizei ausgesagt habe. Vor gut zwei Monaten habe die sich zunächst telefonisch bei ihr gemeldet, dann sei sie nach Kerpen gefahren, um dort gegenüber einer Kölner Polizistin ihre Aussage zu machen. Jakobi war Geschäftsführerin des Reitstalls Schulz, der auf dem hinteren Gelände der Blessemer Burg untergebracht war und größtenteils in den Fluten untergegangen ist. Sie habe eigens alte Bilder herausgesucht, um zu beweisen, dass dort kein Hochwasserschutz vorhanden gewesen sei. Die Böschung sei neben den Pferdeweiden „im 90-Grad- Winkel abgefallen“.

„Jetzt haben wir einen Funken Hoffnung, dass sich etwas tut“, sagt Anne Bär. Die Blessemerin hat die gelben Banner entworfen, mit den an vielen Stellen im Ort das Ende des Kiesabbaus gefordert wird. „Die Böschung war zu steil, die Grube war ein regelrechter Trichter“, ist sie sicher. Wie verunsichert viele Blessemer auch ein halbes Jahr nach der Katastrophe noch sind, zeigte sich am Dienstagmorgen. Rund 20 Minuten hätten die Sirenen in den Nachbarorten geheult, berichtet Anne Bär. „Da stieg die Panik in mir auf.“ Die Erklärung für den Alarm: Es war wohl ein technischer Defekt, der die Sirenen in Kierdorf, Gymnich, Dirmerzheim, Lechenich und Erp ausgelöst hatte.

Auch Erftstadts Bürgermeisterin Carolin Weitzel äußerte sich: „Ich fordere eine lückenlose Aufklärung der Vorkommnisse. Selbstverständlich werden wir in Erftstadt die Untersuchungen der Staatsanwaltschaft Köln weiterhin tatkräftig unterstützen. Der während und nach der Hochwasserkatastrophe geleistete Einsatz aller Kräfte wird von uns in Kooperation mit dem Institut der Feuerwehr analysiert und in Zusammenarbeit mit der Universität Münster und der Technischen Hochschule Köln aufgearbeitet. Das Ergebnis der Untersuchungen werden wir danach unmittelbar gegenüber der Öffentlichkeit bekannt geben.“

Bezirksregierung Arnsberg äußert sich nicht

Anne Bär will ihren Kampf gegen die Kiesgrube nicht aufgeben, unabhängig vom Ausgang der Ermittlungen. Sie plant eine Unterschriftenaktion und will sich notfalls Unterstützung von Fridays for Future holen.

„Es ist gut, dass die Karten jetzt offen auf den Tisch gelegt werden“, sagt Gottlieb Richardt vom Bürgerforum Blessem. Es sei ja längst bekannt gewesen, dass „das eine oder andere verschlabbert worden sei“, sprich, dass bei Genehmigung und Aufsicht der Kiesgrube nicht alles korrekt gelaufen sei. Zwar habe es einen Betonwall am Erftradweg gegeben, aber keinen zur Seite des Reitstalls Schulz. Richardt ist auch ein Dorn im Auge, dass das Betonwerk an der Kiesgrube wieder arbeitet. Viele Blessemer fürchten, das sei der erste Schritt in Richtung Kies- und Sandabbau.

Die Bezirksregierung Arnsberg wollte sich auf Anfrage der Redaktion inhaltlich nicht zu dem Thema äußern. „Wir können diese Ermittlungen bestätigen und kooperieren selbstverständlich mit der Staatsanwaltschaft“, sagt Pressesprecher Christoph Söbbeler.

RWE: „Wir unterstützen die Ermittlungen“

Beim Kiesgrubenbetreiber, der RWE-Tochter Rheinische Baustoffwerke, war keine Stellungnahme zu bekommen. Wie RWE-Sprecher Guido Steffen aber auch für das Tochterunternehmen mitteilt, seien sowohl am Standort in Bergheim-Niederaußem als auch an der RWE-Power-Zentrale in Köln Polizistinnen und Polizisten gewesen. Die hätten Unterlagen mitgenommen, die man ihnen bereitwillig gegeben habe. „Wir unterstützen natürlich die Ermittlungen und wollen, dass die Angelegenheit lückenlos und objektiv aufgeklärt wird“, sagt Steffen.

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Darüber, welche Auswirkungen die Ermittlungen auf die Zukunft der Kiesgrube haben könnten und über mögliche personelle Konsequenzen, konnte der RWE-Sprecher keine Angaben machen.

Beim Kiesgrubenbesitzer, der Unternehmensgruppe Nowotnik aus Erftstadt, war auf Anfrage niemand für eine Stellungnahme zu erreichen.