AboAbonnieren

BahnknotenSo soll Köln 2040 aussehen – Vom Nadelöhr zum Hochleistungszentrum

Lesezeit 6 Minuten
Dom, Hauptbahnhof, Hohenzollernbrücke und Philharmonie                                                           sind zu sehen aus der Vogelperspektive.

Das Herzstück des Bahnknotens Köln: Der Hauptbahnhof soll in den kommenden Jahren einen zusätzlichen Bahnsteig bekommen, der Zugverkehr digitalisiert werden.

Für die Verkehrswende auf der Schiene im Bahnknoten Köln dient das Großprojekt Stuttgart 21 als abschreckendes Beispiel.

Wir schreiben das Jahr 2040. Die Zahl der S-Bahnlinien rund um Köln hat sich von fünf auf zehn verdoppelt. An den beiden neuen S-Bahnsteigen im Kölner Hauptbahnhof und dem Bahnhof Köln Messe/Deutz halten die Züge im Berufsverkehr im Fünf-Minuten-Takt. Komfortabler geht es kaum. Das ist das Ergebnis eines Ausbaus der Eisenbahn-Infrastruktur in und um Köln, der einer ganzen Pendler-Generation viel Ärger bereitet hat.

Rund 15 Jahre Bauarbeiten mit Streckensperrungen, Umleitungen und Zugausfällen liegen hinter ihnen, doch im Vergleich zum Großprojekt Stuttgart 21, dessen Gesamtkosten schon bei der Unterzeichnung des Finanzierungsvertrags im Jahr 2009 bei 4,53 Milliarden lagen, derzeit auf 11,5 Milliarden Euro gestiegen sind und beim Start des Probebetriebs Ende 2025 wohl an der 12-Milliarden-Grenze kratzen werden, wirken die Ausbaukosten des Bahnknotens Köln geradezu bescheiden.

Anfang 2025 kalkuliert man für den S-Bahnausbau im Kerngebiet von Köln mit 2,3 Milliarden Euro. Davon trägt der Bund 75 Prozent, das Land hat 900 Millionen Euro zugesagt. 100 Millionen Euro sind zu diesem Zeitpunkt bereits in die Planungen geflossen.

Die S-Bahn soll im Herzen von Köln durchgehend auf einer eigenen Trasse fahren

Die niedrigeren Kosten sind vor allem dem Umstand geschuldet, dass die Planer beim Verkehrsverbund go.Rheinland und der Deutschen Bahn von Beginn an auf ein eher kleinteiliges Konzept mit 15 Bausteinen gesetzt haben, die alle nach ihrer Fertigstellung sofort spürbare Verbesserungen mit sich bringen.

Dabei verfolgen die Planer in erster Linie ein Ziel: Unabhängigkeit. Die Bahntrassen im Kölner Stadtgebiet auf der sogenannten Stammstrecke zwischen Hauptbahnhof und Hansaring und der sich anschließenden Westspange zwischen Köln-West und Hürth-Kalscheuren sind so ausgebaut, dass die S-Bahn auf eigenen Gleisen fährt und deshalb 24 statt bisher 18 Züge pro Stunde und Richtung unterwegs sind. Schnellere Fernzüge, Regionalbahn und Güterzüge sind von der S-Bahn getrennt und behindern sich nicht länger gegenseitig.

Das ist die Voraussetzung, um komplett neue S-Bahnlinien einzuführen oder ehemalige Regionalbahn-Linien wie die RB 38 zwischen Bedburg und Köln, die bis Anfang der 2030er Jahre noch mit Diesel-Triebwagen fahren, auf S-Bahn-Niveau zu heben. S-Bahnen fahren grundsätzlich elektrisch und in einem dichteren Takt.

Zehn Linien sollen Köln mit dem Rheinland verbinden - fünf davon sind neu

Zu den neuen S-Bahn-Strecken zählt auch die S 6 zwischen Leverkusen, Köln, Pulheim und Mönchengladbach, die bisher nur zwischen Worringen und Essen Hauptbahnhof verkehrt und vier neue Haltepunkte bedient: in Köln sind das Bocklemünd und die Berliner Straße in Mülheim.

