Ein Gemälde, was illegal in eine Ausstellung über Einwanderung einwandert. Das hat Schlagzeilen gemacht. Nun wird es versteigert.
„Es war erstaunlich einfach“Kölner Studentin spricht über ihren Schmuggel-Coup in der Bonner Kunsthalle
Dass Gemälde versteigert werden, ist nichts Ungewöhnliches. Auch nicht, dass sie oft eine bewegte Geschichte hinter sich haben, bis sie schlussendlich unter dem Hammer landen. Und doch steht in Köln nun eine ganz besondere Kunstauktion an.
Denn am 30. November wird beim Auktionshaus Van Ham das Porträt „Georgia“ der jungen Kölner Künstlerin Danai Emmanouilidis zur Versteigerung angeboten. Zur Verfügung gestellt hat es die Bundeskunsthalle in Bonn.
In deren letzte Ausstellung „Wer wir sind“ hatte Emmanouilidis ihr Werk – ein Bild einer jungen Frau vor türkisfarbenem Hintergrund – nämlich hineingeschmuggelt und unbemerkt an einer Wand aufgehängt. Entdeckt wurde es erst nach vier Wochen als die Ausstellung zu Ende ging. Als die Mitarbeiter die Kunstwerke abhängten, fiel auf, dass eines zu viel da war.
Geschmuggeltes Werk blieb vier Wochen lang hängen
Die Kunsthalle wandte sich mit ihrem ungewöhnlichen Fund an die Öffentlichkeit und bat die bis dahin unbekannte Künstlerin darum, sich zu melden. Konsequenzen müsse sie nicht fürchten. Die Nachricht vom geschmuggelten Kunstwerk sorgte bundesweit für Schlagzeilen.
Geplant war das nicht, wie Emmanouilidis nun gegenüber dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ berichtet: „Ich habe gedacht, das fällt denen bald auf und dann hängen sie es ab.“ Als ihr dann eine Freundin den Aufruf der Kunsthalle zusandte, sei sie überrascht gewesen.
Eigentlich sei es ihr mit ihrer Aktion um etwas ganz anderes gegangen, erzählt Emmanouilidis. Seit einigen Jahren schon porträtiert die 26-jährige Jura-Studentin in ihrer Freizeit Menschen, die aufgrund ihres Aussehens gesellschaftliche Ausgrenzung erfahren. Sie versteht ihre Kunst dabei als aktivistisch und will unterschiedliche Identitäten und soziale Ausschlüsse sichtbarer machen.
Ihre Aktion in der Bundeskunsthalle sollte ihre Kunst aus dem digitalen Raum, wo sie bisher einige hundert Menschen auf ihrem Instagram-Profil erreicht, in die reale Welt verlagern: „Ich hab schon länger mit dem Gedanken gespielt, mal ein Bild in eine Ausstellung rein zu manövrieren.“
Doch es sollte eine Ausstellung sein, die einen inhaltlichen Bezug zu ihrer Botschaft hat, sagt Emmanouilidis. Lange sei sie dabei nicht fündig geworden – bis zum Besuch der Ausstellung in der Bundeskunsthalle. Deren Thematisierung Deutschlands als Einwanderungsland habe sie sehr berührt und so habe sie den Entschluss gefasst, hier ihr Gemälde hineinzuschmuggeln.
„Das war erstaunlich einfach“, schildert sie. Sie habe sich das lediglich 20 Zentimeter breite und 30 Zentimeter hohe Bild in die Leggings und unter einen dicken Pulli gesteckt. Kurz vor dem Schluss der Ausstellung habe sie auf einen ruhigen Moment gewartet und das Gemälde dann mit Klebestreifen aufgehängt.
Kuratorin fand die Aktion „genial“
Dass Emmanouilidis dies unbeobachtet gelang, war kein Zufall wie Johanna Adam, Kuratorin der Bundeskunsthalle, erzählt: „An dieser Stelle war keine Bewachung nötig, da dort keine anderen Gemälde hingen.“
Aber es hatte schlicht auch niemand mit so einer wagemutigen Aktion gerechnet: „2005 hat Banksy sowas schon einmal gemacht, aber bei uns kam das noch nicht vor.“ Als Adam von einer Kollegin über den ungewöhnlichen Fund informiert wurde, sei sie „komplett perplex“ gewesen.
