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Pro und ContraZwei Meinungen zum Warnstreik bei der Deutschen Bahn

Lesezeit 4 Minuten
Pendler und Bahnreisende, wie hier am Bahnhof Eitorf, trifft der Warnstreik hart.

Pendler und Bahnreisende, wie hier am Bahnhof Eitorf, trifft der Warnstreik hart.

Von Mittwoch- bis Donnerstagabend wird der Fern- und Nahverkehr der Deutschen Bahn bestreikt, mit erheblichen Auswirkungen auf Pendler und Reisende.

Der Warnstreik der Gewerkschaft der Lokführer (GDL) trifft Hunderttausende Bahnreisende, auch in der Region. Der Ausfall der Züge ist eine erhebliche Belastung für viele Menschen. Während wohl die Mehrheit wenig Verständnis für den Arbeitskampf hat, unterstützen andere die Anliegen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

Redakteur Ralf Rohrmoser-von Glasow sieht den Streik als einziges Mittel für kürzere Arbeitszeiten, sein Kollege Dieter Krantz hält die Forderungen der GDL für unangemessen.

Pro von Ralf Rohrmoser: „Es geht um mehr als Geld“

Wahrscheinlich würde ich am lautesten schimpfen, wenn mein Zug nicht fährt. Doch bei allem verständlichen Ärger über Ausfälle durch Streiks muss eines klar bleiben: Kein Gewerkschaftsmitglied legt die Arbeit aus Jux und Dollerei nieder. Es ist eines der wenigen Mittel, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern bleibt, um berechtigte Forderungen durchzusetzen. Und es geht eben nicht nur um mehr Geld.

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Wichtiges Anliegen ist die Arbeitszeitverkürzung für Schichtarbeiter. Das ist keine maßlose Forderung, auch wenn das vorgelegte Angebot der Deutschen Bahn kein schlechtes ist. Die Zahl jener, die nach jahrzehntelanger Buckelei Tag und Nacht von ihrer Rente noch lange was haben, ist so groß nicht. Also muss die Arbeitsbelastung runter. Das geht nur über weniger Wochenstunden.

Damit steht mal wieder der Niedergang der Wirtschaft kurz bevor. Die Geschichte der Arbeitszeitverkürzung seit dem 19. Jahrhundert zeigt: Dieses Argument wurde immer wieder vorgetragen. Gestimmt hat es nie. Durchgesetzt werden konnten der freie Samstag, die 40- und die 35-Stunden-Woche aber immer nur durch Streiks.

Warum der Gewerkschaftsvorsitzende Claus Weselsky jetzt mal wieder als Buhmann der Nation herhalten muss, hat wohl damit zu tun, dass die Arbeitgeberseite ihre eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gegen die Bahnkunden ausspielen will.

Warum schaut eigentlich in dieser Situation niemand darauf, was das Management der Deutschen Bahn in den vergangenen Jahren versäumt hat, um aus dem ehemaligen Staatskonzern ein reibungslos funktionierendes Dienstleistungsunternehmen zu entwickeln?

Weselsky macht genau das, was seine Aufgabe ist: Er vertritt die Interessen seiner Gewerkschaftsmitglieder. Die haben sich in demokratischen Prozessen auf ihre Linie verständigt. Und sie nutzen die Möglichkeiten, die ihnen zur Verfügung stehen. Nicht einer allein, der spaßeshalber mal Muskeln spielen lässt, weil er ja eh nächstes Jahr nicht mehr dabei ist.


Contra von Dieter Krantz: „Geht's noch, Gewerkschaft?“

„Geht's noch?“ ist man geneigt zu fragen, nachdem die Gewerkschaft der Lokführer (GDL) ihre Mitglieder zum Warnstreik aufgerufen hat. Zur Erinnerung: Die Deutsche Bahn hatte schon in der ersten Verhandlungsrunde ein Angebot von elf Prozent Lohnsteigerung auf den Tisch gelegt und auch angedeutet, dass sie zur Zahlung einer Inflationsausgleichsprämie bereit sei.

Das sind Offerten, von denen Beschäftigte in vielen anderen Branchen weit entfernt sind. Das ist weit mehr als nichts. Aber noch bevor darüber in Ruhe gesprochen wurde, legen die Eisenbahner der GDL die Arbeit nieder, weist ihr Gewerkschaftsvorsitzender Claus Weselsky das Angebot der Bahn in harschen Worten zurück: weil die Forderung nach einer Arbeitszeitverkürzung für Schichtarbeiter nicht erfüllt werde.

Schon die zweite Verhandlungsrunde ist damit vorerst geplatzt, die Bahn sagte die Gespräche ab. Und so werden am Mittwoch und vor allem am Donnerstag zahllose Bahnkundinnen und -kunden vergebens auf Züge warten, wenn sie zur Arbeit müssen und wieder nach Hause wollen. Sie werden sich am Küchentisch im Homeoffice einrichten oder eben doch mit dem Auto auf mutmaßlich verstopften Straßen unterwegs sein.

„Erst einmal Druck aufbauen“, nennt das Claus Weselsky. Einen Druck, den aber vor allem die Menschen zu spüren bekommen, die unter Umständen im Alltag auf die Bahn angewiesen sind. Mir fehlt für diesen Streik jedes Verständnis – auch als Gewerkschaftsmitglied, für den Mitbestimmung und Streikrecht ein hohes Gut sind: Vor allem, weil er die Falschen trifft und weil er die Gewerkschaft der Lokführer mit ihren Forderungen in der Öffentlichkeit als maßlos dastehen lässt.

Wer sich auf die ohnehin hohen Forderungen für nur ein Jahr festlegen will, hat offenbar kein Empfinden für Kolleginnen und Kollegen, die froh wären, wenn ihnen jemand überhaupt noch eine Beschäftigung in den kommenden zweieinhalb Jahren anböte.