Auch der Engpass auf der vielbefahrenen rechtsrheinischen Verbindung zwischen Köln und Bonn ist durch den Ausbau der S 13 beseitigt. Als Ergänzung zur S 19 fährt sie durchgängig zwischen Düren, Köln, dem Flughafen Köln/Bonn, Troisdorf und Bonn-Oberkassel, tagsüber im 20-Minuten-Takt, und trägt damit erheblich zu einer besseren Anbindung des Flughafens bei.

Weil die meisten dieser zehn S-Bahnlinien über die Stammstrecke im Herzen von Köln zwischen dem Hansaring, dem Hauptbahnhof und dem Bahnhof Messe/Deutz fahren, haben die Planer schon Anfang der 2020er Jahre mit einer Mär aufgeräumt, die sich hartnäckig gehalten hat. Nicht die Hohenzollernbrücke mit ihren sechs Gleisen – von denen zwei schon immer für die S-Bahn reserviert sind – ist das Nadelöhr, sondern der Hauptbahnhof und der Bahnhof Messe/Deutz.

Visualisierung Ausbau Kölner Hauptbahnhof am Breslauer Platz

So soll der Kölner Hauptbahnhof am Breslauer Platz nach der Erweiterung um einen S-Bahnsteig aussehen, Visualisierung: J.MAYER und Partner

Ab Mitte 2030 halten deshalb an beiden Stationen die S-Bahnen an zusätzlichen Bahnsteigen mit jeweils zwei weiteren Gleisen, so dass pro Richtung jetzt zwei Züge parallel abgefertigt werden können. Im Hauptbahnhof wird der alte S-Bahnsteig mit den Gleisen 10/11 ausschließlich für Züge Richtung Messe/Deutz genutzt, auf dem neuen mit den Gleisen 12/13 fahren die Züge Richtung Hansaring. Nach dem gleichen Prinzip wird auch in Deutz gefahren.

Zwischen Köln, Düsseldorf und Dortmund, auf der Kernstrecke des Regionalverkehrs in Nordrhein-Westfalen, sind die verschiedenen Linien des Rhein-Ruhr-Express (RRX) im Viertelstundentakt unterwegs. Alle 15 Minuten ein Zug zwischen Köln und Düsseldorf, den man mit dem Deutschlandticket nutzen kann. Im Tempo kann er mit einem ICE durchaus mithalten. Dazu gesellt sich die S-Bahn als weiteres Angebot mit einer komplett neuen Fahrzeugflotte, die den Pendlern schon seit Dezember 2032 zur Verfügung stehen und im Kern des Bahnknotens Köln digital gesteuert werden soll.

Neuer S-Bahnzug der Firma Alstom für die S-Bahn Köln. go.Rheinland und der VRR bestellen 90 Fahrzeuge.

Neuer S-Bahnzug der Firma Alstom für die S-Bahn Rheinland. go.Rheinland und der VRR bestellen 90 Fahrzeuge. Visualisierung: Alstom/Advanced & Creative Design

Fünf Milliarden Euro haben Bund und Land bereits im Jahr 2024 in 90 neue Züge beim Hersteller Alstom investiert, der Probebetrieb soll schon 2029 starten. Dabei hat es sich als kluger Schachzug der beiden Verkehrsverbünde go.Rheinland und Rhein-Ruhr erwiesen, den Hersteller bei der Wartung und Instandhaltung der neuen S-Bahnflotte in die Pflicht zu nehmen. Alstom arbeitet dabei mit moderner digitaler Diagnosetechnik, um Fehler und Störungen vorausschauend zu beheben. Die Flotte soll möglichst kurze Ausfallzeiten haben, die Wartungskosten müssen niedrig bleiben.

