Köln – Kalt ist es an diesem Morgen. Frostig kalt. Gerade lugt die Sonne über den Horizont. Blauer Himmel, Vögel tschilpen, am Rautenstrauchkanal quaken die Enten. Irgendwo hämmert ein Specht. Es riecht nach altem Laub und feuchter Erde. Es riecht – nach Frühling. Bis zu 17 Grad soll es an diesem Wochenende in Köln werden. Temperaturen, die erste Frühlingsgefühle wecken, jene launige Beschwingtheit, die die Menschen gegen Ende des Winters erfasst – auch wenn der Frühling laut Kalender erst am 20. März beginnt. „Dorit“, so heißt die Frühlingsfee, die uns schon am heutigen Freitag Temperaturen weit über dem Durchschnittswert von sieben Grad plus bescheren soll. Zum Vergleich: Im Februar 2018 schwankten die Temperaturen zwischen null und sieben Grad. Am 28. war es sogar klapperkalt: minus drei Grad.
„Frühling ist der Beginn des Lebens“, sagt U. Barendt, der seinen Vornamen nicht nennen möchte. „Frühling ist Kraft, Licht, Ursprünglichkeit.“ Gemeinsam mit seiner Frau ist der Rentner am Donnerstag zu einem Kurzbesuch nach Köln gekommen. Jetzt sitzt das Aachener Ehepaar auf einer lichtüberfluteten Holzbank in der Flora und wendet seine Gesichter der Sonne zu. „Wir genießen, was uns der Frühling schenkt.“
Die Sonne hat im Laufe des Vormittags an Kraft gewonnen. Ein Meer aus kleinen lila Krokussen überzieht die Wiesen, Schneeglöckchen bohren sich durchs Gras. An den Wegesrändern stehen Schilder mit dem Hinweis: „Wegen der sprießenden Frühlingsblumen Rasenflächen bitte nicht betreten.“
Dichter besangen seit je mit Inbrunst die Wende von der Dunkelheit zum Licht. Maler und Musiker widmeten der zweiten Jahreszeit einige ihrer berühmtesten Werke. „Nun ist er endlich kommen doch / In grünem Knospenschuh; / Er kam, er kam ja immer noch, / Die Bäume nicken sich’s zu“, reimte Theodor Fontane 1851 in seinem Gedicht „Frühling“. Die Berliner A-Kapella-Band Comedian Harmonists schmetterte in den Vorkriegsjahren munter: „Veronika, der Lenz ist da, die Mädchen singen tralala.“
Mediziner sehen die Sache etwas nüchterner. Auslöser der Nach-Winter-Euphorie sind ihrer Meinung nach vor allem bestimmte Hormone. Die Melatoninwerte – das „Schlafhormon“ also, das uns im dunklen Winter müde macht – sinken, wenn die Tage länger werden und der Mensch wieder ausreichend Licht tanken kann. Mehr als zehn Stunden Helligkeit liegen in der zweiten Februarhälfte zwischen Sonnenaufgang und -untergang. Nur knapp acht sind es am 21. Dezember, dem kürzesten Tag des Jahres. Gleichzeitig fördert die Sonne die Bildung des Glückshormons Serotonin: Selbst ein Misanthrop hat jetzt die Chance auf gute Laune.
Die Lust auf Eis in Köln nimmt schon zu
Ein Cappuccino in der Sonne, lässig geöffnete Wintermäntel – schon sind die Folgen von „Dorit“ unübersehbar in der Stadt. Noch hängt im Eiscafé „Colonia“ in der Breite Straße ein Schild mit dem Hinweis „Glühwein“ in der Tür. Bisher seien die Geschäfte gut gelaufen, sagt „Eismann“ Gadiz Sulemanov, der aus Aserbaidschan stammt. Ob das morgen noch so sein werde, könne er nicht beschwören. „Sobald es warm wird, essen die Leute lieber Eis.“ Harald Halfmann hofft weiterhin auf gemäßigte Temperaturen. Er verkauft heiße Maronen auf der Schildergasse und möchte bis Ende des Monats gute Geschäfte machen. „Dann ist Schluss, und ich arbeite bis Oktober im Garten.“
Bei Karin Wiebusch von der Boutique „Stilvoll“ ist längst Frühling angesagt. Die Winterklamotten füllen einen Ständer im Hintergrund des Ladens. Selbst zu Schleuderpreisen sind sie nicht mehr gefragt. „Die Kunden wollen nur noch neue Ware“ – dünne Baumwollhosen, Blazer und Hosenanzüge in hellen Farben. „Gelb, Rot und Pink sind angesagt. Grün ist ein großes Thema.“
Am Rhein sitzen junge Mädchen in der Sonne. Auf den Außenterrassen der Lokale sind die ersten Tische besetzt. 13, 14 Grad warm mag es inzwischen in der Sonne sein. Beim Deutschen Wetterdienst in Essen spricht man bei Temperaturen wie diesen von einer „sehr milden“ (zehn bis 13 Grad) oder sogar von einer „ungewöhnlich milden“ (mehr als 13 Grad) Witterung.
Ob die zu erwartenden zweistelligen Plus-Grade Vorboten eines möglichen Rekordfebruars sind, bleibt abzuwarten. Für eine klimatologische Einordnung sei es noch zu früh, sagt Diplom-Meteorologe Martin Jonas von der „Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach“. Dennoch schließt der Wetterexperte nicht aus, „dass die kommenden Tage mit dafür sorgen könnten, dass der Februar 2019 wärmer wird als dies im vieljährigen Mittel zu erwarten wäre“.