Die Bühne bleibt leerKleine Theater im Rhein-Sieg-Kreis leiden unter Corona
Rhein-Sieg-Kreis – Hart trifft die Corona-Krise auch die kleinen Spielstätten, deren Betreiber häufig selbst Kreative sind. So wie Martina Clasen mit ihrer „Rosa Aussicht“. „Ich habe einen hundertprozentigen Ausfall“, sagt die Siegburgerin, bei der Musiker und Künstler wie Johanna Stein, Nito Torres, Pia Fridhill und Ben Tai Trawinski auftreten.
Der Bassist wollte vor einigen Tagen seinen Mitsingnachmittag in der „Rosa Aussicht“ per Livestream anbieten. „Doch das hat nicht funktioniert. Die Netze sind zur Zeit komplett überlastet“, sagt Clasen. Verträge mit den Künstlern gebe es nicht. Die Auftritte kommen zustande durch Freundschaften, die dem Programm der kleinen Spielstätte eine persönliche Note geben. Zur Zeit ist alles abgesagt, etwa die „Nacht in den Mai“.
Unterstützung vom Land reicht gerade für Miete
„Das Bühnenprogramm ist ein Sahnehäubchen. Damit verdiene ich nichts; im Gegenteil, ich zahle drauf“, sagt die Siegburgerin, die von ihren Kinder-Kreativworkshops und von Kunstprogrammen lebt, die sie mit alten Menschen durchführt. Doch mit diesen Kursen bricht nun auch der Verdienst Clasens weg.
Die kurzfristige Unterstützung, die das Land in Höhe von 2000 Euro an selbstständige Künstler ausbezahlen will, würde gerade für zwei Monate Miete reichen. Clasen lebt von ihren Rücklagen. Um ihren Betrieb zu retten, hat sie sich bei drei Gemüsebauern in der Region als Erntehelferin beworben. Und hofft, dass es in zwei Wochen losgehen kann.
An die Kulturinteressierten appelliert sie: „Wenn das kulturelle Leben wieder möglich ist, schaltet die Glotze aus, kommt runter vom Sofa und geht raus.“ Dafür plant Martina Clasen schon jetzt etwa eine musikalische Mittsommernacht am 20./21. Juni.
Kein Budget für Ausfallhonorare
Nichts läuft mehr im Kunsthaus Troisdorf, doch dessen Chef Frank Baquet hat jede Menge zu tun, um all die Absagen und Anfragen zu koordinieren. Zwei Ausstellungen sind storniert, dazu die „Offenen Ateliers“, ebenso Sessions und Konzerte. Abende mit The Human Element, Moritz Preisler Trio und Webster/Punkt/Holub wird es wohl auf lange Sicht nicht geben: Während sich die beiden geplanten Ausstellungen „Sichtweisen“ und „Time Displacement“ nämlich ins nächste Jahr verschieben lassen, ist das bei den Auftritten der Musiker nicht möglich. „Das sind oft CD-Release-Konzerte, die an einen aktuellen Anlass gebunden sind, sie finden im Rahmen einer Tournee statt oder sind mit einer öffentlichen Förderung verknüpft.“ Falls die Musiker nicht von solch einer Projektförderung profitieren, spielen sie „auf die Tür“ – das bedeutet, ein Hut geht im Publikum herum.
„Es gibt keine festen Honorare, also auch keine Ausfallhonorare, weil ich dafür kein Budget habe“, bedauert Baquet. Die zweite Jahreshälfte ist schon so durchgetaktet, „dass es keine Luft mehr für zusätzliche Konzerte gibt. Man muss ja auch aufpassen, dass man die Kapazität des Publikums nicht überstrapaziert“.
Für den Fotokünstler Baquet bedeutet die Krise aber auch Entschleunigung. Von seiner jüngsten Reise nach Boston hat er so viel Material mitgebracht, „dass ich die nächsten zwei Jahre nur mit dem Aufarbeiten zubringen könnte“.
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Nach der jüngsten Jazzsession Seelscheid war für Burkard Sondermeier vorläufig Schluss. Seit dem 10. März sind im Saal des Kunsthauses Seelscheid die Lichter aus. „Es ist sehr schwierig“, beschreibt Sondermeier die Situation. Denn er musste als Vermieter des Saals nicht nur Musikern absagen, sondern als Künstler auch seine eigenen Programme stoppen, etwa den Wagner-Abend im April. Dazu gehören auch Proben etwa zum nächsten „Karneval einmal klassisch“ oder zum „Splitter“-Programm.
Seine Rezitationsabende, die Sondermeier auswärts gibt, fallen ebenfalls weg. Im Stillstand gibt es aber viel Hektik: „Bei mir steht das Telefon nicht still“, berichtet der gebürtige Kölner. „Ich habe sehr viele Anfragen von Künstlern, die im nächsten Jahr bei mir auftreten wollen.“ Dies müsse aber mit den eigenen Programmen abgestimmt werden, die ebenfalls verschoben werden. Planen, so Sondermeier, lasse sich zur Zeit kaum etwas, der Kostenapparat laufe weiter. Das Kunsthaus Seelscheid sei ein Zuschussbetrieb, möglich gemacht durch Kunsthandel und Möbel-Restaurierung. Doch auch hier brechen Einkünfte weg.
Eine schöne Geste macht Sondermeier Mut: „Leute, die Karten für Vorstellungen gekauft haben, wollen ihr Geld nicht zurück.“ Sie bewahrten die Tickets auf für die Wiederöffnung des Hauses, das jetzt zum Dornröschenschlaf verdammt ist. Aber Sondermeier arbeitet schon jetzt an einem Weckruf: „Das wird ein Paukenschlag.“