Wir müssen sehr darauf achten, dass andere Großprojekte in Deutschland nicht als wichtiger erachtet werden
Norbert Reinkober, Geschäftsführer von go.Rheinland

Ob der Ausbau des Bahnknotens Köln bis 2040 tatsächlich abgeschlossen sein wird, ist natürlich eine Frage des Geldes. „Unser Auftrag wird sein, die Bahn zu motivieren und in die richtige Richtung zu stoßen. Wir müssen sehr darauf achten, dass andere Großprojekte in Deutschland nicht als wichtiger erachtet werden und wir hinten herunterfallen“, sagt Norbert Reinkober, Geschäftsführer von go.Rheinland.

Die Generalsanierung von 40 Hochleistungskorridoren in Deutschland bis 2030, die mit der Riedbahn zwischen Frankfurt und Mannheim begonnen hat, werde Milliarden verschlingen, fürchtet Reinkober. „Es besteht leider die Gefahr, dass sich die beiden Vorhaben bei der Frage, wer das alles bezahlen soll, gegenseitig Konkurrenz machen.“ Natürlich werde auch das Rheinland von diesem Paket profitieren, weil sowohl die linke und die rechte Rheinseite zwischen Köln und Bonn, sowie die Strecken Köln-Aachen und Köln-Hagen-Wuppertal enthalten sind. „Die Planungen für alle Korridore laufen gut, weil diese Sanierung das große Projekt der Bundesregierung ist.“ Immerhin: Der Ausbau der S 13 zwischen Köln und Bonn wird als Projekt des Bonn-Berlin-Ausgleichs zu 80 Prozent direkt vom Bund gebaut und bezahlt.

Norbert Reinkober beim Startschuss zur Machbarkeitsstudie Der Knoten Köln der Deutschen Bahn wird digital im SkyTower in Köln Deutz. Köln, 08.07.2021 *** Norbert Reinkober at the kick-off for the feasibility study Deutsche Bahns Cologne node goes digital in the SkyTower in Cologne Deutz Cologne, 08 07 2021 Foto:xC.xHardtx/xFuturexImage

Norbert Reinkober, Geschäftsführer von go.Rheinland, gibt im Juli 2021 den Startschuss zur Machbarkeitsstudie für die Digitalisierung des Bahnknotens Köln. Foto: imago images/Future Image

Ob sich die ehrgeizigen Vorhaben zur Modernisierung und zum Ausbau des Bahnknotens Köln zeitgleich realisieren lassen, sei fraglich, auch wenn das Geld dafür aus unterschiedlichen Finanztöpfen kommt. „Der Kampf um die Fachkräfte vor allem in der Bauplanung kommt da noch obendrauf“, so Reinkober.

Besondere Kopfschmerzen bereitet dem Geschäftsführer von go.Rheinland, dass die Bahn wegen der unsicheren Finanzierung Abstriche bei ihrer schon verabschiedeten Digitalisierungsstrategie vornehmen könne. „Bei Stuttgart 21 ist das gerade noch durchgegangen, bei uns hingegen könnte es schwierig werden.“

Für den S-Bahn-Ausbau hätte das fatale Folgen. Die 90 neuen Züge, die ab 2032 fahren sollen, werden für das Digitalzeitalter zwar vorbereitet sein. Ob die Technik, die ein Fahren ohne Signale und damit eine um bis zu 30 Prozent höhere Zugkapazität ermöglicht, dann aber auch eingebaut ist, kann derzeit niemand sagen.

Mit modernen elektronischen Stellwerken allein, die derzeit in Köln und Bonn entstehen und Anfang 2026 betriebsbereit sind, ist das nicht möglich. „Wir haben bewusst kein Stuttgart 21 geplant, sondern lieber ein Bündel kleinerer und mittlerer Maßnahmen, die jede für sich schon eine gewisse Wirkung entfalten. Bis auf den Hauptbahnhof und die Digitalisierung. Die müssen in jedem Fall vorangetrieben werden. Wir wurden oft gefragt, warum wir nicht größer denken“, so Reinkober. „Dann wären wir aber längst nicht so weit, wie wir sind. Im Vergleich zu Stuttgart 21 ist der Bau von zwei Bahnsteigen im Hauptbahnhof und in Deutz nahezu nichts. Daran mag man erkennen, dass wir eher vorsichtig vorgehen. Wir wollen sicher sein, dass das alles auch in die Tat umgesetzt wird.“