Sofort habe sie sich auf den Weg gemacht, um sich das Gemälde anzuschauen. Und das habe ihr auf Anhieb gefallen, genauso wie die Aktion selbst: „Das ist ja eigentlich genial. In eine Ausstellung über Einwanderung wandert illegal ein Bild ein.“ Und wo sei denn für solche frechen Aktionen Platz, wenn nicht in der Kunst.
Schnell sei ihr der Gedanken gekommen, doch die Schöpferin des Kunstwerks kennenzulernen zu wollen. Sie habe vorgeschlagen, sie mit einem Social Media Posting suchen zu lassen. Nicht bei allen Kollegen der Bundeskunsthalle sei das auf Begeisterung gestoßen. Einige Mitarbeiter hätten sich Sorgen gemacht, dass eine Veröffentlichung weitere Aktionen provozieren könnte.
Doch Adam setzte sich durch. Über den Instagram- und Facebook-Kanal der Bundeskunsthalle wandte sich das Haus an seine Fangemeinde. Die unbekannte Künstlerin solle sich melden, es gebe auch keinen Ärger für die Aktion – versprochen.
Erlös der Auktion kommt gemeinnützigem Kunstverein zugute
„Ich fand cool, dass die Kuratorin so reagiert hat“, erzählt Emmanouilidis. Sie entschied sich, der Bundeskunsthalle eine Direktnachricht zu schicken. Kurze Zeit später gab es ein erstes Telefonat und dann auch ein Treffen in Bonn.
Das Medienecho war riesig: „Wir haben das vor allem für unsere Community geteilt, weil wir das interessant fanden“, erzählt Adam. Dass auf einmal auch Tagesschau und Jan Böhmermann darüber sprachen, damit habe sie nicht gerechnet.
„Ein Journalist fragte mich, was mit dem Gemälde passieren soll“, schildert die Kuratorin. Da die Bundeskunsthalle kein eigenes Lager hat, lag eine Versteigerung nahe. Sie habe die Sache mit der Auktion Emmanouilidis vorgeschlagen. Die fand die Idee sofort super.
Und auch darin, dass der Erlös der Auktion einem gemeinnützigen Zweck zugutekommen soll, waren sich die beiden einig. Die Wahl fiel schließlich auf den Kölner Verein „ArtAsyl“, der mit Kunst einen „Beitrag zu einer offenen Gesellschaft“ leisten möchte. Dazu organisiert er zum Beispiel Kunsttherapie-Stunden für Geflüchtete.
Abgebildete Frau wusste nichts von der Aufregung um ihr Bild
Stellt sich zuletzt nur noch die Frage, wer eigentlich die Frau auf dem Bild ist. Wie Emmanouilidis berichtet, gab es für sie ein reales Vorbild: Ihr Name ist Georgia Polks. Die 23-Jährige ist als Tochter eines Australiers und einer Vietnamesin in Paris aufgewachsen. Heute arbeitet sie für verschiedene Agenturen als Model.
Auf Instagram postet Polks regelmäßig Eindrücke aus ihrer Arbeit. Bilder von Fotoshootings in verschiedenen Großstädten in Europa und weltweit. Eine ihrer 22.000 Follower ist Danai Emmanouilidis. Für das Porträt orientierte sie sich einfach an einem von Polks Instagram-Bildern.
Zwar markierte Emmanouilidis Polks Instagram-Profil, als sie vor einigen Monaten ein Foto des Gemäldes auf ihrem eigenen Profil veröffentlichte, doch Polks bekam das gar nicht mit – wie auch die gesamte Aufregung, die im Zuge der Aktion um das Gemälde entstand.
Als der „Kölner Stadt-Anzeiger“ sie für diesen Artikel kontaktierte und um ein Interview bat, war sie verblüfft: „Ich habe die Nachricht gesehen und dachte, das kann doch nicht echt sein. Vielleicht ist es ein soziales Experiment?“
Dass es sich tatsächlich weder um einen Scherz noch ein Experiment handelte, sondern sich die Geschichte genauso abgespielt hat, berühre sie und schmeichle ihr sehr: „Wie schön, dass das ganze so ein glückliches Ende gefunden hat!“
Auch Emmanouilidis ist glücklich damit, wie alles gelaufen ist. Viele neue Menschen sind auf ihre Kunst aufmerksam geworden. Andere Künstler haben Kontakt zu ihr aufgenommen: „Die ganze Aufmerksamkeit um die Aktion hat mir schon zu denken gegeben, mehr Kunst zu machen und mich damit noch intensiver zu beschäftigen.“