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Neues Gutachten zur RheinspangeRheinquerung bei Godorf birgt hohes Sicherheitsrisiko

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Der Rhein bei Wesseling, Rheinspange, links Godorfer Hafen, Evonik (Bild-Mitte)

Wesseling – Die nördliche Variante einer Rheinquerung bei Godorf birgt ein hohes Sicherheitsrisiko. Das ist das Ergebnis eines neuen Gutachtens zur Ermittlung des Gefahrenpotenzials der geplanten Rheinspange 553.

Das Gutachten vom Tüv-Nord wurde vergangene Woche im jüngsten Projekt-Dialogforum vorgestellt und richtet sich nach der sogenannten „Seveso-III-Richtlinie“. Die Richtlinie schreibt Bestimmungen über Sicherheitsabstände zu Wohn- und Erholungsgebieten vor und enthält weitere Vorgaben zur Verhinderung von Störfällen beispielsweise durch die chemische Industrie.

Hierzu ist das Urteil der Gutachter eindeutig: Entlang der geplanten Rheintrasse für die Variante 4B von Godorf entlang der derzeitigen Kerkrader Straße mit Verbindungsstelle an der A 59 bei Köln-Libur lägen die chemischen Betriebe gefährlich nah an der geplanten Strecke.

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Köln: Gefahren durch chemische Industrie

Die Experten untersuchten mögliche Gefahren durch Unfälle wie Brände und Explosionen sowie durch potenzielle Ausbreitung toxischer Stoffe dieser Betriebe, darunter Basell, Evonik und Shell. Das Gefahrenpotenzial der Godorfer Variante liege auf einer Skala von null bis zehn bei etwa acht, heißt es im Gutachten, da sich einige Teile der geplanten Strecke unmittelbar im Gefahrenbereich der chemischen Betriebe befänden.

Dies sind die Varianten, die als Rheintrasse in Frage kommen.

Die Experten kamen zu dem Schluss, dass die Varianten mit einer Rheinquerung bei Godorf in diesem Punkt ein größeres Gefahrenrisiko aufweisen als die südlichsten Varianten mit einer Rheinquerung bei Widdig und Urfeld. Diese Varianten (W1, W3 und W4) verlaufen „vollständig außerhalb der angemessenen Abstände zu den relevanten Betriebsbereichen und sind entsprechend vollkommen konfliktfrei“. Die Baulastträgerin, die Autobahn GmbH des Bundes (bis Ende 2020 Straßen NRW), erklärte aber auch, dass eine schlechte Bewertung nach den Seveso-III-Richtlinien kein Ausschlusskriterium für eine der zwölf Varianten darstelle: „Die Bewertung fließt gemeinsam mit verschiedenen anderen Aspekten als wichtiger Belang in die Gesamtabwägung ein.“

„Es wird langsam deutlich, dass eine Rheinquerung nicht machbar ist“

Für die Fraktion der Wesselinger Grünen ist die Botschaft des Gutachtens jedoch klar: „Es wird langsam deutlich, dass eine Rheinquerung nicht machbar ist“, sagt Elmar Gillet, Fraktionsvorsitzender im Kreistag. Er sieht bei allen Varianten Probleme, denn große Teile von Wesseling wären sowohl von der Nord- als auch den Südvarianten betroffen. Alle Querungsstrecken lägen nah an Industrie- und Wohnbebauung, mitunter stünden Brücken laut Planungsstand direkt über Wohnhäusern. „Eine solche Brückenplanung ist in Zeiten des Klimawandels aus der Zeit gefallen“, kritisiert Gillet.

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Keine der Trassen ermögliche erhebliche Besserungen der Verkehrslage, da Verkehr, der zurzeit an anderer Stelle zentriert sei, zum ohnehin schon hoch beanspruchten Knotenpunkt Wesseling verschoben würde. „Für Verkehrsprobleme müssen andere Mobilitätslösungen gefunden werden“, so Gillet.

Initiativen hoffen auf Nullvariante

Für Unmut sorgen die Ergebnisse des Gutachtens auch bei diversen Initiativen.

Kerstin Taraske, Vorsitzende des Bürgervereins Urfeld, ist von den Resultaten des Gutachtens nicht überrascht. „Es entsteht allerdings der Eindruck, dass die verkehrlich sinnvollste Variante bei Godorf zugunsten der südlichen Trassen kaputtgerechnet wird.“

Jörg Jensuns von der Interessensvertretung Waldsiedlung betont, dass auch die anderen Varianten Gefahrenpotenzial hätten. „Alle Varianten südlich von Godorf verlaufen ebenfalls direkt an der Industrie entlang, zum Beispiel an Evonik und dem Tanklager von Shell.“ Taraske hofft auf eine Null-Variante, nämlich gar keine Rheinquerung. Ob das Vorhaben noch fallengelassen werde, hänge stark vom Ausgang der Bundestagswahl Ende September ab. „Wir wünschen uns einen Gemütswandel der Politik, vielleicht kommt der durch eine Stärkung der Grünen im Bundestag.“ (at)

Wesselings Bürgermeister Erwin Esser kritisiert, dass die Unterlagen zum Dialogforum vorab nicht vollständig an Städte und Kreise versandt worden seien, die von einer Trasse für die Rheinspange betroffen wären. „Das wäre einer guten Zusammenarbeit zwischen Behörden angemessen, passiert aber nicht.“ Da das Gutachten erst seit Freitagabend vorliege, könne noch keine Bewertung von der Stadtverwaltung abgegeben werden.

„Eine Beurteilung, ob die Bewertung der Nordtrasse und der Südtrassenvarianten inhaltlich nachvollziehbar ist, können wir, ebenso wie zu möglichen beziehungsweise nicht möglichen Schutzmaßnahmen, zu diesem Zeitpunkt nicht abgeben.“ Esser wolle zunächst das Gutachten gründlich prüfen und sich dazu mit den zuständigen Fachbehörden und Nachbarkommunen beraten.