Hohe Kosten und viel ehrenamtliches Engagement begleiten die Organisation. Warum Vereine dies auf sich nehmen.
TraditionTeure Gagen und hohe Sicherheitsauflagen bei Oktoberfesten im Rhein-Sieg-Kreis
Der Karneval steht im Rheinland über allem – und trotzdem haben sich zwischen Aschermittwoch und dem Elften im Elften zahlreiche Oktoberfeste etabliert. Dabei nehmen kleine Vereine enorme Summen in die Hand, um die Riesengaudi zu veranstalten. Der JGV Brückberg und der MGV Seelscheid berichten, wie sich das finanzielle Risiko tragen lässt.
Im Festzelt der Brückberger Junggesellen wird am Freitagmittag, 4. Oktober, gerade die Technik aufgebaut. Gut 30 Stunden später sollen 1000 Besucherinnen und Besucher zu Lorenz Büffel und den Dorfrockern feiern. Der JGV Brückberg veranstaltet jedes Jahr im namensgebenden Stadtteil ein Maifest. Dort spielen neben Mallorca-Stars auch kölsche Bands wie Cat Ballou und Bläck Fööss.
Oktoberfest des JGV Brückberg erstmals im Festzelt
Das Oktoberfest ist die zweite große Veranstaltung im Jahr und findet seit 2022 statt. „Bisher haben wir immer drauf gezahlt, weil wir im Rhein-Sieg-Forum zu Gast waren. Die betreiben ihre Gastronomie selbst, und uns blieben nur die Einnahmen vom Ticketverkauf“, sagt Patrick Trampert, Vorsitzender des JGV. Drum habe sich der Verein entschieden, erstmals ein Zelt aufzubauen, es steht im Innenhof Am Turm in Deichhaus.
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„Enorm viel Aufwand und Kosten“ habe der Verein trotzdem zu tragen. „Das Geld aus dem Maifest wird immer reinvestiert.“ Durch Getränkeverkäufe bei „Siegburg Sommer live“ und dem Stadtfest könne das Budget zusätzlich gesteigert werden. „Uns ist es wichtig, trotzdem faire Eintrittspreise zu haben. Viele mögen unseren Verein, es hat sich herumgesprochen, wie gut das Maifest organisiert ist.“ Das Oktoberfest müsse sich hingegen noch etablieren.
Teils fünfstellige Gagen für Ballermann-Künstler
Helfen sollen bekannte Bands, am Samstagabend etwa Lorenz Büffel und die Dorfrocker – Künstler aus einer Preisklasse, deren Gage teils im fünfstelligen Bereich liegt. „Das steht in keinem Verhältnis zu den Kosten, man zahlt da für Angebot und Nachfrage“, räumt Trampert ein.
„Sowas muss man eben in die Hand nehmen, um sich einen Namen zu machen: In anderen Städten gibt es nur einen Junggesellenverein und auch sonst ist nicht viel los. Wir vertreten dagegen nur einen Stadtteil und müssen uns gegen viele andere Veranstaltungen in Siegburg behaupten“, sagt Trampert. Er hoffe, dass sich noch viele Menschen für einen spontanen Besuch entscheiden: Etwa 250 Karten sind noch zu haben.
Oktoberfest in Neunkirchen-Seelscheid besteht seit 1972
Auch am Sportplatz Breitscheid in Neunkirchen-Seelscheid wird bereits gewerkelt – in einer Woche veranstaltet der Männergesangsverein Seelscheid hier das größte und älteste Oktoberfest des Rhein-Sieg-Kreises. Insgesamt 4000 Besucherinnen und Besuchern werden im Festzelt dabei sein – 1972 fand die Premiere statt. Ein Kran legt am Freitag die Bodenplatten für die 70 mal 25 große Grundfläche zusammen. Wenn das Zelt steht, kommen Theke, Tische und Trinkbares hinein.
„Unser damaliger Vorsitzender Horst Schönenberg hatte ein Faible für Bayern und die bajuwarische Lebensart. Er hat vorgeschlagen und auch durchgesetzt, das mal in Neunkirchen-Seelscheid zu machen“, schildert Mitglied Klaus Hebekeuser. Nicht jeder im Verein wollte das mittragen, nicht nur des finanziellen Risikos wegen. „Das war ja schon damals kein Pappenstiel, manche wollten auch kein Oktoberfest im Rheinland haben und sind deswegen ausgetreten.“
Heimatlos seit 1837: Männergesangsverein spart für Vereinsheim
Ziel des Vereins sei es immer gewesen, Rücklagen bilden zu können, sagt der heutige Vorsitzende Norbert Tondl. „Wir sind jedes Jahr ausverkauft und noch nie mit roten Zahlen rausgegangen – in all den Jahren.“ Zum einen sei das Geld für die Vereinsarbeit notwendig. Die Sänger sind zwar Laien, der Chorleiter dagegen Profi. „Ich vergleiche das mit dem Fußball: Wir sind ein Landesligaverein, aber leisten uns einen Bundestrainer“, sagt Hebekeuser.
Der MGV spare auch für den Bau eines Vereinsheims, das er trotz seiner 187-jährigen Geschichte noch immer nicht besitzt. „Uns ist wichtig, dass das Oktoberfest authentisch bleibt: Wir haben keine kölsche Partyband, sondern eine, die wirklich aus Bayern kommt. Das Essen machen wir selbst, wir sind für unsere Hausmannskost bekannt – alles liebevolle Kleinarbeit“, sagt Hebekeuser.
Security und Metalldetektoren unerlässlich
Am Freitag- und Samstagabend sei das Zelt voll, am Sonntag kämen die Senioren und die Kinder zum gemütlichen Kaffee. „Allein am Samstag haben wir 120 ehrenamtliche Helfer. Zwei Drittel gehören dem Verein an, ein Drittel besteht aus Freunden und Verwandten.“ Sogar aus Italien aus einem befreundeten Verein komme ein Mann mit seiner Freundin, um zu helfen.
Doch die Bedingungen hätten sich verändert: „Die ersten 20, 30 Jahre brauchten wie keine Security – dieses Jahr haben wir sogar erstmals Metalldetektoren. Wir sind stolz darauf, dass bei uns noch nie was passiert ist, unsere Security besitzt viel Fingerspitzengefühl“, sagt Tondl.
Und doch hätten sie Versicherung gegen unerwartete Absagen durch höhere Gewalt abgeschlossen. Die Ausfallsumme beläuft sich auf 100.000 Euro. All das für ein wenig Leben im Dorf. „Würde es das nicht schon 50 Jahre geben, wäre es vermutlich unmöglich, etwas in der Größe zu starten. Das Wissen über den Aufbau und die Organisation wird an die Jüngeren weitergegeben“, sagt Tondl.