Essen/Düsseldorf – Zum Jahrestag der Jahrhundertflut hat der Vorsitzende des Städtetags in Nordrhein-Westfalen, Thomas Kufen, Tempo beim Ausbau des Katastrophenschutzes angemahnt. Das sei auch für andere Notlagen unverzichtbar, sagte der Essener Oberbürgermeister am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur in Düsseldorf. „Flächendeckende Stromausfälle durch Cyberangriffe sind keine Science-Fiction mehr. Auch die aktuelle Entwicklung bei der Gasversorgung kann eine ernste Krisenlage auslösen.”
Der Städtetagsvorsitzende legte einen Katalog mit Vorschlägen zu den Anforderungen an einen effektiven Katastrophenschutz vor. „Katastrophen-Szenarien müssen viel öfter geübt werden”, forderte Kufen. „Das ist aufwändig und bindet Ressourcen. Aber nur so können wir uns darin üben, Katastrophen bestmöglich zu meistern.”
Bei Katastrophen oder Krisensituationen über Ländergrenzen hinweg, etwa auch bei Großbränden, seien funktionierende Kommunikationsstrukturen entscheidend. „Es muss klar sein, wer ab wann Verantwortung übernimmt”, sagte Kufen. „Lagebilder mit allen Informationen und Daten müssen schnell unter den Einsatzstellen ausgetauscht werden.”
Das gemeinsame Kompetenzzentrum von Bund und Ländern könne eine solche Rolle übernehmen, schlug der Städtetagsvorsitzende vor. „Länder und Bund müssen jetzt finanziell wie personell dafür sorgen, dass es das auch kann.” Zudem müssten die Kommunen von Anfang an intensiv eingebunden werden. „Sie sind es, die vor Ort gefordert sind, wenn es zu katastrophalen Lagen kommt”, betonte der Oberbürgermeister.
Das Land sei in der Verantwortung, die richtigen Weichen zu stellen und seinen 15-Punkte-Plan umzusetzen. „Der Katastrophenschutz muss personell und technisch aufgerüstet werden - zum Beispiel mit Digitalfunk, modernen Vorhersagesystemen für Unwetter und Pegelstandmessern”, sagte Kufen. „Durch den Ausbau von Sirenen und dem Aufbau des Cell Broadcast Systems, mit dem im Notfall die Bevölkerung rasch und in Echtzeit auf dem Handy gewarnt werden kann, können wir den Schutz der Menschen deutlich verbessern.”
Die Städte wollten sich wappnen gegen die Folgen von Starkregen, Hochwasser und Dürreperioden, versicherte der CDU-Politiker. „Wir müssen verhindern, dass es noch einmal zu einer vergleichbaren Katastrophe kommt.”
Dazu gehöre auch eine Personal- und Ausbildungsoffensive für technische Berufe. Viele Städte - darunter etwa Essen und Krefeld - hätten mittlerweile Klimaanpassungskonzepte entwickelt und wollten sie umsetzen. „Um Rückhaltesysteme zu bauen, Wasserläufe zu renaturieren oder Frischluftschneisen zu realisieren, brauchen wir sowohl die Fachkräfte als auch die nötigen Mittel für Investitionen.”
Bei der Hochwasserkatastrophe Mitte Juli 2021 waren allein in NRW 49 Menschen gestorben. Die Schäden werden hier auf etwa 13 Milliarden Euro beziffert. Mit 180 Städten und Gemeinden war fast die Hälfte der Kommunen in NRW betroffen gewesen. Im rheinland-pfälzischen Ahrtal hatte die Sturzflut am 14. und 15. Juli 2021 sogar 134 Todesopfer gefordert. In beiden Bundesländern sind für Donnerstag Gedenkveranstaltungen mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier geplant.
Ein Untersuchungsausschuss zur Flut durchleuchtet im NRW-Landtag seit vergangenem Oktober das Handeln der Behörden und mögliche Versäumnisse sowie Defizite im Katastrophenschutz. Vielerorts war eine zu späte Alarmierung der Bevölkerung beklagt worden; Kommunikationssysteme waren laut Schilderungen von Rettern teilweise zusammengebrochen.
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